XIX.
Populär gewordene Bezeichnungen Mozart'scher Compositionen.

[250] Einzelne Tonwerke großer Musiker werden entweder in Künstlerkreisen so heimisch, oder sind durch ihren Ursprung, ihre sonstige Geschichte so interessant, daß man ihnen dieses Merkmal durch eine mit dem Werke sonst in keiner musikalischen Beziehung stehende Bezeichnung, welche endlich ganz populär wird, aufdrückt. So kennen wir z.B. von Haydn eine »Ochsenmenuette«, ein »Rasirmesser-Quartett«, die »Abschieds-Symphonie«, das »Andante mit dem Paukenschlage« u. dgl. m.; ein nicht geringes Contingent solcher populär bezeichneter Tonstücke hat uns auch Mozart gestellt. So kennt man unter seinen Kirchenstücken die Pater-Dominicus-Messe, die Credo-Messe, die Spatzen-Messe, die Krönungs-Messe und das Pater Johannes-Offertorium. Die Pater Dominicus-Messe (Ritter v. Köchel, Nr. 66), eine Composition aus Mozart's 13. Lebensjahre (1769), ist eine Primizmesse, welche Mozart für einen ihm liebwerthen, in seinen Briefen oft liebevoll erwähnten Hausfreund, den Pater Dominicus (Hagenauer), der im Jahre 1786 Prälat[251] des Stiftes St. Peter in Salzburg wurde, componirt hat. Der Vater selbst gab ihr diesen Namen und dieser ist ihr geblieben. – Die Credo-Messe (v. Köchel, Nr. 257), im Jahre 1776 componirt, ohne daß die nähere Veranlassung ihrer Composition bekannt wäre, hat von der eigenthümlichen Composition der 3. Nummer, nämlich des Credo, den Namen bekommen und behalten. – Die Missa brevis, aus demselben Jahre, wie die Credo-Messe, welche von Köchel unter Nr. 258 anführt, soll von einer die Spatzen imitirenden Violinfigur, welche Version jedoch noch nicht beglaubigt feststeht, die komische Bezeichnung Spatzen-Messe erhalten haben, während eine andere, im Jahre 1779 componirte Messe (v. Köchel, Nr. 317), eine der bekanntesten und die größte von Mozart componirte Messe, den Namen Krönungs-Messe führt, ohne daß die Ursache, warum sie diesen Namen hat, bekannt wäre. – Das Pater Johannes-Offertorium (von Köchel, Nr. 72), wie die Pater Dominicus-Messe, auch aus dem Jahre 1769, verdankt aber ihren Ursprung und Namen folgendem Umstande. Pater Johannes – mit seinem Zunamen von Haasy – Benedictiner des Klosters Seeon, war ein Liebling Mozart's. Wenn Mozart, damals noch ein Knabe, ins Kloster kam, sprang er auf den Pater zu, kletterte an ihm empor, streichelte ihm die Wangen und sang dazu nach einer stehenden Melodie: »Mein Hanserl, lieb's Hanserl, lieb's Hanserl«. Diese Scene erregte immer große Heiterkeit und Mozart wurde mit seinem Refrain und der Melodie öfter geneckt. Als einmal P. Johannes seinen Namenstag feierte, schickte ihm Mozart das eigens zu diesem Anlasse componirte Offertorium als Angebinde. Er wählte den Text: » Inter[252] natos mulierum non surrexit major «. Nachdem das Offertorium mit diesem Texte anhebt, tritt mit den Worten » Joanne Baptiste « die Melodie des »Mein Hanserl, lieb's Hanserl« ein. Diesem liebenswürdigen Zuge eines kindlichen Gemüthes verdankt das P. Johannes-Offertorium seinen in der Kunstwelt gekannten Namen. – Ein zweites, das Offentorium de Tempore (v. Köchel, Nr. 222), eine Motette, die sich der vollen Anerkennung des Pater Martini in Bologna erfreute, heißt auch das Misericordias-Offertorium, von dem Anfangsworte des Textes »Misericordias Domini«. –

