Der Condukt

[711] Voran drei schwarzgekleidete Herolde mit Stäben zu Pferd, dann schritten zwei solche in langen, schwarzen Seidenmänlein zu Fuß. Hinter ihnen wurde das Begräbniß-Ehrenzeichen, aus einem großen Busche schwarzer Straußfedern bestehend, von einem sechsten Herolde, neben dem zwei Pagen gingen, hergetragen.

Dann folgte der von sechs Rappen gezogene, ganz schwarze Leichenwagen, auf dem nur in glänzenden Farben das Wappen der[711] Weber'schen Familie und in Goldsschrift das Wort: »Resurgam« leuchtete.

In dem ersten der, die Mitte des Zugs bildenden, sechszehn Trauerwagen, saßen, als besonders Leidtragende, Smart, Fürstenau, Dr. Kind und Göschen, im Costüme aller Trauernden, schwarzen Seidenmänlein, langen, schwarzen Schärpen um den Hut und schwarzen Handschuhen.

Die andern Wagen füllten fast alle Kunstnetabilitäten Londons, von denen wir nur Kemble, Fawcett, Cramer, Haviland, Burke, Robertson, Olivier, Planché, Liverati, Dr. Forbes, Savary, Braham, Moscheles, d'Almaine, Collard, Chappel, Willis, Power, Stevenson, Aders, Giese, Duruset, Robson, Shield, Webbe, Clementi, Lindley, Major, Horn, Cahnsec, Rodwell, Horsley, Stumpff, Schlesinger, Burrowes, Paine, Cooke, Wordsworth, Revadino, Ward, Walmesley, Kiesewetter nennen. Die am Schluß folgenden Equipagen gehörten Miß Stephens (ietzige Countess of Essex), Braham, Willot und Aders.

Volle anderthalb Stunden bedurfte der, schneller als in Deutschland üblich, schreitende Zug, um die große Strecke von Great-Portland-Street bis zur Mitte der City nach Moorfields zurückzulegen, so daß er erst um elf Uhr an der Moorfields-Capelle anlangte.

Schon lange ehe dieß der Fall war, hatte sich die schwarz ausgeschlagene, mit Wachslichtern erhellte Kirche, die ungefähr zwei tausend Menschen faßt, bis auf den letzten Platz besetzt, und Chor und Orgelplatz füllte die dichtgedrängte Masse von mitwirkenden und theilnehmenden Künstlern.

Der Priester-Diakon und die Unterdiakonen und Chorknaben erwarteten den Zug am Altar. Als der Sarg im Eingange der Kirche erschien, schritten sie ihm entgegen und geleiteten ihn dann in feierlicher Prozession im Hauptschiffe entlang. Im Augenblicke, wo der Zug sich gestaltet hatte, quollen vom Chore imposant, erschütternd, unvergleichlich vorgetragen, die Töne von Mozart's Requiem herab.


Requiem aeternam dona eis domine

Et lux perpetua luceat eis![712]


klang es majestätisch durch den menschengefüllten, großen, todtenstillen Raum.

Der große Meister ging schlafen bei den Tönen seines geliebtesten Meisters! –

Das Fortbrausen des vollen Chorgesangs, der, getragen von Stimmen und Kunstkräften ersten Ranges, einen himmlischen Glanz und überwältigende Kraft erhielt, ließ die Herzen unter einem überirdischen Eindrucke erhebender Erschütterung zittern.

Während dessen nahmen die Leidtragenden ihre Plätze ein, der Sarg wurde auf einen Katafalk gehoben und der Priester intonirte die einleitenden Gebete, während der volle Chor die Responsorien übernahm. Es war, als ob Engelstimmen dem irdischen Gebete entgegentönten, und als das Orchester im »dies irae, dies illa«, jenem musikalischen Weltgerichte, in überwältigenden Klängen das Beben der Sünder, das Verzweifeln der Schuldigen und den jubelnden Triumph der Gerechten herniedertönte, die Majestät des großen Richters im »Rex tremendac« und die gläubige Zuversicht im », Salve me fons pietatis« sich in göttlichen Harmonieevangelien offenbarte, da war wohl keine der erschütterten Seelen in der Capelle, die nicht von dem Gefühle voll gewesen wäre, daß der ruhig dort im Katafalk unter den Wogen der gewaltigen Töne Schlummernde, weder das Gericht Gottes, noch das Weltgericht der Kunstgeschichte zu fürchten habe – –.

Nachdem die letzten Klänge des Requiems verhallt waren, wurde der Sarg wieder vom Katafalk gehoben und unter den imposanten Klängen des Todtenmarsches aus »Saul« von den Priestern in die unter der Kirche befindlichen Grüfte getragen – als erster einer langen Reihe von Särgen auf Quadern gestellt – ein kurzes Gebet – die Fackeln verloschen – es wurde still um den Todten – die Thüren der Gruft schlossen sich und fern, fern von Heimath, Lieben und Allem, was sein großes, warmes Herz ersehnte, ruhte Carl Maria von Weber's Leib verkühlt in Mitten eines fremden, kühlen Volks.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 711-713.
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