Leopold Mozart,

[269] geboren zu Augsburg am 14. November 1719,

gestorben zu Salzburg am 28. Mai 1787.


Leopold Mozart ist der Vater des berühmten Wolfgang Amadeus. Leopold's Vater, Franz Alois, war Buchbinder in Augsburg, welches Handwerk ebenda auch schon der Großvater Johann Georg Mozart getrieben hatte. Uebrigens mochten die Mozart nicht immer so untergeordnetes Handwerk ausgeübt haben, denn v. Stetten in seiner »Kunst-, Gewerks- und Handwerkgeschichte der Reichsstadt Augsburg«, S. 283, berichtet von einem Anton Mozart, der gegen das Ende des 16. Jahrhunderts als Maler in Augsburg lebte und mit seinen Arbeiten Beifall erntete. Er malte Landschaften mit Figuren in Breughel's Manier. In den Gewändern nahm er sich Dürer zum Vorbilde. Die Färbung wird als stark und dauerhaft gerühmt. Allem Anscheine dürfte dieser Anton Mozart ein Ahnherr der Mozart's sein, die ja auch in Augsburg ansässig, und da die Kunst eben nicht immer einen goldenen Boden hat, arm geblieben und sonach genöthigt waren, in[269] ihrer Beschäftigung tiefer zu greifen, weil das schlichte Handwerk oft leichter und besser nährt, als die Kunst. Leopold – dessen ganzer Name Johann Georg Leopold lautet – trachtete durch tüchtige geistige Bildung aus den beschränkten Verhältnissen seines väterlichen Hauses sich emporzuarbeiten, zu welchem Vorhaben ihm das musikalische Talent, mit dem er begabt war, nicht unwesentlich zu Statten kam. Die Nachrichten über seine Jugend sind im Ganzen spärlich, nur so viel ist bekannt, daß er sich viel und frühzeitig mit Musik beschäftigte, so sang er als Discantist in den Klöstern von St. Ulrich und zum heiligen Kreuz in seiner Vaterstadt und spielte die Orgel im Kloster Wessobrun. Im Uebrigen machte er die harte Schule der Entbehrungen durch, die eben seinen Charakter stählten und seinen Lebensansichten eine bestimmte Richtung gaben. Um die Jurisprudenz zu studiren, begab er sich nach Salzburg, wo es ihm aber nicht gelingen wollte, eine Anstellung zu erhalten. So sah er sich denn genöthigt, eine Stelle als Kammerdiener im Dienste des Grafen Thurn, Domherrn in Salzburg, anzunehmen, welche er jedoch nur kurze Zeit versah, da ihn schon im Jahre 1743 Erzbischof Sigismund, aus dem Hause der Grafen Schrattenbach, als Hofmusicus in seine Dienste nahm, ihn später zum Hofcomponisten und Anführer des Orchesters, und im Jahre 1763 zum Vice-Capellmeister ernannte. Mit diesem letzten Posten schließt Mozart's amtliche Laufbahn in den erzbischöflichen Diensten ab.

Von dem Jahre 1761 bis 1781 ist sein Leben mit jenem seines Sohnes Wolfgang Amadeus und seiner Tochter Maria Anna, die beide ein ungewöhnliches musikalisches Talent besaßen, dessen Ausbildung nun die Aufgabe des Vaters war, ziemlich enge verschlungen Leopold Mozart hatte sich[270] am 21. November 1747 mit Anna Maria Pertlin (Bertlin), einer Pflegetochter des Stiftes St. Gilgen, vermält, die ihm sieben Kinder gebar, von denen drei Töchter und zwei Söhne in der Kindheit starben und nur eine Tochter Maria Anna, die viertgeborne, und Wolfgang Amadeus, der jüngst- und letztgeborne, am Leben blieben. Diese beiden Kinder zeigten frühzeitig ein ungewöhnliches, besonders aber Wolfgang ein an's Wunderbare grenzendes Musiktalent. Die Ausbildung und Leitung desselben bestimmten den Vater, jede weitere Nebenbeschäftigung mit Componiren und Unterrichtertheilen in Musik aufzugeben, um sich somit ausschließlich dem Unterrichte seiner Kinder widmen zu können. Es war dies kein kleines Opfer, da bei dem knapp bemessenen Gehalte die Familie dadurch, wenn eben nicht Entbehrungen ausgesetzt, so doch auf einen höchst sparsamen Haushalt, und bei den späteren Reisen auf die Dienste der Freundschaft angewiesen war. Aber der Vater unterzog sich um so williger denselben, als die ungewöhnliche Begabung des Sohnes für die Zukunft eine reiche Ernte in Aussicht stellte. So unternahm denn Leopold, nachdem er vorher im Jahre 1762 einen kleinen Ausflug über München nach Wien mit seinen beiden Kindern gemacht, und sie dort bei Hof hatte auftreten lassen, im Sommer 1763 mit ihnen die erste größere Kunstreise. Diese dauerte drei Jahre, und dehnte sich von den kleineren Residenzen des westlichen Deutschland nach Paris und London aus, worauf er über Holland, Frankreich, die Schweiz nach Salzburg zurückkehrte. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Lebensskizze seines Sohnes Amadeus Wolfgang gewiesen. (S. 7 bis 25.)[271]