Unter Mozart's Kammermusikstücken sind durch ihre Eigennamen bekannt die Fischerischen Variationen, die Haydnischen Quartette, das Leitgebische Quintett, das Stadler'sche Quintett und das bekannteste von allen das Bandel-Terzett. Unter den Fischerischen Quartetten versteht man die zwölf Variationen für Clavier (v. Köchel, Nr. 179), ein Paradestück für das Pianoforte, dessen sich Mozart öfter auf seinen Reisen, seine Bravour zu zeigen, bediente. Den Namen »die Fischerischen« führen sie einfach von dem Umstande, daß sie nach einer Menuet von Joh. Christian Fischer, (geb. 1733, gest. 1800), Kammervirtuosen der Königin von England, componirt worden. – Die Haydnschen Quartette, sechs an der Zahl, sind Streichquartette (v. Köchel, Nr. 387, 421, 428, 458, 464 und 465), so genannt ob der Widmung Mozart's an Vater Haydn. Tonwerke von seltener Musterhaftigkeit in der Composition, hatte Mozart seine ganze Kraft daran gesetzt, um etwas zu leisten, was ihm und seinem Meister Haydn Ehre machen sollte. Sie stammen aus der Zeit von Mozart's voller Reife (1782–1785), und das an Haydn[253] gerichtete Dedicationsschreiben Mozart's in italienischer Sprache trägt jenen Hauch von Bescheidenheit, wie er nur großen Geistern eigen und eben deßhalb so ungemein selten ist. – Das Leitgebische Quintett (v. Köchel, Nr. 407) verdankt seinen Namen einem Hornisten Namens Leitgeb, der sein Instrument mit Meisterschaft blies, im Uebrigen aber ein beschränkter Kopf war, den Mozart eben nicht mit Glacehandschuhen anzufassen liebte. Das Quintett ist für eine Violine, zwei Violen, ein Horn und ein Violoncell gesetzt, das Horn darin ist concertino behandelt, kann aber durch ein zweites Violoncell ersetzt werden. Den Namen gab ihm Mozart selbst, der es in seinen Briefen das »Leitgebische« nennt. – Ein Seitenstück zum Leitgebischen Quintett ist das Stadler'sche Quintett (v. Köchel, Nr. 581) für 1 Clarinette, 2 Violinen, Viola und Violoncell, welches Mozart für seinen Freund Stadler, der in mehr als freundschaftlicher Weise Mozart's Herzensgüte mißbrauchte, übrigens Virtuose auf dem Clarinett war, componirte. Es wurde am 22. December 1787 im Concert für den Pensionsfond der Tonkünstler zum erstenmale gespielt. – Ein vielgenanntes Gesangstück ist das unter dem Namen »das Bandel-Terzett« bekannte. Es ist ein Terzett für Sopran, Tenor und Baß. Die Zeit seiner Composition fällt in Mozart's Honigmonate seiner Liebe. Köchel (Nr. 441) setzt es in das Jahr 1783. Die Geschichte der Entstehung dieses Tonstückes ist folgende: Constanze sollte eines Tages mit Baron Jacquin, mit dem Mozart und seine Frau befreundet waren, eine Spazierfahrt machen, und wollte ein Band anlegen, das ihr Wolfgang geschenkt. Als sie das Band bereits eine Weile vergeblich gesucht, rief sie ihrem Manne zu: »Liebes Mandl, wo is's Bandl«, worauf dieser[254] seiner Frau suchen half. Auch Jacquin suchte mit und fand das Band, wollte es aber nicht so leichten Kaufes wieder hergeben. Mozart Mann und Frau, waren von Statur klein, Jacquin war groß und hielt das Band, das die Mozart'schen Eheleute durch Springen zu erhaschen suchten, hoch in die Höhe. Aller Sprünge Mühe war hier umsonst, endlich gab der bellende zwischen Jacquin's Füße hineinfahrende Hund den Ausschlag. Jacquin lieferte das Band aus und meinte, die Scene böte Stoff zu einem komischen Terzett. Mozart ließ sich das nicht umsonst gesagt sein, machte sich den Text im Wiener Dialect, der mit Constanzen's Worten: »Liebes Mandl, wo is's Bandel« anhebt, selbst dazu und von da führt dieses komische, immer wirksame Tonstück den Namen das »Bandel-Terzett.«

