Maria Anna Mozart,

[290] später vermälte Baronin Berchthold von Sonnenburg

(Mozart's Schwester),


geb. zu Salzburg 30. Juli 1751,

gest. ebenda 29. Oktober 1826.


Diese in Mozart's Briefen und in den über ihn erschienenen Biographien unter dem Namen Nannerl öfter erwähnte Schwester war fünf Jahre älter als ihr berühmter Bruder und hat ihn um fast vier Jahrzehende überlebt. Ihre Jugend und Bildungsgeschichte fällt mit jener ihres Bruders zusammen. Gleich ihm zeigte sie ein hervorrades musikalisches Talent, welches ihr Vater durch sorgfältigen Unterricht ausbildete. Mit dem Vater und dem Bruder machte Maria Anna mehrere Kunstreisen in den Jahren 1762, 1763–1766 und 1757, über welche in der Lebensskizze ihres Bruders, S. 7–16 ausführlicher berichtet worden. Als später ihr Bruder mit seinem Vater die längeren und wiederholten Kunstreisen nach Italien unternahm, blieb Maria Anna daheim bei ihrer Mutter und fuhr fort durch eigenen Fleiß sich im Clavierspiele zu vervollkommnen, in welchem sie bald allgemein als Virtuosin galt, und diese ihre Meisterschaft auch später vollkommen bewährte. Als nach beendeten Kunstreisen und dann nach der Rückkehr aus Frankreich Wolfgang seinem Vater zu Liebe in Salzburg erzbischöfliche Dienste genommen und mehrere Jahre das unwürdige Joch eines gewöhnlichen[291] Dieners mit stiller Ergebenheit und jeder nur denkbaren Selbstbeherrschung trug, spielte Nannerl oft mit ihrem Bruder zusammen, und bildete sich an seinem sie überstrahlenden Genius im Geschmack und in der Technik des Spiels. Sie gestand es auch selbst gerne ein, wenn sie Bewunderern ihres Talentes und ihrer virtuosen Fertigkeit zu sagen pflegte: »Ich bin nur die Schülerin meines Bruders.« Mozart selbst räumte seiner Schwester keine geringe Stelle als Künstlerin ein, und einen Beweis dafür liefert seine Gewohnheit ihr, wenn er abwesend war, seine Compositionen zuzusenden, indem er auf ihr Urtheil Werth legte. Mehrere Stellen in seinen Briefen weisen deutlich auf diese Thatsache hin. Daß Maria Anna bei einem so ausgesprochenen musikalischen Talente nicht mit der bloßen technischen Fertigkeit im Spiele sich begnügen konnte, begreift sich leicht; sie übte sich auch im Generalbaß und von ihrem Compositionstalent ist auch, leider nur eine Probe vorhanden, ein Lied, welches sie ihrem Bruder nach Rom schickte und das dieser in der Nachschrift eines Briefes, ddo. Rom, 7. Juli 1770 als »sehr schön« bezeichnete. Mit ihrem Bruder lebte Nannerl in der zärtlichsten Eintracht, und der innige Verkehr, der zwischen beiden bestand, spricht sich auch aus den freilich im Ganzen nur wenigen Briefen Mozart's an seine Schwester, welche überdieß in die Kinderjahre, nämlich in die Zeit von 1770 bis 1775 fallen; aber auch später noch gedenkt er immer in liebevoller Weise seines Nannerl. Maria Anna widmete sich frühzeitig dem Unterrichte im Clavierspiel, nebstbei führte sie – und zwar seit die Mutter mit Mozart nach Paris gereist war, den Haushalt und besorgte denselben auch dann, nachdem die Mutter in Paris gestorben.[292]

So floß ihr Leben in einer Stadt, wie Salzburg, welche wenig Gelegenheit zu Zerstreuungen und Belustigungen bietet, in einförmiger Einsamkeit dahin. Ein trauriges Intermezzo in dieser ihrer Abgeschiedenheit bildete eine Krankheit, welche sie im Jahre 1784 befiel, und woran sie längere Zeit litt. Jahn bringt damit, und nicht ohne Grund, eine »nicht glückliche« Herzensneigung – Maria Anna zählte damals bereits 29 Jahre – in Verbindung. Im Jahre 1784 heiratete sie – einen Witwer, den salzburgischen Hofrath und Pfleger zu St. Gilgen, Johann Baptist Reichsfreiherrn v. Berchthold zu Sonnenburg, der ihr mehrere Stiefkinder zubrachte. Wie weit sie durch Neigung oder Ueberlegung zu dieser Ehe bestimmt worden ist, schreibt unser Gewährsmann, O. Jahn, ist nicht zu sagen, es wird versichert, daß sie in dieser Verbindung mit einem Gatten, der sie zwar hochgeschätzt, aber nicht eigentlich verstanden haben soll, nicht unzufrieden gelebt habe. Der Verkehr mit ihrem Bruder, der mittlerweile sich in Wien seßhaft gemacht und dort seine Constanze geheiratet, war nur auf wenige Briefe beschränkt, worüber sich Nannerl auch in einem Schreiben an ihren Bruder beklagt und dieser in einer Antwort darauf (ddo. 13. Februar 1782) sich standhaft rechtfertigt.

