Aufführung der »Euryanthe«

[521] Der Abend des verhängnißvollen 25. October kam heran.

Eine dicht gedrängte Masse füllte das Kärnthnerthortheater; die Aristokratie der Geburt und des Geldes hatte in den Logen ihren ganzen Glanz entfaltet, das Haus glänzte wie bei einer Galavorstellung. Im Parterre und auf den Gallerien drängte sich als compakter, kampfgerüsteter Körper die ganze echte Musikwelt Wiens. Fast kein Mitglied der »Ludlamshöhle« fehlte im Theater, wo es galt, den Triumph des Mitgliedes, das sie selbst geadelt hatte, zu verherrlichen. Zornige Blicke wurden nach den Logen emporgeschickt, wo man plauderte und lachte, hunderte von Federn spitzten sich in Gedanken, tausende von Fäusten rüsteten sich zum Peloton- und Heckenfeuer im Kampfe für deutsche Musik.

Ein verdrießlicher Vorfall löste, nicht zum Vortheil der Sache, die Spannung. Im Parterre entstand, einige Minuten vor Beginn der Vorstellung, ein heftiger Tumult; man schrie, lachte, schimpfte, und aus dem Gedränge hob sich die Gestalt einer dicken, sehr nachlässig gekleideten Frau, mit eingedrücktem Hut und herabhängendem Shawl, die, unter homerischem Gelächter des ganzen Hauses, von Bank zu Bank stieg und dabei mit gellender Stimme rief: »Machen Sie mir Platz, ich bin ja die Dichterin, ich bin ja die Dichterin!«

In der That war es Frau von Chezy, die ihr Billet vergessen hatte und nun auf diese heroische Weise ihren Platz suchte. Lauter Jubel begleitete ihre Schritte, bis sie endlich, unter dem Protestiren und Schimpfen einer ganzen Bank, wie ein Keil in der Masse versank.

Erst Weber's Erscheinen im Orchester wandelte das Gelächter in begrüßenden Applaus. Der Enthusiasmus wollte sich gar nicht beruhigen, bis er durch lautes Aufklopfen das Zeichen zum Anfange gab.

Todtenstille.

Die herrliche, feurige, originelle Ouverture, so verschieden von der des »Freischütz« und doch eben so reich an neuen überraschenden Instrumental-Effekten, eben so schwunghaft und dabei so ritterlich und zart und hinreißend zugleich, begann. Aber die Vorführung war des sonst so trefflichen Orchesters nicht würdig, ja blieb weit hinter der Generalprobe zurück. Sei es, daß sich die Musiker zu viel Mühe geben[522] wollten, sei es, was am wahrscheinlichsten ist, daß es zu einem sichern Gelingen an genugsamen Proben fehlte, – das Zusammenspiel wurde vermißt – an einigen Stellen spielten die Violinen sogar falsch – und obwohl von einigen Stimmen da capo verlangt, war der Eindruck des poesievollen Tonwerks doch mit dem nicht zu vergleichen, den es später in Berlin und Dresden und in den Leipziger Gewandhaus-Concerten machte.

Die großartige Introduktion mit ihren scharf markirten Contrasten zwischen dem reizenden, anmuthigen Charakter des Frauenchors und dem ernsten, edeln des Männerchors wurde meisterhaft vorgetragen und hätte sich wahrscheinlich vollen Beifalls zu erfreuen gehabt, wenn der gleich beginnende, von Taglioni zu balletmäßig geordnete Reigen nicht die Aufmerksamkeit abgelenkt hätte. Die Inscenirung war hier nicht im Sinne des Componisten und erschien in der That als eine mattere Copie der Menuett im »Don Juan«.

Adolar's edel gehaltene, musikalisch reich behandelte Romanze vermochte das Publikum nicht zu befeuern.

Lysiart's Auftritt, so schön vorbereitet und durchgeführt, erregte allgemeines Interesse. Das große Recitativ beginnt in so ernster, bedeutender Kraft, das Schürzen des Knotens ist so energisch markirt, daß hier schon gewaltige Mittel vom Tonsetzer gebraucht werden. – Leider rechtfertigte Forti's Auffassung seiner Rolle, die er zu sehr auf den rauhen Bösewicht spielte, nicht den Beifall, den das Publikum seinem Lieblinge zollte.

Adolar's begeisterte Arie: »Ich bau auf Gott und meine Euryanth'«, riß, obgleich Haitzinger seine Stimme ungebührlich forcirte, unwiderstehlich hin und am Schlusse der Scene wurde Weber stürmisch gerufen.