Unter den Orchesterstücken führen besondere Namen das Straßburger-Concert, die Haffner-Serenade, zu der sich noch ein Haffner-Marsch und eine Haffner-Symphonie gesellen, das Krönungs-Concert, die Pariser oder sogenannte französische Symphonie und die köstliche Bauern-Symphonie. Das Straßburger-Concert, für 2 Violinen, Viola, Baß, 2 Oboen und 2 Hörner, ist eine Bezeichnung, die zwei Concerte Mozart's führen (von Köchel, Nr. 207 und 216), und die wahrscheinlich von einer darin behandelten Volksmelodie der »Straßburger« ihren Namen entlehnt haben. Mozart in seinen Briefen gedenkt einmal des »Straßburger-Concertes« und ein anderes Mal »des Concertes mit dem Straßburger«. – Die Haffner-Serenade (v. Köchel, Nr. 250) ist ein Orchesterstück, zur Vermählungsfeier des Salzburger Bürgers F.X. Späth mit Elisabeth Haffner, der[255] Tochter einer in Salzburg zu Mozart's Zeit in hohem Ansehen stehenden, durch eine großartige Stiftung noch heute pietätvoll genannten Patrizierfamilie, componirt. Die Serenade wurde am Hochzeitstage (22. Juli 1776) gespielt. Aus gleichem Anlasse entstand auch der Haffner-Marsch (v. Köchel, Nr. 249). Die Haffner-Symphonie (v. Köchel, Nr. 385) auf des Vaters Wunsch für dieselbe Familie Haffner geschrieben, ist aber jüngeren Datums, denn ihre Composition fällt in das Jahr 1782. – Auch um den Titel eines Krönungs-Concertes streiten sich zwei in den Instrumenten gleich besetzte Orchesterstücke (v. Köchel, Nr. 459 und 537), und zwar ersteres, da auf dem Titel der alten André'schen Ausgabe des Concertes die Notiz sich findet: »Ce concert a eté exécuté par l'auteur à Francofourt sur le Main à l'occasion du couronnement de l'Empereur Léopold II«; das zweite weil es von demselben festgestellt ist, daß es Mozart im Jahre 1790 in Frankfurt a.M. während den Krönungsfeierlichkeiten gespielt hat. – Ehe wir jedoch der zwei letzten Symphonien Ursprung angeben, ist noch des Kegelstatt-Trio's (v. Köchel, Nr. 498) zu gedenken, das Mozart für Franziska v. Jacquin, die Schwester Gottfried's v. Jacquin, geschrieben und das seinen Namen davon hat, weil es Mozart während des Kegelschiebens componirt haben soll. – Die französische Symphonie (Symphonie Nr. 297 bei Köchel) oder auch die Pariser-Symphonie genannt, hat ihren Namen, weil der Ort ihrer Composition und ersten Aufführung – am 3. Juli 1778 – Paris ist. Mozart schrieb sie während seines mehrmonatlichen Aufenthaltes in Paris, wo sie am Frohnleichnamstage imConcert spirituel mit großem Beifalle[256] gegeben wurde. – Den Schluß dieser unter populären oder doch besonderen Bezeichnungen bekannten Compositionen Mozart's bildet das unter dem Namen: »Ein musikalischer Spaß«, auch »Bauern-Symphonie«, »die Dorfmusikanten« bekannte Sextett (von Köchel, Nr. 522). Es ist ein für Saitenquartett und zwei Hörner in vier Sätzen geschriebenes Stück. In der Abtheilung XII. Mozart in der Dichtung, S. 262, wird einer kleinen Erzählung: »die Bauern-Symphonie«, gedacht, welche die Entstehung dieses Tonstückes zum Gegenstande hat. In diesem »musikalischen Spaß« werden ebensowohl die ungeschickten Componisten, als die ungeschickten Spieler verspottet; »die letzten handgreiflich, wie wenn die Hörner im Menuett, gerade wo sie Solo eintreten, in lauter falschen Tönen sich ergehen, oder wenn die erste Violine zum Schluß der langen Cadenz, in der eine Reihe kleiner banaler Kunststückchen zusammenhanglos aneinander gereiht ist, sich in die Höhe versteigt und beharrlich um einen halben Ton zu hoch greift; am übermüthigsten zum Schluß, wo in die F-dur-Fanfaren der Hörner jedes der Saiteninstrumente aus einer andern Tonart derb hineinstreicht. Mit den halben Tönen nehmen die Leute es gar nicht genau, bequeme Terzen werden fortgeführt, auch wo sie nicht mehr passen; aber mitunter, wenn eine Stimme scheinbar zu früh kommt, oder man einige Tacte lang nur Begleitung hört, daß die