Ueber: »Der Wettkampf zu Olympia«.

[211] Oper von Poißl.


(13. März 1820.)


Donnerstag am 16. März 1820 zum Erstenmale auf dem Königl. Theater: Der Wettkampf zu Olympia, große Oper in 2 Akten. Frei nach Metastasio in gebundener Rede bearbeitet, und in Musik gesetzt von dem Königl. Baierischen Kammerherrn, Kommandeur des Großherzogl. Hessischen Verdienstordens, St. Georgen-Ordens Ritter, Baron von Poißl in München.

Es ist viel über eigentliche Wesenheit der sogenannten großen Oper gestritten, und bis jetzt noch nicht festgestellt worden, von welchen Grundprinzipien sie eigentlich bedingt wird. Ich begnüge mich also, nur anzuführen, was man gegenwärtig in stillschweigend angenommener Uebereinkunft unter dem Beiworte groß zu verstehen pflegt. Nämlich eine Oper, in der die Musikstücke durch fortlaufend instrumentirte Recitative verbunden sind, und wo demnach die Musik als Herrscherin, von allen ihren, ununterbrochen in Thätigkeit gesetzten, Krondienern umgeben, Hof hält.

Damit verbindet man noch den Begriff, daß in der Wahl des Stoffes auch nur das Großartige verwendet werden dürfe. Unter diesem Großartigen aber versteht man meistens wieder blos das, was man aus der alten klassischen Zeit der Griechen und Römer entlehnen kann. Diese Begriffe stehen nicht nur mit dem in Verbindung, was die Franzosen als Grundsätze für die Tragödie aufstellen, sondern sie gehen unmittelbar von ihnen aus, da, meines Wissens, sie die Schöpfer dieser großen Oper sind, die vor Allem Gluck zu einer, bis jetzt noch in dieser Gattung unerreichten, Höhe gebracht hat.

Wir haben in Deutschland nicht sehr viele, dieser Klasse angehörige, Original-Werke, und der, besonders jetzt, zum Romantischen[211] sich neigende Zeitgeist wird ihrer Vermehrung immer bedeutender in den Weg treten. Außer den trefflich gedachten Opern Salem und Cyrus des Herrn von Mosel in Wien, und einigen andern Versuchen, hat Herr von Poißl sich mit Vorliebe dieser Gattung geweiht, und durch mehrere gelungene Werke Beifall und Anerkennung gefunden.

Der Kunst bestimmte er seine Zeit und Kraft. Eigenes Studium und Freundes Rath des hochzuehrenden Kapellmeisters Danzi, waren seine zweckdienlichen Hülfsmittel. Mit wissenschaftlichen Kenntnissen, ja, selbst mit dichterischem Talente ausgerüstet, hatte er das Glück, einen großen Schritt zur vollendetern Kunstbildung voraus zu haben. Nachdem er schon mehrere Werke für Bühnen und Kammer geliefert hatte, befeuerte ihn vorzüglich die, in München wirklich mit beispiellosem Enthusiasmus aufgenommene, Oper: Ottaviano in Sicilia, sich gänzlich der dramatischen Muse hinzugeben. In kurzer Zeit gingen aus seiner rastlosen Thätigkeit hervor: Ottaviano; der Wettkampf zu Olympia, Athalia, Aucassin und Nicolette, über die Hälfte der Oper Merope, Nittetis; eine komische Oper: Dir wie mir, Issipile etc. Besonders eigenthümlich ist Baron Poißl – neben großer Sorgfalt für die Wahrheit der Deklamation, reicher Harmonieen-Folge und zweckmäßiger, mannigfaltiger Instrumentation – fließende, klar hingestellte Melodie, die, neben ihrer Weichheit, noch das Verdienst einer großen Sangbarkeit, und das gewisse Kehlgerechte hat, welches zu vernachlässigen man so oft den deutschen Componisten, und zwar nicht ganz ohne Grund, zum Vorwurfe machen kann.

Dem Vernehmen nach arbeitet er jetzt an einer großen italienischen Oper.[212]

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 3, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 211-213.
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