Die Einleitung zu »Glöcklein im Thale«, unstreitig eine der reizendsten Inspirationen im ganzen Bereiche dramatischer Musik, flocht gleichsam einen Blumenkranz als Rahmen für Euryanthen's Erscheinung.

Henriette Sonntag, in der Blüthe ihrer Schönheit, im kleidsamsten Costüme, so daß sie unwiderstehlich an Giulio Romano's[523] Beatrice Cenci erinnerte, wurde auf beispiellose Weise empfangen. Wollte man nun einmal eine deutsche Sängerin wie eine Italienerin feiern, oder hatte man sie nie so kleidsam kostumirt gesehen – kurz, das Rollen der Beifall-Salven, das Bravo-Geschrei dauerte in störender Weise fast fünf Minuten. »Ei! Ei!« sagte Weber zu dem neben ihm stehenden Gyrowetz, »sie verschießen ihr Pulver!« Dreimal wollte die Sonntag anfangen, und dreimal mußte sie wieder mit den graziösesten Neigungen für den Sturm zu ihrer Ehre danken.

Die Cavatine (Glöcklein im Thale) selbst, von Weber bei der ersten Aufführung in offenbar allzu langsamer Bewegung geführt, ließ kühl.

Madame Grünbaum's Empfang, der unter gewöhnlichen Umständen ein glänzender gewesen wäre, schien nun farblos und matt – ihre so wundervolle, leidenschaftliche Arie wurde kaum bemerkt.

Das Recitativ zwischen Euryanthe und Eglantine, die so schön gedachte Erzählung Euryanthen's, ermüdete durch seine Länge und das nie unterbrochene langsame Tempo. Die andauernd gebrauchten, hingehauchten Noten ließen die Stimme der Sonntag matt werden, so daß keine Steigerung wirksam werden konnte. Die Scene that der Wirkung der Oper wesentlichen Eintrag. Weber bemerkte es selbst und kürzte sie für die Folge.

Erst bei dem Duett der beiden Frauen: »Unter ist mein Stern gegangen«, erwachte das Publikum auf's Neue. Aber auch welcher Vortrag! So ist das Duett nie mehr gesungen worden, als von diesen beiden großen Sängerinnen, denen es Weber Ton für Ton selbst einstudirt hatte. Unwiderstehlichem Rufe nach Wiederholung mußte endlich Folge geleistet werden.

Die Scene der Grünbaum, obwohl mit Geist und Feuer vorgetragen, wollte nicht gefallen.

Da erschallten die Trompetentöne des Finale, der frische, spielende Chor mit Ballet, Lysiart's leidenschaftliche und musikalisch so ausdrucksvolle Anrede an Euryanthe, und Euryanthen's zarte, zauberisch melodiöse Antwort leitete zum Culminationspunkte des Wiener Erfolgs, dem Quartett mit Chor und der Solostelle am Ende des ersten Akts.[524]

Die Ovation wie beim Auftreten der Sonntag erneuerte sich, die letzte Phrase mußte wiederholt werden und zweimal wurde das ganze Personal mit Weber herausgerufen.

Die leichte, gefällige Melodie, von Allen verstanden, von der Einige behaupteten, sie wirke so eingehend, weil sie keine andere sei, als die eines damals sehr beliebten Walzers von Adalbert Gyrowetz, hörte man in den Corridors und sogar in den Logen von Künstlern und Laien gesummt, und ein noch entschiednerer Triumph, wie der des »Freischütz«, schien unzweifelhaft. – Aber wie es Weber gefürchtet – man hatte schon viel Beifallspulver verschossen und eine Ermattung und Reaktion trat ein. die auf den Erfolg der andern beiden Akte ungünstig wirkte.

Durch die Wiederholungen und Beifallsstürme hatte der ohnehin lange Akt fast anderthalb Stunden gedauert.

Der Zwischenakt war fast eine halbe Stunde lang und als der Vorhang für Lysiart's große Scene emporrollte, war das Publikum schon etwas matt.

Forti hatte weder die erforderliche Weichheit und den Schmelz im Andante, noch geung Kraft im Allegro für seine große Arie. Sie ging mit sehr mäßigem Applaus vorüber. In dem darauf folgenden Duette sang Madame Grünbaum mit großer Energie und spielte einer Rachel oder Schröder würdig. Dieß inspirirte auch Forti so, daß es zu einem Glanzpunkte des Abends und das Künstlerpaar herausgerufen wurde.

