Der Befehl bleibt in Kraft

[147] Noch an demselben Tage gelangte der Bescheid an Vitzthum, daß bei Aufführung der demnächst zu gebenden Rossini'schen Oper »Elisabetha« das Orchester wieder die alte Anordnung zu zeigen habe!

Schwergekränkt, gebeugt und verbitterten Gemüths hatten die Beiden Nichts zu thun, als zu gehorchen. Als aber am nächsten Tage (22. Jan.) der Befehl im Probesaale publizirt wurde und die, welche sich compromittirt und in den Augen ihres Personals herabgesetzt meinten, sich von diesem, das sich von der Trefflichkeit der neuen Anordnung vollständig überzeugt hatte, mit den Kundgebungen innigster Verehrung umdrängt sahen, und selbst im Munde dieser subalternen Hofdiener, die so sehr an das Lispeln gewöhnt waren, die Mißbilligung[147] der Maßnahmen hie und da Ausdruck fand, da war es den beiden Männern vergönnt, den Honig aus der Giftblume dieser Kränkung in Gestalt der Ueberzeugung zu saugen, daß Obere sich im Spenden ihres Vertrauens täuschen können, daß es der Untergebene aber untrüglich nur zu dem Tüchtigen und Echten hegt.

Das Freundschaftsband zwischen Weber und seinem trefflichen Chef schloß sich in dieser bösen Zeit fester als je zuvor. Er pflegte von ihm zu behaupten, daß, wenn Vitzthum 1815 an Einsiedel's Stelle dem König zur Seite gestanden hätte, Sachsen sicher geblieben wäre, was es war. Weber schreibt in diesen Tagen an Rochlitz:


»etc. Es ist wahr, daß in dieser Zeit viel zusammen gekommen, ja zum Theil noch beisammen ist, aber ich habe mir fest vorgenommen so leicht wie möglich über alles wegzusehen, und mich immer mehr in meiner Ueberzeugung zu halten, unbekümmert ob ich eine Sprosse höher oder tiefer in der Gnade stehe, wenn ich nur weiß daß ich vermöge meines Willens die oberste verdiene. etc.«


Es konnte damals in Dresden nicht fehlen, daß mehr oder weniger entstellte Berichte über den Eindruck, den die Anordnung gemacht hatte, zu den Ohren des Ministers gelangten, ja es ist höchst wahrscheinlich, daß Arthur von Nordstern ein ernstes Wort mit ihm darüber gesprochen hat. Der Minister hatte, im Gefühl seiner Unsicherheit in dieser Richtung, große Sorge davor, im Publikum ungeschickt zu erscheinen, und da sein Verhalten in dieser Sache nicht anders als so bezeichnet werden konnte, so suchte er, ohne indeß dabei seinen Blick von »Oben« abzulenken, Weber, so viel es ging, zu begütigen, versicherte ihn mehrfach der Zufriedenheit des Königs mit seinen Leistungen, ja deutete ihm sogar an, daß es kaum übel vermerkt werden dürfte, wenn er in deutschen Opern einen Theil seiner Orchester-Anordnung beibehalten würde. Weber wollte zornig dieses Anmuthen Anfangs völlig zurückweisen, Vitzthum aber rieth ihm besonnen, um der guten Sache willen, darauf einzugehen, stückweis das Gute zum Vorschein zu bringen, bis sie das Ganze hätten, ohne es zu bemerken. Diesem Rathe und einem 1820 ausgesprochenen Wunsche der Königin, dankte das Orchester die endliche Einführung der Weber'schen Anordnung,[148] die später auch selbst Morlacchi gelten ließ und auch in der italienischen Oper zum größten Theile beibehielt.

Trotzdem war Weber's Mißmuth über diese so öffentliche, so blosstellende Desavouirung seiner Anordnungen im Amte, die, ohne seine große Begabung dafür sich Autorität durch das Gewicht seiner Persönlichkeit zu verschaffen, ganz dazu geeignet gewesen wäre, sein dienstliches Ansehen völlig zu untergraben, so gerecht, daß die öffentliche Meinung sich entschieden auf seine Seite stellte. Vitzthum wurde dadurch veranlaßt, vielleicht früher als gut, dem Drange seines Herzens nachzugeben und den Versuch zu machen, auf Weber einen so leuchtenden Strahl höchster Huld herabzuleiten, daß ihm in jeder Beziehung dadurch Genugthuung zu Theil würde.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 147-149.
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