Ueber eine Sonate von Gottfried Weber.

[52] (Dresden 11. Februar 1812.)


Sonata per Clavicembalo solo, comp. e ded – al suo amico Carlo Maria Bar. di Weber – da Goffredo Weber. Bonn, press. Simrock. (Pr. 2 Fr. 50 Cent.)


Herr Gottfried Weber in Mannheim, der den Lesern dieser Zeitung schon als einsichtsvoller, gründlicher Theoretiker, aus mehreren gediegenen Aufsätzen bekannt ist, hat durch gegenwärtige Sonate einen erfreulichen Beweis feines praktischen Genius abgelegt. Sie zeichnet sich durch eine feste, gediegene Haltung aus, welche die zwei Stücke – das Adagio ist nur als Einleitungs-Satz in das Schluß-Allegro zu betrachten – trotz ihrem ganz verschiedenen Charakter, zu einem Ganzen abrundet.

Das erste Allegro (C dur 3/4 Takt) fängt mit einer vollendeten musikalischen Meinung an, die durch das Entscheidende ihres Auftritts sogleich den durchgehaltenen Ton der Festigkeit, und der scharf bestimmten Abschnitte und Formen, ankündigt. Dieses scheint die vorherrschende Idee des Componisten gewesen zu sein, und ist vielleicht auch die Ursache einiger Härten, die Ref. im Anfange des zweiten[52] Theils aufgefallen sind, und die – wenn auch wahrscheinlich geflissentlich dahin gestellt, doch etwas zu grelle Pinselstriche bleiben. Schön aber, in immerwährend steigender Kraft, strebt dies Allegro aus dem E dur wieder zurück ins ursprüngliche C und Thema, das unvermuthet und erfreulich wieder eintritt. –

Bei weitem vorzüglicher jedoch ist das letzte Allegro, in C moll. Es athmet Feuer, Leben und Zartheit; ein lebendiges Regen und Bewegen herrscht vom Anfang bis zu Ende darin, und aus dem rasch daher blitzenden Thema


Presto vivace.


Ueber eine Sonate von Gottfried Weber

werden in Folge (zweiter Theil, Takt 13 bis 30 u.s.w.) die lieblichsten Figuren entwickelt. Nichts Fremdartiges stört hier den Eindruck, und in einem Gusse drängt es sich bald gewaltig, bald fließt es wieder ruhig dahin.

Außerordentlich festes, scharfes Spiel ist ein Haupterforderniß für den, der diese Sonate vortragen will. Sie ist gleichsam ein Quartett, das mit Rücksicht auf die Natur des Pianoforte gedacht wurde. Jede Note ist wesentlich, jede Mittelstimme verlangt ihr Recht. Gewöhnliche Klavier-Passagen sind gar nicht darin zu finden und nur durch den Geist, den er herauszuziehen weiß, kann der Spieler glänzen; aber dann gewiß auch seinen Zuhörern den Genuß einer, in unsern Tagen mit seltenem Fleiß, Klarheit und Geist geschriebenen Sonate verschaffen.[53]

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 3, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 52-54.
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