Die decorative Wirkung der festlich geschmückten, glänzend beleuchteten Königshalle nach der tief düstern Verschwörungsscene war drastisch, wie es Weber gewollt hatte, aber Adolar's herrliche Arie, musikalisch so aus einem Guß, so voll Sehnsucht und Liebe, wurde von Haitzinger, wegen der vielen Modulationen, mit zu sichtlicher Anstrengung, dabei aber schüchtern vorgetragen und ließ ganz kühl.

Das darauf folgende brillante und feurige Duett: »Hin nimm die Seele mein«, wurde zwar von den Rossinianern als eine Reminiscenz aus »Tankred« begrüßt, gefiel aber trotzdem. Bemerkenswerth ist es, daß nach diesem Duett sich in den Logen, aus denen[525] bisher kein Ton des Beifalls gekommen war, Hände regten. Es wurde da capo verlangt. In dem pompösen Finale fand nur eine Phrase: »Wir Alle wollen mit dir geh'n«, die gleichsam die Seele vom Druck der düstern Stimmung der vorhergehenden Scene löst, vom Chor hinreißend gesungen, Anklang.

Die Sonntag fühlte sich (nach drei Wiederholungen!) todtmüde und begann es zu zeigen. Das Publikum wurde um seinen Liebling besorgt und wäre nicht die Stretta: »Du gleißend Bild, du bist enthüllt«, vom Chore in voller Pracht vorgetragen worden, der Vorhang wäre selbst ohne den lauen Beifall gefallen, der ertönte.

Der Meister wurde zwar herausgerufen, aber – leider – machte sich die Opposition, die im ersten Akte ganz geschwiegen hatte, nur zu bemerkbar geltend –!

Ein wiederum eine halbe Stunde dauernder Entreakt steigerte den Mißmuth und die Abspannung des Publikums.

Dem langen Duette im Anfange des dritten Akts vermochte selbst Henriette Sonntag keinen Beifall zu erringen. Die Sonderbarkeit, daß Adolar zu dieser Fahrt ganz schwarze »Eisentoilette« gemacht hatte, während Euryanthe (mit sehr richtigem Takte) im Festkleide geblieben war, zerstreute das Publikum. Haitzinger's Stimme begann Spuren von Müdigkeit zu zeigen. Euryanthen's Klagelied: »Hier dicht am Quell etc.«, ging spurlos vorüber. – Mit Zorn und Schmerz sahen Weber's Freunde, daß sich Logen und Sperrsitze zu leeren begannen und die Aufmerksamkeit immer mehr schwand.

Da fiel der Jägerchor mit seinem neuen Rhythmus, den trefflichen Horneffekten, und in nie übertroffener Vollendung gesungen, ein – neuer Muth durchströmte Alles – der Beifall war außerordentlich! Es war als ob sich eine Eisrinde von allen Herzen löste. Die skeptische Kritik schwieg, das Entzücken kam zum Durchbruch und dreimal mußte der Chor wiederholt werden. Die feindlichen Mächte schienen besiegt, selbst die verlassenen Plätze füllten sich zum Theil wieder.

Euryanthen's Duett mit dem Könige fesselte die Aufmerksamkeit nicht, bis die von der Sonntag mit höchster Leidenschaftlichkeit gesungene[526] Arie: »Zu ihm, zu ihm!« alle Sinne eroberte und tobend applaudirt wurde. Die zum Tode müde Künstlerin wurde gerufen. Eine andre frische Blüthe im Melodienkranze der Oper: »Der Mai bringt frische Rosen dar etc.«, wäre wiederholt worden, hätte man nicht Rücksicht auf die späte Stunde genommen. Der Hochzeitsmarsch sprach nicht an, eben so wenig die darauf folgende Scene Eglantinen's mit Lysiart. Bei Sängern und Hörern machte sich gleichmäßig Abspannung geltend, deshalb wurde das höchst dramatische Duett mit Chor: »Zittre Vermessener«, nicht gewürdigt. Dagegen riß die Wiederholung des schon im Ohre ruhenden, populären: »Hin nimm die Seele mein«, auch die Müden mit fort und anhaltender Beifall folgte dem Schlußchore. Componist und Sänger wurden wiederholt gerufen, doch ging auch jetzt der Beifall, wie während der ganzen Oper, fast nur vom Parterre aus; die Logen hatten schweigend vernommen und waren am Schlusse der Oper halb leer.

Dem Anscheine nach hatte »Euryanthe« einen großen Erfolg gehabt – Weber, zu erregt um scharf zu beobachten, hatte den Eindruck davon –.

