Der »Freischütz« zum Benefiz für Wilhelmine Schröder unter Weber's eigner Leitung

[423] Nach einem Besuche bei seinem vielgeliebten Prinzen Friedrich August fuhr Weber am 7. März, noch krank und hinfällig, in das Theater, um den »Freischütz« zu dirigiren, sich überhaupt öffentlich zum ersten Male dem Wiener Publikum zu zeigen. Nur die Aufregung gab ihm Kraft zu der körperlichen und geistigen Leistung. Statt eigener Schilderung des Erfolgs des Abends, geben wir nachstehend den Bericht des Referenten der Abendzeitung, der mit der ganzen Lebendigkeit des Augenzeugen schildert:


»Wien am 8. März 1822.


Der gestrige Tag war für Wien, für Dresden, und überhaupt für die ganze Kunstwelt zu merkwürdig, als daß ich warten sollte, bis er der Reihe nach in meinem Tagebuche, welches oft erst post festum spricht, erscheint. Ich muß den guten Dresdnern alsogleich Nachricht geben, wie ausgezeichnet man hier einen Mann ehrt, den sie mit Stolz den Ihrigen nennen dürfen. Gestern nemlich zeigte sich Carl Maria von Weber zum ersten Male vor dem größeren Publikum, indem er seinen Freyschützen selbst dirigirte, und erhielt von diesem die vollsten Beweise von Anerkennung. Die Oper ist bei uns bereits über zwanzig Mal gegeben und dennoch war schon um 6 Uhr das Haus so gedrängt voll, daß wohl fünfzig Menschen gar nicht zu ihren Sperrsitzen gelangen konnten, die Uebrigen mußten sich mit Gewalt durchdrängen, oder baten um die Erlaubniß, durch die Parterrelogen heraus steigen zu dürfen. Alles wollte dem trefflichen Manne seine Achtung bezeigen, dessen gediegenes Werk der deutschen Musik zu so[423] hoher Ehre gereicht. – Das erste Glockenzeichen ertönte, und alle Augen wandten sich auf das Orchester, wo der Gefeierte nun erscheinen mußte. – Nun kam er, und ein Donner von Applaus und Bravorufen schallte ihm entgegen, der sich dreimal wiederholte. Nach jedem Musikstücke der ganzen Oper brach das Gejauchze auf's Neue los. Nach dem ersten Akte mußte Weber zweimal, am Schlusse wieder zweimal auf der Bühne erscheinen. Bei dem letzten Erscheinen blieben alle Sänger und Choristen auf der Bühne, um gleichsam dem Jubelmann ihre Huldigung zu bezeigen. Bei dem ersten Erscheinen ward ihm ein Lorbeerkranz zugeworfen mit einem weißen Band gebunden, auf welchem mit Gold die Worte gestickt sind: ›Wien den 7. März 1822.‹ Zugleich flogen Gedichte von den Gallerieen herab.

Sie sehen wohl, wir haben ihm den irdischen und den Himmelskranz gereicht. Viele Künstler sind in unsern Mauern schon geehrt, und ausgezeichnet worden, manche vielleicht auch über Gebühr, hier ging Verdienst mit Anerkennung gleichen Schritt und ich darf Heil dem Gefeierten und Heil Denjenigen zurufen, die das wahre Schöne so zu lohnen verstehen. Am 14. März wird Weber ein Concert zu seinem Vortheile geben, wobei der Redoutensaal wohl zu klein seyn dürfte.«


Er selbst schrieb am späten Abend nur in sein Tagebuch:


»Den Freischützen zum Benefiz der Schröder dirigirt. Mehr Enthusiasmus kann es nicht geben und ich zittere vor der Zukunft, da es kaum möglich ist, höher zu steigen. Gott allein die Ehre!«2

Carolinen aber schildert er den Abend in seiner schlicht humoristischen Weise wie folgt:


»Wien den 9. März 1822.


