Der letzte Brief

[702] »Welche Freude, geliebte Mukkin, hat mir dein lieber Brief vom 22. Mai gemacht. Welches Glück für mich, Euch so gesund zu wissen. Wie beneide ich Euch um Euren Appetit, aber leider bin ich noch sehr erregt und angegriffen. Guter Gott, nur erst im Wagen sitzen! Mein Concert ist noch besser ausgefallen als ich dachte, ich habe gegen 100 Liv. Sterl. übrig, für Deutschland viel, für London nicht. Wäre nur der Freischütz künftigen Montag schon überstanden. Nun Gott wird Kräfte schenken. Seit gestern habe ich ein handgroßes Vesicator auf der Brust, das soll die entsetzliche Kurzathmigkeit bannen etc. etc. Du lebst ja recht in Saus und Braus, täglich Gäste! Nun das ist Recht,[702] das habe ich lieber, als wenn es in die Apotheke ginge. Gott gebe, daß ich recht helfen kann wenn ich komme. Den besten Willen dazu bringe ich mit. Da dieser Brief keine Antwort erhält, so wird er sehr kurz ausfallen. Gelt das ist bequem, nicht antworten zu dürfen! gürstenau hat sein Concert aufgegeben, vielleicht komme ich dadurch toch um ein Paar Tage früher fort – Heisa!

Gott segne Euch Alle ††† und erhalte Euch gesund. Wäre ich nur schon in Eurer Mitte! Ich küsse dich innigst, meine geliebte Mukkin, behalte mich auch lieb und denke heiter an deinen dich über alles liebenden

Carl.«


Welche Liebe, die so schreiben läßt, wenn das Todesringen uns näher als die Lebensfülle ist! Weber machte Fürstenau Vorwürfe: auch er verbände sich mit seinen andern Freunden, ihn vom Reisen abzubringen, erklärte aber gereizt, das solle ihnen allen nicht gelingen.

Zu Göschen sagte er am Abend des 4. Juni, wo dieser ihn mit dem Arzte wieder besuchte und leidend, aber völlig freien Geistes und Gedächtnisses fand: »Haben Sie an Ihren Vater etwas zu bestellen? Ich werde ihm sagen, daß sein Sohn mir ein lieber Freund in London war!« Göschen erwiederte darauf: »Sie hinterlassen hier so viele Freunde und Verehrer –.« »Still!« sagte Weber, liebenswürdig den Kopf schüttelnd. »Es ist ein großer Unterschied! –«

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 702-703.
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