Es war halb zwölf Uhr Nachts, als er sich mit seinen Freunden, in der Mitte seiner treuen Kämpfer-Phalanx, in der Ludlam, wiederfand und hier im Centrum der musikalischen, wissenschaftlichen und literarischen Intelligenz Wiens feierte Weber seinen eigentlichen Triumph, der ihm Bürgschaft dafür brachte, daß sein Wert den »Besten seiner Zeit« an's Herz gegriffen habe und daher ein Pulsschlag sei im Leben des Schönen aller Zeiten.

Alle Mitglieder der Gesellschaft waren vereinigt, um »Agathus dem Zieltreffer« zu huldigen, und keine Differenz störte die Geisterharmonie des genialen Kreises. Castelli folgten Zedlitz, Grillparzer, Holtei, Kuffner und Andere mit Vorträgen, jeder brachte sein Scherflein der Verehrung. Weber ward gekrönt mit Lorbeern und Liebe, hielt nach den Anstrengungen des Abends noch bis zwei Uhr unter den herrlichen Gesellen aus und konnte dann, heimgekehrt, sich nicht zur Ruhe legen, ohne noch an sein treues Weib, an seine Caroline, zu schreiben:[527]


»Wien den 25. 8br. Nachts, 3/42 Uhr.


Danke Gott mit mir, mein geliebtes Leben, über den glänzenden Erfolg der Euryanthe. Müde und ermattet von allen Ehrenbezeugungen, auch nachher in Gesellschaft, muß ich doch meiner geliebten Lina noch gute Nacht und Victoria zurufen. Nach jedem Akt wurde ich herausgerufen, nach dem letzten 2 mal. Der Jägerchor 3 mal gesungen u.s.w. Morgen früh den nähern Bericht deines todtmüden

Carl.«


Am andern Morgen referirt er ausführlicher:


»Den 26. früh.


Guten Morgen meine geliebte Mukkin, habe gut geschlafen auf den heißen Tag und eile nun, in der Ordnung zu berichten. Mein Empfang, wie ich in das Orchester trat, war der enthusiastischste und glänzendste, den man sich denken kann. Es wollte gar kein Ende nehmen. Endlich gab ich das Zeichen zum Anfange. Todtenstille. Die Ouverture rasend applaudirt, sollte da capo gemacht werden, ich ging aber weiter, um den Gang der Oper nicht zu verlängern. Die Antwort der Männer, den Frauen Heil, in der Introduktion applaudirt. Schluß der Introduktion, der Reigen im Rezitative, das besonders Forti vortrefflich vortrug, immer so Bravogemürmel; Ich bau auf Gott, natürlich tüchtig. Euryanthens Cav. sehr schön gesungen, großer Beifall. Das Duett der Weiber, Furore. Grünbaum's Arie trefflich gesungen, sehr applaudirt. Finale Furore, mich herausgerufen mit rasendem Bravo-Geschrei etc.

2ter Akt. Forti's Arie schon die Mittelsätze mit Bravos, am Ende Furore. Der Rache-Duett zwischen der Grünbaum und Forti wüthender Beifall, beide herausgerufen. Adolar's Arie nichts – ist das nicht unbegreiflich? Haitzinger war aber auch zu ängstlich. Duett, Hin nimm die Seele mein, gefiel sehr, doch hatte ich auch davon noch mehr erwartet. Unbeschreiblich aber war der Enthusiasmus nach dem Finale des 2. Aktes. Das muß man aber auch von diesen Chören hören, es erschüttert mich selbst, ich wurde natürlich stürmisch herausgerufen.[528]