Nach zweijährigem Aufenthalte in Salzburg reiste Leopold im Herbste 1768 wieder mit seiner ganzen Familie nach Wien, wo er die Freude erlebte, daß sein damals zwölfjähriger Sohn im Auftrage des Kaisers eine Messe componirte, welche er dann auch bei der ersten Aufführung persönlich dirigirte. Das Jahr 1769 blieb Mozart mit seiner Familie in Salzburg, die musikalische Ausbildung seiner Kinder fleißig fortsetzend. Nun aber begannen gegen Ende des Jahres 1769 die Reisen nach Italien, deren erste sich über ein Jahr ausdehnte, worauf die zweite noch im Sommer 1771 erfolgte. Bisher waren seine dienstlichen Verhältnisse ungetrübt geblieben. Erzbischof Sigismund war ihm ein wohlgewogener billigdenkender Fürst und Vorgesetzter gewesen; aber Alles wurde anders, als der am 14. März 1772 gewählte neue Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo am 29. April 1772 seinen feierlichen Einzug hielt, worauf nun eine schwere Prüfungszeit über Vater und Sohn hereinbrach. Der neue Fürst, wenn er gleich einem altadeligen berühmten Geschlechte, das bis auf die Gegenwart Helden und Staatsmänner von seltener Begabung und Größe aufweist, entsprossen, war bei äußeren glatten Formen ein Mensch ohne Herz und Gemüth; nur sklavische Unterwürfigkeit und knechtischen Sinn heischend, haßte und neidete er jedes höhere Streben eines ihm Untergeordneten und Dienenden, war dabei roh in Worten und Manieren, ließ seiner herrschenden üblen Laune jeden Augenblick die Zügel schießen, und verbitterte so das Dasein eines Mannes, der aus innerster Ueberzeugung religiös, an Unterwürfigkeit gewöhnt, mit Freuden den ihm zugewiesenen Dienst erfüllte, welcher ihm aber jetzt durch die Laune maßloser Willkür und Gemeinheit[272] schwer verleidet wurde, den aufzugeben er aber leider außer Stande war, weil er, wie spärlich auch, doch immerhin den Mann und seine Familie nährte.

Vater Mozart trug dieses Los mit Ergebung und tiefer innerer Verbitterung, die noch mehr zunahm, als sich wenig Aussichten für die lucrative Laufbahn seines genialen Sohnes zeigten, auf die er mit Zuversicht gehofft und deren Vereitelung er zumeist der Herzensneigung seines Sohnes, die mit seinen Plänen nun ganz und gar nicht übereinstimmte, zur Last legte. Nachdem sein Sohn sich von der unwürdigen Tyrannei seines Gebieters, der ihn in schmählichster, des Menschen, Cavaliers und Kirchenfürsten unwürdiger Weise beschimpft hatte, frei gemacht, wurde begreiflicherweise des an seinen Dienst gefesselten Vaters Lage nur noch mißlicher, was den alternden Mann sehr verbitterte, sich aber bei den gegebenen Verhältnissen nun einmal nicht ändern ließ. Wohl hatte er den sich täglich steigernden Ruhm seines Sohnes noch erlebt und Gelegenheit gehabt, bei einem im Jahre 1785 unternommenen Besuche Wiens sich persönlich in maßgebenden Kreisen, wie z. B, bei Haydn, zu überzeugen, wie sein Sohn hochgestellt ward, aber eine seit Jahren gehoffte Verbesserung seiner und seines Sohnes Lage war nicht erfolgt, und so starb er denn, in seiner wahren Frömmigkeit den letzten Halt gegen fehlgeschlagene Hoffnungen findend, die letzten Jahre ganz zurückgezogen von der Welt in Salzburg, im Alter von 68 Jahren.

