Aufführung des »Oberon« 12. April

[684] So brach am 12. April der dritte verhängnißvolle Abend in Weber's Leben, der eins seiner großen Werke und das letzte der Welt überantwortete, herein, und es ist nach diesen Vorgängen begreiflich, daß er sogar gespannter und aufgeregter, als vor drei Jahren in Wien vor der »Euryanthe«, in's Theater fuhr. Die Vorgänge an der Kasse hatten sich in London wie in Berlin und Wien wiederholt. Seit Wochen waren die Billets auf die ersten zwölf Vorstellungen des »Oberon«, die Weber selbst leiten sollte, vergriffen, mit Sturm hatte man kurz vor Beginn der Vorstellung die letzten Billets zu sonst nur vom Pöbel besuchten Plätzen erobert, um welche sich die Diener reicher Leute schlugen. Das Auditorium war vom ersten Rang bis unter den Kronleuchter aus den ersten Schichten der Londoner Gesellschaft zusammengesetzt, die für heute in Neugier all' ihre Vorurtheile ertränkt zu haben schien. Als Weber vor das Theater fuhr, rief eine Stimme in den lautbrausenden Zuschauerraum hinein: »Weber is arriving!«, worauf es todtenstill wurde, so daß er, in's Orchester tretend und geblendet, erschrak, denn er meinte, das stille Haus sei fast leer. Doch als er, der unscheinbar und anspruchslos, doch festen Schrittes, denn die Aufregung gab ihm seine volle Spannkraft wieder, durch das Orchester schritt, erkannt wurde, erhob sich wie eine mächtig brandende, brausende[684] Woge das ganze Auditorium von seinen Sitzen und fast eine Viertelstunde lang erstarb jeder andere Ton in Hurrahschreien, Bäuketlappen und dem sonderbaren Getöse, durch das in England das Orchester seine Huldigung zu erkennen giebt, indem die Spieler der Streichinstrumente mit dem Begen an diese klopfen. Das Tücherschwenken und Hütewinken wollte kein Ende nehmen. Die Ouverture, die, von Weber nach deutscher Art geleitet, trefflich ging, mußte wiederholt werden. Jedes Musikstück wurde zwei bis drei Mal jubelnd unterbrochen. Hüon's große, Braham »auf den Leib gepaßte« Arie wurde da capo verlangt, Fatime's Romanze im zweiten Akte desgleichen, das Finale wollte man auch zwei Mal haben, Weber ging aber wegen des Scenischen nicht darauf ein. Im dritten Akte wurde Fatime's Ballade da capo gemacht; kein Musikstück blieb ohne brausende und, was besonders in England viel bedeutet, oppositionslose (ein Theil des Publikums zischte nämlich hier principiell fast stets, wo der andere jubelte) Anerkennung. Etwas erkühlend wirkte bei all' dem der Umstand, daß der Applaus, mit dem die allerdings schönen Decorationen begrüßt wurden, fast eben so begeistert tönte, wie jener, mit dem man die Musikstücke entließ. Am Ende, als der Vorhang gefallen war und das Getöse verklingen wollte, geschah das in England noch nie Dagewesene: Man hörte einen stürmischen Ruf von Weber's Namen, der sich immer mehrte und erhob, endlich verlangte man deutlich sein Erscheinen auf der Bühne. Zögernd hob sich der Vorhang und Weber trat einen Schritt bescheiden aus den Coulissen, verbeugte sich unter maßlosem Jubel und verschwand. Die Ehre des Vorrufs war selbst Rossini nicht widerfahren.

Die Blätter tadelten fast alle das Verpflanzen dieser continentalen Unsitte auf das englische Theater und rühmten an Weber, daß er in einer Weise erschienen sei, die seine Antipathie gegen solche Ovationen deutlich gezeigt habe.

Weber schrieb an Caroline, nachdem er den Verlauf der Oper im Allgemeinen angedeutet:

»etc. Ich müßte dir nun gar manches ausführlich beschreiben, aber ich kann nicht und muß das mündlicher Unterhaltung in Hosterwitz[685] überlassen. Die Pracht und Vollkommenheit der Decoration geht über alle Beschreibung und ich werde es wohl so nie wieder sehen; man sagt, daß die Oper gegen 7000 Liv. St., ungefähr 49,000 Thlr., kostet. Die Vorstellungen gehen nun täglich fort, so lange es die Sänger aushalten. Die ersten 12 habe ich zu dirigiren übernommen. Dann aber habe ich sie gewiß satt und mir graut schon jetzt vor dem Gedanken, daß sie die Oper werden in Dresden sehen wollen. Zum Glück können sie sie nicht besetzen; und an einem andern Ort sie selbst aufzuführen, dazu sollen mich nicht 10 Pferde ziehen! etc.«

Man sieht hieraus, wie hoffnungsreich die durch die Aufregung hervorgerufene Belebung Weber gemacht hatte.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 684-686.
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