3ter Akt. Nun ein Lauffeuer von Beifallswuth. Das Duett zwischen Euryanthe und Adolar, Dann schirmende Engelschaar, immer unterbrochen von Freudezeichen. Der Jägerchor 3 mal wiederholt, weil sie gar nicht ruhten; den höchsten Punkt aber erreichte die Theilnahme im Zu ihm! Eine solche Wechselwirkung zwischen Publikum und der Sache habe ich noch nie erlebt, sie spielten ordentlich mit, jeder Takt wurde durch Thränen, Bravogemürmel und Klatschen begleitet und die Sonntag sogleich wieder herausgerufen. Es war aber auch hinreißend, wie sie die Arie singt und spielt. Was soll ich weiter detailliren, so ging es fort. Auf die höchste Höhe stieg es abermals bei Trotze nicht, und am Schlusse der Jubel. Mein geliebtes Weib, so etwas kann ich nicht beschreiben. – Ich führte die beiden Weiber mit heraus, da ich der andern nicht gleich habhaft werden konnte, darauf riefen sie mich wieder allein heraus, dann den Forti noch. Alles schwamm in Seligkeit, die Sänger, die Chöre, Orchester, Alles war wonnetrunken und erstickte mich mit Liebkosungen. Von da fuhr ich in die Ludlam, wo 27 Dichter und Künstler versammelt waren. Das Zimmer festlich erleuchtet, mit Guirlanden geschmückt, mein Bild in der Mitte mit einem Lorbeerkranz. Die vielfältigen Beweise von Liebe und Verehrung waren rührend und schön. Hier hast du die Gedichte, die ich gleich mitnehmen konnte. Eins von Castelli, Saphir, und ein ungarisches, von Graf Maylath, bekomme ich erst eine Abschrift. – So schloß ein Tag, der mir ewig denkwürdig bleiben wird, und hoffentlich auch in der Kunstgeschichte seinen Platz einnehmen wird. Danke Gott mit mir, für seine überschwängliche Huld, womit Er mich vor Tausenden überschüttet.«


»Den 27.


Schönen guten Morgen Frau Mukkin. Heute Nacht habe ich erst recht geschlafen wie sichs gehört. Gestern früh war große Cour bei mir, Mosel und Alle kamen glückwünschend und lobpreisend, auch nahm ich noch ein paar Verkürzungen vor, in der ersten Scene zwischen den beiden Weibern im 1. Akt, und im 3., wo die Euryanthe allein ist. Die Bemerkungen aller meiner Freunde kamen mit meiner eigenen überein. Mittag war ich bei Festetics und Abends in der[529] Burg, wo die Lästerschule vortrefflich gegeben wurde, dann recht ermüdet gleich in Bett. Heute ist die 2. Vorstellung, und Mittwoch zum Benefize der Sonntag die 3. unter meiner Direktion. etc.«


Vergleicht man dieß Referat mit dem Vorstehenden, das die Quintessenz fast aller damals erschienen unpartheiischen und berechtigten Urtheile über die Vorstellung der »Euryanthe« ist, so hat man die Wahl, ob man das allzu helle Rosenlicht, welches darin über den Erfolg ausgegossen ist, aus einer begreiflichen und süßen Selbsttäuschung, oder aus der Liebe zu der Gattin hervorleuchten lassen will, die, ängstlicher als er selbst, über seinen Ruhm wachte. Möglich ist auch, daß beides vereint seine Feder leitete.

Nur das Erstere aber konnte im Spiel sein, als er am 13. Nov. an Lichtenstein schrieb:


»etc. Ich habe in Wien 4 Vorstellungen der Euryanthe erlebt, wovon ich 3 dirigirte. Mit jeder stieg die Theilnahme und der Beifall des Publikums, das schon anfing einzelne Stellen heraus zu heben. Der Jägerchor wurde alle Abende 3 Mal gesungen, immer einige Sänger nach ihren Musikstücken hervorgerufen, ich nach jedem Akte. Ja sogar in der 4. Vorstellung, wo Kreutzer dirigirte und ein ganz andres Publikum war (Allerheiligen), wurde ich aus dem Logenwinkel, wo ich zuhörte, herausgestöbert und mußte nach jedem Akte erscheinen, überströmt vom Sturmgebrause der Bravos, so daß ich in diesen 4 Vorstellungen 14 Mal herausgerufen wurde. Den ersten Abend spielte die Oper bis gegen 10 Uhr (von 7 Uhr an), die andern, wo ich einiges in den Recitativen gekürzt hatte, bis 93/4. Daß der Neid sein Haupt mächtig erhebt, kannst du denken. Er scheut die Lüge nicht. Alle Musikstücke, die den ersten Abend nicht vollkommen anerkannt wurden, erhielten die folgenden Vorstellungen vollen Beifall. 17 Gedichte der besten Köpfe Wiens bewiesen mir die wahre Theilnahme aller Guten. Was mir die besten Meister, wie Weigl, Gyrowetz, Seyfried, Abbé Stadler, Mosel sagten, läßt sich nicht wiederholen, weil es mich so hoch stellte, daß ich noch roth werde, wenn ich daran denke. etc.«[530]


Es war eben Weber's Künstlerherzen unabweisbares Bedürfniß, den Eindruck eines, nicht von dem des »Freischütz« herabsteigenden Erfolgs, empfangen zu haben.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 521-531.
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