»Preciosa« in Dresden aufgeführt 27. Juni

[434] »Preciosa« ging in Dresden am 27. Juni, nachdem ihre Aufführung so lange durch Mangel einer geeigneten Trägerin der Titelrolle verzögert worden war, zum ersten Male in Scene, ohne, trotz des sorgsamen Arrangements durch den Balletmeister Gärtner und der vortrefflichen Ausführung des musikalischen Theils unter Weber's Leitung, einen so lebhaften Eindruck wie in Berlin zu machen. Zum Theil lag dieß hier wohl in der minderen Pracht der Scenerie, welche dieses Stück sentimentaler Romantik und gesunden Humors recht eigentlich zur Entfaltung seiner ganzen Wirkung bedarf. Es fehlten in Dresden die Fernen, Höhen und Perspektiven auf der Bühne, in denen diese Musik mit ihrem Waldeston, ihrem Mondlicht, ihren Wiederhallen recht eigentlich heimisch ist.

Die Rolle der Preciosa war in den Händen der neu engagirten, lieblichen Frau von der Klogen, deren Stimme zwar nicht ganz für den gesanglichen Theil derselben ausreichte, die aber das wild-sentimentale Kind des Waldes mit aller Grazie und stolzen Naivetät der Spanierin ausstattete.[434]

Eine, der jetzt lebenden Generation des Dresdner Publikums noch wohl erinnerliche Meisterleistung, war Pauli's Schloßvoigt, eine Gestalt voll unvergleichlichen, klassisch streng und knapp gezeichneten Humors. Wolff selbst belachte diese Kerndarstellung auf das Herzlichste, als er im Jahre darauf die »Preciosa« in Dresden sah.

Kräftiger Beifall konnte bei solcher Darstellung, dem Werthe der Musik und dem bühnengerechten Effekte des Stückes demselben nicht wohl entgehen, doch wollte es dem, vom Publikum fremder Städte verwöhnten Weber nicht recht munden, daß das Ganze mit einfachem Vorruf der Frau von der Klogen endigte. Er erblickte, körperlich niedergedrückt und verstimmt, wie er war, hierin einen neuen Beweis dafür, wie wenig das, in Geschmackssachen von den Hofkreisen her bestimmte Publikum, Sympathien für sein Schaffen und Wirken hege.

Mehr als je zuvor bedurfte sein ganzes Wesen der ländlichen Ruhe, deren er in den folgenden Monaten, mit Abweisung fast jeder Geselligkeit, pflegte, ohne indeß seine Dienstgeschäfte auszusetzen, die sogar durch Einstudirung von des Freiherrn von Lichtenstein werthloser Oper, »die Waldburg«, unangenehm gehäuft wurden.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 434-435.
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