Hauptstimme sich zu verpausiren scheint, oder wenn man im entscheidenden Moment einen Ton hört, der infam falsch klingt, lehrt die Fortsetzung, daß kein Fehler passirt, sondern der Zuhörer getäuscht ist, wobei man nicht selten zweifelhaft ist, ob nicht der vorgebliche Componist persiflirt werden soll. Dieß[257] geschieht unverholen in der ganzen Anlage und Behandlung der Sätze, die nach dem üblichen Muster zugeschnitten sind. Wendungen und Figuren, wie sie damals üblich waren, auch mitunter eine frappante Modulation, zeigen aber eine völlige Unfähigkeit, einen eigentlichen Gedanken zu fassen und durchzuführen; mit einigen Tacten ist es immer aus, und meistens dreht sich Alles um die hergebrachte Formel der Schlußcadenz. Spaßhaft ist besonders im Finale der Versuch einer thematischen Verarbeitung, der ganz so klingt, als habe der Componist dergleichen gehört, und versuche nun offenbar mit großer Genugthuung, es mit einigen Redensarten nachzumachen, und die unendlich in die Länge gezogene, angeblich humoristisch spannende Rückführung des Thema. Am merkwürdigsten ist offenbar dabei die Kunst, dieses ziemlich lang ausgeführte Stück – alle 4 Nummern desselben (Allegro 88 Tacte, Menuet und Trio 94 Tacte, Adagio 80 Tacte und Presto 458 Tacte) enthalten zusammen 720 Tacte – in einem solchen Helldunkel zu halten, daß das prätendirte Ungeschick nicht langweilig wird, sondern der Zuhörer wirklich so in der Schwebe erhalten bleibt, daß er sich immer wieder überrascht fühlt. Zum Theile beruht diese Wirkung auf dem treffenden Blick für das, was in solcher Unbehilflichkeit wirklich komisch ist – denn nirgends ist die Ironie gefährlicher, als in der Musik, weil der Eindruck des Uebelklingenden schwer zu beherrschen ist – zum Theile in der sicheren Meisterschaft, welche man immer wieder durchfühlt, und die den Zuhörer stets wieder festhält; allein es war eigene humoristische Laune erforderlich, um auch hier ein leicht fließendes Ganzes hervorzubringen, das durch die einzelnen Späße nicht gestört und zerrissen, sondern nur[258] gewürzt wird«. Außer diesem von O. Jahn so trefflich charakterisirten »musikalischen Spaß« hat man noch ein anderes, auch komisch sein sollendes Quartett Mozart aufbürden wollen, das in der Geschmacklosigkeit des Inhalts mit der Geschmacklosigkeit des Titels: »Neugebornes musikalisches Gleichheitskind« wetteifert und als: »Quartett für Leute, die Noten kennen und ohne die Finger zu bewegen, mit dem Bogen nur auf und ab die leeren Saiten zu streichen haben« näher bezeichnet wird. Von diesem Machwerk gehört auch nicht eine Note unserm Mozart. – Ein im Jahre 1788 componirter »Contratanz« (von Köchel, Nr. 534) ist unter dem Namen »das Donnerwetter« bekannt, ob von einer in der Composition die Naturerscheinung imitirenden Tonfigur, oder aus einer andern Ursache, ist nicht bekannt. Mit den vorangeführten Tonstücken erschöpft sich fast ganz die Reihe jener, deren vulgäre Bezeichnungen den schulgerechten oder in den Musikkatalogen vorkommenden Titel verdrängt haben. Freilich gilt dies nur von den kleineren Tonwerken, denn für Mozart's große Werke »Don Juan«, »Hochzeit des Figaro«, »Zauberflöte«, wie sehr sie auch im Volke leben, gibt es keine besonderen Bezeichnungen, denn jede Note in denselben klingt nicht nur im Herzen des einen oder andern Musikliebhabers, sondern eines Jeden auf dem Erdballe nach, der je den Zauber der Töne an sich empfunden, und je denselben auf Andere hat einwirken lassen.

Quelle:
Mozart-Buch. Von Constantin von Wurzbach, Wien 1869, S. 250-259.
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