Weber's Tag

[160] Es konnte nicht fehlen, daß diese Häuslichkeit, bei den hohen geistigen Vorzügen der Gatten und den außerordentlichen Talenten, mit denen sie jeden geselligen Kreis zu schmücken und zu beleben verstanden, so wie bei ihrer Fähigkeit die beiderseitigen Bestrebungen zu verstehen, zu würdigen und zu unterstützen, und endlich bei ihrem Sinnen für trautes, heiteres Zusammenleben, bald die anmuthigste, die Geselligkeit im Weber'schen Hause eine der gesuchtesten der Residenz wurde.

Da die Gatten eifrige Frühaufsteher waren, so widmete sich der lange Morgen bis zum Beginne der Proben oder Conferenzen,[160] nach einem sehr behaglichen Frühstücke, wobei um Weber's Platz, der ein großer Thierfreund war, hungrig aber lautlos sein großer Hund und eine graue Katze wandelten, und er mit der Gattin Angelegenheiten des Hauses besprach, von selbst der Arbeit. Doch pflegte Weber Vormittags meist nur solche Beschäftigungen vorzunehmen, die weniger schöpferische Kraft der Phantasie, als Klarheit des Geistes erfordern. Abends hingegen brachte er meist Conceptionen zu Papier, die ihm das Leben des Tags geschenkt hatte.

Von 10 Uhr an waren viele Vormittage durch Proben in Anspruch genommen, war dieß nicht der Fall, so liebte er es mit seiner Frau vor dem Mittagessen, das man um 1 Uhr einnahm, einen Gang um die »Schläge« (so hießen die Thore Dresdens) zu machen oder einige Besuche abzustatten, worin er sehr gewissenhaft zu sein pflegte. Fast nie verabsäumte es Weber, den Mitgliedern des königlichen Hauses, seinen Vorgesetzten, Collegen und Freunden, und letztere in sehr weitem Sinne genommen, persönlich seinen Glückwunsch zu ihren Festen zu bringen.

Gegen Mittagsgastereien hatte Weber, wie alle Personen, denen an ungeschwächter Thätigkeit des Geistes in den Nachmittagsstunden gelegen ist, einen Widerwillen, liebte es dagegen, mit guten Freunden, deren Gegenwart ihn an der Abhaltung einer ziemlich ausgedehnten Siesta nicht hinderte, bei Tisch zu sitzen. Nicht selten verführte ihn diese Liebhaberei dazu, der Gattin kleine Verlegenheiten zu bereiten, indem er, ohne vorherige Anmeldung, oft 3–4 Gäste zur Mittagsmahlzeit mit nach Haus brachte und dann jederzeit verlangte, daß das Mahl, wenn auch nicht reich, so doch ansehnlich und in gewissem Sinne festlich zum Vorschein komme.

Caroline hatte durch diese Ueberraschungen nach und nach eine große Fertigkeit im Hervorzaubern improvisirter Gerichte gewonnen. Nach der Siesta ward der Kaffee eingenommen, dessen Genuß er sich häufig dadurch verdarb, daß er dabei die eingegangenen Journale las. Er hatte, selbst auf der Höhe seines Rufs, die Schwachheit, sich durch jede übelwollende Kritik, sei sie auch aus der unbedeutendsten Feder geflossen, tief und nachhaltig bewegen zu lassen. Und diese unangenehme[161] Aufregung wurde sogar auch von Kritiken über Werke seiner Freunde und Gesinnungsgenossen hervorgerufen.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 160-162.
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