Erst mit dem Tode des Vaters Leopold, als es sich um die Erbschafts-Auseinandersetzung handelte, wechselten die Geschwister wiederum ein Paar Briefe. Und als Mozart gestorben, gab es gar keinen Verkehr zwischen beiden Frauen, der Schwester und Witwe Mozart's. Aus einem Briefe Maria Anna's an den Regierungsrath Sonleithner (ddo. 2. Juli 1819) geht hervor, daß sie seit 1801 keinen Brief von ihrer[293] Schwägerin erhalten hatte, von deren Kindern gar nichts wußte und ihre Weiderverheirathung mit dem Etatsrath v. Nissen nur durch Freunde erfahren hatte.

Im Jahr 1801 wurde Mozart's Schwester Witwe; der Baron Berchthold von Sonnenburg war in St. Gilgen gestorben und Maria Anna übersiedelte mit ihren Kindern Salzburg nach. Dort kehrte sie zu ihrer alten Beschäftigung zurück, zum Ertheilen des Unterrichts in Musik – aber nicht aus Noth, denn sie hatte, wenn eben kein reichliches, so doch bequemes Auskommen – vielmehr als zu einer aus ihrer Jugendzeit ihr liebgewordenen, ihren Musiksinn zunächst befriedigenden Gewohnheit. So lebte sie noch viele Jahre in Salzburg wo sie angesehen und beliebt war. Im Jahre 1820 hatte sie das Unglück zu erblinden, ertrug es aber mit Kraft und Fassung. Im Jahre 1829, am 29. October, starb sie, 78 Jahre alt, zu. Salzburg. Ob sie selbst mit ihrem Gatten, dem Baron Berchthold Kinder gehabt oder die Kinder nur aus seiner ersten Ehe herrührten, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Träger des Namens Berchthold von Sonnenburg sind noch vorhanden. Von einem ihrer Söhne oder Stiefsöhne stammt Henriette von Berchthold, welche mit einem Herrn Franz Forster (hie und da auch Forschter geschrieben), k.k. Verpflegsverwalter in Graz, vermält ist. In Salzburg aber sollen noch Berchthold's von Sonnenburg in dürftigen Verhältnissen leben.


Jahn (Otto), W.A. Mozart. 4 Theile (Leipzig, 1856 Breitkopf und Härtel 80.) I. Theil, 1. Beil. S. 130–145: »Lebensskizze« – 5. Beilage S. 623–650: Brief und Briefauszüge von Mozart an seine Schwester, aus dem Jahre 1770 (32), 1771 (12), 1772 (5), 1773 (3), 1774 (2) u. 1775 (2). – Schlichtegrolls[294] Nekrolog, Jahrg. 1791, II. Theil S. 86. – Neuer Nekrolog der Deutschen (Ilmenau 1831 u. 1832). VII. Jahrg., 2. Bd. S. 735 Nr. 349, und VIII. Jahrg., 1. Bd. S. 22 Nr. 8. – Rochlitz (Friedrich). Allgemeine musikalische Zeitung 1800, Nr. 17 [theilt sie Anecdoten aus dem Leben ihres Bruders Mozart mit]. – Schindel (K.W.O. Aug. v.), die deutschen Schriftstellerinen des 19. Jahrhunderts, 3 Bde. (Leipzig, 1825. 80.) Bd. III, S. 14. – Oesterreichische National-Encyklopädie (von Gräffer und Czikam), (Wien, 1835. 80.) I. Bd. S. 263. – Meyer (I.) das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen 1845 (erste Aufl.) Bibl.-Institut gr. 80.) Bd. IV, 4. Abthlg. S. 430). – Neues Universal-Lexikon der Tonkunst. Angefangen von Dr. Julius Schladebach, fortgesetzt von Eduard Bernsdorf (Dresden 1857, Rob. Schäfer, gr. 80.) Bd. II, S. 1038. – Jahn (Otto), Mozart (Leipzig 1856, gr. 80.) Bd. I, S. 25, und Beilage I, S. 133–145.

Auch ihr Porträt erscheint auf den Mozart'schen Familienbildern welche de Carmontelle in Paris,de la Croce in Salzburg gemalt, und wonach Leybold, Blasius Höfel, de la Fosse, Schieferdecker u.A. mehr oder minder gelungene Blätter in Stich und Lithographie ausgeführt haben.[295]

Quelle:
Mozart-Buch. Von Constantin von Wurzbach, Wien 1869, S. 290-296.
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