Gänsbachers Anstellung in Dresden vereitelt

[543] Leider sollte das Jahr auch noch mit Zerstörung einer zweiten, weit wärmer von Weber gehegten Hoffnung schließen, auf deren Erfüllung er schon Lebenspläne gebaut und an die sein Herz wahrhaft gewachsen war, seitdem sie sich ihrer Erfüllung immer mehr zu nähern schien. Am Tage nach seiner Rückkehr war sein College Morlacchi zu sechsmonatlichem Urlaub nach Italien gereist, Schubert war noch krank und so ließ ihn denn die Masse der auf seine Schultern fallenden Arbeit das Bedürfniß nach wirksamer Hilfe wieder auf's Lebendigste empfinden. Der rege geistige Austausch mit bedeutsamen Menschen, den er in Wien genossen, machte ihm seine drückende Armuth an beseeltem Umgange in Dresden schmerzlich fühlbar und mit ganzer Kraft erwachte seine Sehnsucht nach seinem alten Freunde Gänsbacher, den er zu Anfang des Jahres, an Schubert's Stelle, zum Musikdirektor vorgeschlagen hatte, wieder. Noch war nichts Definitives in der Sache geschehen. Er eilte zum Intendanten von Könneritz und machte die Wiederaufnahme seines damals gestellten Antrags vorstellig.

Am 23. Nov. erstattete von Könneritz Bericht an den Grafen Einsiedel, in dem er, für die Wiederbesetzung von Schubert's Stelle, die beiden Componisten Johann Gänsbacher und Heinrich Marschner zur Auswahl in Vorschlag brachte.

Schon am 29. gelangte das königl. Rescript, das Gänsbacher's Anstellung verfügte, herab.

Wer war seliger als Weber! Glaubte er doch schon den Freund in den Armen zu halten, im Orchester an seiner Seite zu sehen!

Er schreibt an Gottfried Weber im oben zum Theil gegebenen Briefe vom 15. December:[543]


»etc. Morlacchi reiste den Tag nach meiner Ankunft nach Venedig ab, mein andrer College Schubert ist krank und somit liegt aller Dienst auf mir allein und obendrein habe ich noch die Aussicht, daß es den ganzen Winter so fort geht, wenn nicht ein deus ex machina kommt: und auf den hoffe ich wirklich. Ja lieber Bruder, freu dich mit mir, ich habe es dahinge bracht, daß Se. Majestät die Anstellung unseres Gänsbacher als Musikdirektor genehmigt hat! Jede Stunde erwarte ich nun seine Antwort ob er's annimmt und wenn er kommen kann. Welch ein Trost für mich, mit einem so braven Kerl vereint wirken zu können und ihn der Kunst wiedergegeben zu haben, die ihm nun eine lebenslängliche ruhige Existenz sichert. Vor der Hand ist's aber noch ein Geheimniß! etc.«

An Gänsbacher schrieb er am 1. December einen jubelnden Brief, schickte, dessen beschränkte Verhältnisse kennend, Reisegeld aus seiner Tasche, ließ schon das Zimmer im goldnen Engel für ihn sichern, versah Caroline mit Instruktion für Küche und Keller, um den Freund gleich recht in die Behaglichkeit zu setzen, und war vor Freude ein andrer, jüngerer Mensch –.

Da schrieb Gänsbacher, er könne die Stelle nicht annehmen, weil er so lange nichts von Dresden gehört, daher am Erhalten derselben gezweifelt und jetzt den Posten als Capellmeister von St. Stephan in Wien, an des im Oct. 1823 verstorbenen J. Preindl Stelle, angetreten habe!

So nahe an der Erfüllung des lang gehegten Wunsches, daß er eine Störung des Plans gar nicht mehr für möglich hielt und sich deshalb aus vollem Herzen gefreut hatte, getäuscht, schlug Weber diese Nachricht tief darnieder, und es bedurfte des ganzen Maßes seiner Liebe für den Freund, um darin Trost zu finden, daß die Verhältnisse, in die er in Wien getreten war, weit glänzender sich zeigten und vielleicht auch seiner Individualität mehr zusagten, als die der arbeitsvollen Stellung, die Weber ihm, allerdings an seiner Seite, zugedacht hatte.

An Gänsbacher's Statt wurde nun Heinrich Marschner zum Musikdirektor ernannt. So klang dieß so reiche Jahr in Weber's Leben in einem schmerzlichen Akkorde aus.

Fußnoten

1 Nach dieser Aufführung verließ W. Schröder zu einer längeren Kunstreise mit Carl Devrient, mit dem sie schon längere Zeit verlobt war, Dresden und vermählte sich mit ihm in Berlin.

D. Verf.


2 Liebesname für seine Gattin.

D. Verf.


3 Vide III. Band: »Fragment aus einer musikalischen Reise, die vielleicht erscheinen wird.« Der Schluß bezieht sich hier auf die »Eroica«.

D. Verf.


4 Scherzhaft für »Momente«.

D. Verf.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866.
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