Ein Bild seines Charakters in scharfen und meisterhaften Zügen entwirft der Biograph seines Sohnes, Otto Jahn, auf den in den Quellen hingewiesen wird; und eine nähere Erörterung des Verhältnisses zwischen[273] Vater und Sohn hat sich ein anderer Schriftsteller in der »Neuen Münchener Zeitung« zur Aufgabe gestellt, auf welche Darstellung gleichfalls in den Quellen hingewiesen wird. Hier bleibt nun noch Einiges über Leopold Mozart als Compositeur zu sagen übrig. Von Leopold ist eine nicht geringe Anzahl Compositionen bekannt im Stiche aber ist nur Einiges erschienen. Sechs Sonaten hat er selbst in Kupfer radirt, aber hauptsächlich um Uebung in der Radirkunst zu erlangen; von seinen Kirchensachen sind im Dome zu Salzburg ein »Offertorium de Sacramento« (A-dur), eine »Missa brevis« (A-dur) und drei »Litaniae brevis« (G-, B-, Es-dur) vorhanden; sie sind für 4 Singstimmen mit Begleitung von 2 Violinen, Baß, 2 Hörner und Orgel, die letzte Litanei auch mit obligaten Posaunen, gesetzt, und werden noch von Zeit zu Zeit aufgeführt. Von seinen zahlreichen Symphonien sind deren achtzehn thematisch verzeichnet im Catalogo delle Sinfonie che si trovano in manuscritto nell' officina musica di G.G.J. Breitkopf in Lipsia P. I (1762), pag. 22; Suppl. I (1766), pag. 44; Suppl. X (1775), pag. 3. Die dort zuletzt angeführte Symphonie in G-dur ist in Partitur gestochen, und durch ein Versehen als die zwölfte der bei Breitkopf und Härtel herausgegebenen Symphonien W.A. Mozart's (des Sohnes) angeführt; ferner ebenda im Suppl. II (1767), pag. 11, ein Divertimento a 4 instr. conc. a Viol., Violonc., 2Co-, B., in D-dur. Außerdem hat er componirt viele Concerte für die Flötraverse, Oboe, das Fagott, Waldhorn und die Trompete, zahlreiche Trio's und Divertissements; dann zwölf Oratorien, eine Menge theatralischer Sachen, unter denen Gerber anführt: eine »Semiramis«, »die verstellte Gärtnerin«,[274] »Bastien und Bastienne«, welche aber sämmtlich Compositionen seines Sohnes Wolfgang Amadeus sind, ferner »La Cantatrice ed il Poeta, intermezzo a due persone«, dann noch Pantomimen und mehrere Gelegenheitsmusiken, als: eine Soldatenmusik mit Trompeten, Pauken, Trommeln, Pfeifen nebst den gewöhnlichen Instrumenten; eine türkische Musik; eine Musik mit einem stählernen Clavier; eine Schlittenfahrtmusik mit 12 Nummern, die noch im Jahre 1811 in Berlin im Reimer'schen Garten zu wiederholten Malen aufgeführt wurde, Märsche, sogenannte Notturni (Nachtmusiken, Serenaden); viele hundert Menuetten, Operntänze u. dgl. m. Auch ist von Leopold eine Folge von Stücken bekannt, die von einem Orgelwerke auf der Feste Hohensalzburg Früh und Abends nach dem Aveläuten abgespielt wurden. Von den zwölf Stücken, die dasselbe spielte, waren 7 von Mozart, 5 von Eberlin componirt, und sind diese Compositionen im Jahre 1759 in Augsburg für's Clavier herausgegeben worden. Das Mozarteum in Salzburg bewahrt auch noch das Originalmanuscript einer großen »Litania de venerabili« aus dem Jahre 1762. Sein verdienstlichstes Werk ist aber der im Jahre 1756 erschienene »Versuch einer gründlichen Violinschule«, welcher später in vielen Auflagen (Fétis zählt dieselben auf) und Uebersetzungen verbreitet ward. In späteren Jahren, u.z. zumeist von der Zeit an, als er sich mit der künstlerischen Ausbildung seiner Kinder beschäftigte, und auch dann, nachdem sein Sohn sich bereits eine selbstständige Stellung begründet, hat er nicht mehr componirt.

