Jubel-Ouvertüre

[177] In noch weit höherem Maße, als bei der Cantate selbst treten Weber's kostbarste künstlerische Eigenschaften, die Stimmung erzeugende Kraft, das fortreißende Feuer, die Macht der Rhythmik, der Zauber des melodischen Contrastes bei der Ouvertüre zu der Cantate hervor,[177] die unter dem Namen »Jubel-Ouvertüre« seitdem sich einen Platz in der musikalischen Culturentwickelung und in Herz und Sinn des deutschen Volks erobert hat. Das Adagio (E dur) des Eingangs schildert wunderbar die Stimmung einer frohen Menge, die sich zu festlicher Veranstaltung vielgestaltig versammelt und das Jauchzen gleichsam im Herzen aufspeichert, liebevolle begeisterte Worte tauscht, die Begeisterung gegenseitig steigert, den Gefeierten bald laut und stürmisch, bald flüsternd preist und so bis es im berauschenden und ganz unwiderstehlichen Allegro in einem an musikalischem Ausdruck nie übertroffenen, aus tiefstem Herzen kommenden Jubel reiner, man möchte sagen, pastoraler Luft ausbrechen darf, die sich, nach vielfachem Auflodern, zum heißen Gebete in der majestätischen Form des »God save the king« verklärt. Wo ist jetzt die Festlichkeit in Deutschland, deren Stimmung nicht durch Einleitung mit der Jubel-Ouvertüre gehoben würde?! Wo es zu rufen gilt: »Wir sind froh! sind glücklich!« da klingt jetzt diese Ouvertüre, in der jeder Ton Jauchzen, Freude, Dank und Segen ist. Sie bildet mit den Ouvertüren zum »Freischütz«, »Euryanthe« und »Oberon«, diesen vollkommen ebenbürtig, die vier volltönenden Seiten der Lyra, die der Genius der Kunst im Tempel des Nachruhms unter Weber's Namen aufgehangen hat.

Er schrieb diese Ouvertüre in der Zeit vom 2.–11. September 1818, nachdem er am 28. August vom Lande nach Dresden wieder herein gezogen war. In Hosterwitz hatte ihn, einige Wochen vor seinem Abschiede von da, zu seiner großen Freude, sein alter Freund Bärmann besucht, der noch mit der Sängerin Harlas die Welt durchzog. Dieser bewährte Herzensbund sollte bald getrennt werden, Weber die Freude nicht haben, die Frau, die auch ihm so herzlich zugethan war, wieder zu sehen. Sie starb einige Monate darauf, doch hatte Weber die Genugthuung, den trefflichen Künstlern noch ein schönes, durch prächtige Präsente gewürdigtes Concert bei Hofe veranstalten zu können.

Erdrückt, seelisch und körperlich vollkommen abgespannt, kam Weber in Dresden wieder an. Die Krankheitssymptome hatten sich wieder eingestellt und er hatte jetzt einen langen Winter vor sich![178]

Schon im August, nachdem er kaum angefangen hatte, die Cantate zu componiren, hatte ihm Schmiedel mitgetheilt, daß bei dem Jubelfeste wahrscheinlich »keine Gelegenheit« sein werde, die Cantate zur Aufführung zu bringen, da das Concert ganz anders zusammengesetzt werden sollte. Weber schreibt darüber am 5. August an Kind:


»etc. – werde aber auf jeden Fall Ihre Cantate componiren und aufführen, als selbständiges Huldigungs-Zeichen unserm erhabnen Monarchen, oder sollte es auch dazu nicht kommen können, sie stechen lassen. etc.«

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 177-179.
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