34. Der Zigeuner und der Wind

[254] Es ging einmal ein Zigeuner mit Kukuruz in einem Tröglein zur Mühle. Als er gemahlen hatte, ging er mit dem Mehl im Tröglein heimwärts. Da kam der Wind und verwehte ihm das Mehl. Bis er zu Hause ankam, war das Tröglein leer. Seine Frau zankte mit ihm, er aber sprach: »Laß nur sein, Frau, ich will's ihm schon zurückzahlen, daß sich der Wind nur verwundern soll.« Er ging zum Holz und hieb sich einen starken Stock und ging, des Windes Loch zu suchen. Als er es gefunden, schlug er in einem fort mit dem Stock ins Loch und zerhieb dem Wind alle Knochen. Darauf kam der Wind heraus und bat ihn, nicht mehr zu schlagen, er gäbe ihm auch eine Ziege. Wenn er zu ihr sage: »Ziege, spuck mir ein Geldstück aus«, dann spucke sie einmal, und das Geldstück falle ihr aus dem Mund. Gut, er nahm die Ziege und ging. Abends kam er in ein Wirtshaus, ging hinein und sprach zur Wirtin, sie solle ihm die Ziege gut versorgen und sich nicht unterstehen zu sagen: »Ziege, spuck mir ein Geldstück.« Als er schlief, ging sie in den Stall und sprach: »Ziege, spuck mir ein Geldstück.« Darauf spuckte die Ziege gleich einen Dukaten. Diese Frau versteckte sie und stellte an die Stelle ihre eigne.

Am Morgen nahm sie der Mann und ging nach Hause. »Siehst du, Frau, was mir der Wind gegeben?« Diese Ziege[254] spuckt Dukaten: »Ziege, spucke ein Geldstück!« Die Ziege stand und tat nichts. Dieser schrie noch einige Male, als dies nichts half, nahm er den Stock, mit welchem er den Wind geschlagen, und hieb in die Ziege, diese aber sprang über den Zaun und lief davon.

Der Mann wurde zornig und ging wieder zu des Windes Loch und hieb mit dem Stock hinein. »Na, du Mensch, was hast du wieder mit mir?« fragte der Wind. »Sieh, so und so hast du mich betrogen mit der Ziege, sie spuckt nicht ein Stück Geld!« – »Ich habe dich nicht betrogen, es hat dich jemand anders betrogen. Aber wenn auch, hier hast du ein Tüchlein, in allen vier Ecken mit Speisen. Wenn du sagst: ›Breite dich aus, mein Tüchlein, in vier Ecken mit Speisen‹, dann hast du zu essen und zu trinken, so viel du willst.« Der Mann bedankte sich und ging heimwärts. Als ihn der Abend auf der Straße überfiel, kehrte er wieder in dem Wirtshaus ein und gab der Wirtin das Tüchlein zum Versorgen über Nacht, aber sie solle es nicht wagen zu sagen zum Tüchlein: »Breite dich aus, mein Tüchlein, in allen vier Ecken mit Speisen.« Die Wirtin wartete, bis er schlief, dann nahm sie das Tüchlein und sprach: »Breite dich aus, mein Tüchlein, in allen vier Ecken mit Speisen.« Nur einmal dehnte sich das Tüchlein aus und hielt Speisen und Getränke aller Art, daß die Frau aß, bis sie fast zerplatzte. Dann versteckte sie das Tüchlein und gab ihm am nächsten Morgen ein anderes. Der nahm es und ging nach Hause. »Nun sieh, Frau, was mir der Wind gegeben.« Er zog das Tüchlein heraus, legte es auf den Tisch und sprach: »Breite dich aus, mein Tüchlein, in allen vier Ecken mit Speisen.« Das Tüchlein aber blieb ruhig liegen, so wie er es gelegt, und rührte sich nicht. Nun wurde dieser zornig, nahm das Tüchlein und zerriß es in zwei Teile, dann nahm er sich den Stock und ging wieder an des Windes Loch und hieb hinein. »Du Mensch,[255] warum haust du mich jetzt immer, habe ich dir denn das Mehl nicht genug bezahlt?« – »O ja, du hast es mir gegeben, aber sieh, so und so ist es mir ergangen«, und erzählte es ihm. »Laß sein, ich will dir jetzt noch einmal etwas geben. Hier hast du eine Peitsche, wenn du sagst: ›Peitsche peitsch mich‹, dann fährt sie dir über den Rücken, bis du ganz hin bist.« Dieser nahm sie und ging wieder bis zum Wirtshaus und gab sie der Wirtin zum Versorgen, sie solle aber nicht sagen: »Peitsche, peitsch mich.« Als er eingeschlafen, ging die Wirtin und sagte: »Peitsche, peitsch mich.« Darauf sprang sie auf ihren Rücken und peitschte sie und peitschte sie, daß sie in einem fort schrie: »tulai, tulai«, bis der Mann aufwachte und sah dann, was für eine Betrügerin die Wirtin war. Die Peitsche ruhte nicht, bis die Frau nicht rief: »Gib Ruhe, du bringst mich um, ich gebe dir die Ziege und das Tüchlein.« So erhielt er die Sachen alle, welche ihm der Wind gegeben, und ging damit nach Hause und hatte seitdem Geld und Speisen und Getränke, so viel er brauchte, und er arbeitete auch nicht mehr.

Von wo ich's gehört, von dort hab' ich's erzählt, und ich trat auf auf einen Nagel und sage nichts mehr, ich stieg auf ein Huhn, und dies schüttelte mich in den Kot, ich stieg auf einen Hahn, der schüttelte mich hinunter.


Ana Subțirel, Alzen

Quelle:
Schullerus, Pauline: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal. Bukarest: Kriterion 1977, S. 254-256.
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