etc. Kaum ließ sich mein Kopf am Eingange des Orchesters blicken, ging der Beifallsturm los. 3 Mal. Ebenso nach der Ouvertüre,[424] nach jedem Abschnitt, nach dem Viktoria, dem Marsch; das He, he wurde repetirt. In dem Ensemble-Stück jede Stelle beklatscht, das Trinklied wiederholt. Max wie Kaspars Arie jedes Mal stürmisch am Schlusse beklatscht. Der Applaus begleitete mich aus dem Orchester, und rief mich heraus; kaum wandte ich den Rücken, flog ein Lorbeerkranz mit Atlasband, wo in Gold Wien den 7. März 1822 darauf gestickt, mit 2 Gedichten auf's Theater. Sie riefen mich also wieder heraus. Ich lehnte aber natürlich das Aufheben des Kranzes ab. Wie ich ins Orchester kam, wieder empfangen, jedes Musikstück applaudirt. Im 3. Akt wieder empfangen. Jägerchor da capo. Am Schlusse herausgerufen. Da trat ich in die Mitte des ganzen Personals, das war ihnen aber noch nicht genug, und ich mußte noch ein Mal allein erscheinen. Dann riefen sie die Schröder, zu deren Benefiz es war. Der Buckel that mir ganz wehe, vor lauter Verbeugungen, und ich wußte sie gar nicht mehr dankbar genug aufzutreiben. Es ging aber auch Alles vortrefflich, und der Eifer im ganzen Personale war wirklich glühend. Niemand erinnert sich, einen solchen, aus dem Herzen kommenden, allgemeinen, ohne den geringsten Widerspruch errungenen Triumpf erlebt zu haben. Dann ging ich noch in den Erzherzog Carl, in einen Cirkel Künstler und Kunstfreunde. Ach! hättest du doch dabei seyn können. So geht es, daß der Himmel immer noch etwas zu wünschen übrig läßt, sonst müßte man ja am Ende übermüthig werden. Aber nein, ich bin immer noch der alte, in Gott demüthige Mann, der nicht begreift, wo es ihm sitzt. etc.«

»etc. Der Herr Geheime Rath haben wie gewöhnlich nicht der Mühe werth gehalten, mir zu antworten. So wie auch der Herr Gesandte hier sich gar nicht um mich bekümmert. Es ist ordentlich als ob meine Behörden es sich vorgenommen hätten, mir ja den sächsischen Dienst zu verleiden. Gott ehre mir dagegen die hohen Herrschaften selbst. etc.«


Der erwartete Brief des Direktors der Dresdner Oper kam endlich an, aber nur um ihn zu baldigster Zurückkunft anzutreiben, da sein College Morlacchi aus Italien zu angegriffen, um Dienst zu thun,[425] heimgekehrt sei! Und Morlacchi hatte fünf volle Monate nur seiner Gesundheit, seinen Interessen in Italien gelebt!! – Deshalb sollte Weber heimkommen, der krank an der Tafel bei den Festen saß, die ihm die Musikgesellschaft, das Theaterpersonal, die liebenswürdige Schröder, gab, krank seine »Jubelouverture« einstudirte und mit seinem »Leyer und Schwert« im Concerte des Violinvirtuosen Böhm, am 10. März, dirigirte, wo beide Werke eine Aufnahme fanden, die in den Annalen der Concerte selten ist.

Kaum etwas erholt, wollte er sein eigenes Concert so viel möglich beschleunigen und setzte es für den nächsten Sonntag an, »als,« schreibt er an Caroline, »ein Musiker von hier mit seinem Kinde im höchsten Jammer kam, und fast mir zu Füßen fiel, weil er auch am Sonntag ein Conzert giebt, auf das er sein ganzes Glück und Existenz baut, was natürlich zerstört ist, wenn ich es mit ihm zu gleicher Zeit gebe. Was ist da zu thun? Ich bin noch ganz unentschlossen. Auf jeden Fall will ich den Mann nicht unglücklich machen, und lieber ohne Conzert abreisen. Die Hauptsache ist jetzt einmal, daß ich mich ordentlich schone, und den dummen Schnupfen und Husten abwarte, damit ich sicher und gesund die Reise antreten kann. etc.«

Er verschob also sein Concert natürlich, wurde darüber kränker und lag bis zum Tage desselben, am 19., darnieder. ohne, trotz der mancherlei auf ihn eindringenden Sorgen und der Unbehaglichkeit. die ihm sein Halsleiden bei den zahllosen Besuchen und Anfragen bereitete, den Humor zu verlieren. Sein guter Geist war dabei der treue Schauspieler Schwarz, bei dem er wohnte, der ihm mit Liebe und Geschick alle äußern Sorgen wegen des Concerts abnahm. und der später, wie wir sehen werden, mit noch weit segensreicherer thätiger Hilfeleistung ihm zur Seite stehen sollte. Weber schreibt:


»etc. Wahrhaft komisch ist meine Unterhaltung mitunter. Ich soll nun durchaus nichts reden, und doch kommen eine zahllose Menge Besuche. Schwarz steht also wie der Engel mit dem flammenden Schwerte neben mir, und antwortet für mich, schreibt Billette, läuft, rennt, besorgt Alles. Nur auf solche Art ist es möglich, daß mein[426] Conzert den 19. zu Stande kom men kann. Ich thue nichts als Mittwoch Nachmittag probiren und Donnerstag Mittag spielen. etc.«

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 423-427.
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