Was den musikalischen Charakter und Werth feiner Arbeiten betrifft, so sind sie im Style seiner Zeit[275] gehalten, gründlich, streng contrapunctisch, aber altväterisch; immerhin tragen sie ein Gepräge an sich, das die vollkommene Eignung zu einem gründlichen Unterrichte, den seine Kinder zu so großem Nutzen genossen haben, erkennen läßt. Seine Frau schickte er als ihn seine dienstliche Stellung hinderte, den Sohn auf seiner zweiten Reise nach Paris persönlich zu begleiten, mit ihm, da ihm sein damals zwanzigjähriger Sohn noch der mütterlichen Aufsicht – wenn die väterliche nicht möglich war – zu bedürfen schien. Die Mutter unterzog sich auch der etwas schwierigen Aufgabe; mochte sich aber auf der Reise schon verdorben haben, denn in Paris, immer nicht ganz wohl, sich fühlend, erlag sie nach wenigen Monaten (3. Juli 1778) einem plötzlichen Anfalle.


Jahn (Otto), W.A. Mozart (Leipzig 1856, Breitkopf und Härtel, 80.) I. Theil, S. 3–26 [vergleiche übrigens das raisonnirende Register im IV. Theile dieses Werkes, S. 805 und 806]. – Nohl (Ludwig), Mozart's Briefe. Nach den Originalen herausgegeben (Salzburg 1865. Mayr'sche Buchhandlung, 80.) S. 1 u.f., 8, 29 u.f., 124, 132, 170 u.f., 260, 346 u.f., 368 u.f. 403, 404, 412, 428 u.f. – Pillwein (Benedict), Biografische Schilderungen oder Lexikon Salzburgischer, theils verstorbener, theils lebender Künstler u.s.w. (Salzburg 1821, Mayr, kl. 80.) S. 150. – Gerber (Ernst Ludwig), Historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler (Leipzig 1790, I.G.I. Breitkopf, gr. 80.) Bd. I, Sp. 976. – Derselbe, Neues historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler (Leipzig 1813, A. Kühnel, gr. 80.) Bd. III, Sp. 474. – Abendblatt zur Neuen Münchener Zeitung 1857, Nr. 151, 152 u. 153: »Leopold und Wolfgang Mozart«. Von Dr. Julius Hamberger. – Hamburger Nachrichten (großes polit. Journal) 1856, Nr. 214. – Theater-Zeitung, herausg. von Adolph Bäuerle (Wien 40.) Jahrg. 1858. Nr. 169. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer undCzykann (Wien 1835 80.) Bd. III.,[276] S. 713. – Neues Universal-Lexikon der Tonkunst. Angefangen von Dr. Julius Schladebach, fortgesetzt von Eduard Bernsdorf (Dresden 1856, R. Schäfer, gr. 80. Bd. II. S. 1037. – Gaßner (F.S.Dr.), Universal-Lexikon der Tonkunst. Neue Handausgabe in einem Bande (Stuttgart 1849, Franz Köhler. Lex. 80.) S. 625. – Meyer (I.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliogr. Institut, gr. 80.) Bd. XXII., S. 279, Nr. 4. – Slovník naucný Red. Dr. Fr. Lad. Rieger, d.i. Conversations-Lexikon. Redigirt von Dr. Franz Lad. Rieger (Prag 1859, I.L. Kober, Lex. 80.) Bd. V.S. 513.

Portraite. Leopold Mozart's Bildniß befindet sich öfter auf den Gruppenbildern, die die ganze Familie darstellen. Dieser Gruppenbilder geschieht auf S. 182, Nr. 8–16 Erwähnung. Als einzelne Bildnisse Leopold Mozart's sind nur die zwei folgenden bekannt: 1. G. Richter p., I.A. Fridr 1756. sc. Hüftbild 40., 2, und das nach dem Familienbilde im Mozarteum in Salzburg gezeichnete, von M. Lämmel gestochene, das sich vor dem II. Theile der ersten Auflage von Otto Jahn's »Mozart« befindet.

Quelle:
Mozart-Buch. Von Constantin von Wurzbach, Wien 1869, S. 269-277.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Mozart-Buch
Das Mozart-Buch
Das Mozart-Buch
Das Mozart-Buch
Mozart-Buch
Das Mozart-Buch

Buchempfehlung

Jean Paul

Selberlebensbeschreibung

Selberlebensbeschreibung

Schon der Titel, der auch damals kein geläufiges Synonym für »Autobiografie« war, zeigt den skurril humorvollen Stil des Autors Jean Paul, der in den letzten Jahren vor seiner Erblindung seine Jugenderinnerungen aufgeschrieben und in drei »Vorlesungen« angeordnet hat. »Ich bin ein Ich« stellt er dabei selbstbewußt fest.

56 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon