Die ersten Zeitungsberichte

[77] Hatte ich meine Versuchsfahrten bis dahin mit besonderer Vorliebe weitab von der Stadt vorgenommen – auf dem Fabrikgelände oder draußen auf dem alten, einsamen Wall (Ringstraße), der damals noch um die Stadt Mannheim[77] sich herumzog und fast gar nicht begangen war –, so scheute ich vom Frühjahr 1886 ab die Menschen und ihre Kritik nicht mehr. Jetzt ist mir Dämmerung und Dunkelheit nicht mehr die liebste Zeit zum Üben und Proben. Jetzt tauchte ich auch mit meinem Wagen auf Straßen und Plätzen der Stadt auf, selbst da, wo sie am verkehrsreichsten sind.

So wird der neue Wagen in der breiteren Öffentlichkeit rasch bekannt. Es kommen die ersten Zeitungsnotizen. In einer davon heißt es (Neue Badische Landeszeitung vom 4. Juni 1886):

»Für Velocipedsportsreunde dürfte es von hohem Interesse sein, zu erfahren, daß ein großer Fortschritt auf diesem Gebiete durch eine neue Erfindung, welche von der hiesigen Firma Benz & Co. gemacht, zu verzeichnen ist. Gegenwärtig wird in genanntem Geschäft, welches sich übrigens auch durch die Fabrikation von Gasmotoren mit neuer patentierter Zündvorrichtung bereits einen geachteten Namen und großen Wirkungskreis verschafft hat, ein dreirädriges Velociped, welches durch einen Motor, der in der Konstruktion den Gasmotoren gleichkommt, getrieben wird, gebaut. Der Motor, dessen Zylinderweite 9 cm beträgt und zwischen den beiden hinteren Laufrädern auf Federn über der Radachse placiert ist, repräsentiert trotz seiner Zierlichkeit annähernd eine Pferdekraft und macht 300 Touren in der Minute, wodurch die Geschwindigkeit des Fahrzeuges bis zu der eines gewöhnlichen Personenzuges gesteigert werden kann. Über dem Motor, der durch eine Gasart, dem Ligroin, welches in einem Reservoir enthalten ist und für längere Zeit reicht, getrieben wird, befindet sich der ebenfalls auf doppelten Federn angebrachte Sitz für zwei Personen, vor[78] demselben der Lenk- und Bremshebel. Durch einen andern Hebel wird das Fahrzeug nach Belieben in Bewegung gesetzt oder angehalten, indem derselbe den Riemen, welcher die bewegende Kraft des Motors den Laufrädern mitteilt, auf die lose oder feste Riemenscheibe leitet. Das ganze Gefährt ist nicht viel größer als ein gewöhnliches Tricycle und macht einen sehr gefälligen und eleganten Eindruck. Es ist nicht zu bezweifeln, daß dieses Motoren-Velociped sich bald zahlreiche Freunde erwerben wird, da es sich voraussichtlich für Ärzte, Reisende und Sportsfreunde usw. als äußerst praktisch und brauchbar erweisen wird.«

Neue Badische Landeszeitung vom 3. Juli 1886, Nr. 326:

»Ein mittels Ligroingas zu treibendes Veloziped, welches in der Rheinischen Gasmotorenfabrik von Benz & Co. konstruiert wurde und worüber wir schon an dieser Stelle berichteten, wurde heute früh auf der Ringstraße probiert und soll die Probe zufriedenstellend ausgefallen sein.«

Täglich kann man fortan den Wagen fahren sehen von der alten Fabrik hinüber über den Neckar zum Neubau in der Waldhofstraße. Hier wird der Wagenmotor gleichzeitig als Arbeitsmotor in den Dienst gespannt: Er muß Wasser in das Gasometerbassin pumpen.

Aber nicht nur in der Stadt, auch draußen auf dem Lande hatten jetzt die Leute Gelegenheit, den ersten betriebsfähigen Kraftwagen kennenzulernen. Mit einer Geschwindigkeit von zehn bis sechzehn Kilometern machte er gar häufig seine »Tourenfahrten« von Ort zu Ort in der Mannheimer Umgebung.

Bald war er in seinem Heim – der Ur-»Autogarage« – nicht mehr allein. Mehrere neuentstandene Modellwagen[79] des Jahres 1886 traten wetteifernd neben ihn und leiteten damit eine neue Zeit ein, die Zeit der fabrikationsmäßigen Herstellung und der wirtschaftlichen Auswertung. Unterm 5. September 1886 gibt der »Generalanzeiger der Stadt Mannheim« in einem längeren Artikel nach dieser Richtung folgenden beachtenswerten Fingerzeig:

»Straßenwagen mit Gasmotorenbetrieb. Wir haben schon früher mitgeteilt, daß Herr C. Benz, Mitinhaber der Rheinischen Gasmotorenfabrik Benz & Cie. und Erfinder der Gasmotoren mit elektrischer Zündung, einen Straßenwagen konstruiert, der mittels Gasmotor bewegt wird, und sich diese Erfindung patentieren ließ. Wir sahen das erste Vehikel entstehen und sahen es bereits schon vor Monaten in Betrieb. Schon bei dem ersten Versuch wurde uns die Gewißheit, daß durch die Benzsche Erfindung ein Problem gelöst sei, mittels elementarer Kraft einen Straßenwagen herzustellen. Jedoch stellten sich, wie dies ja auch nicht anders erwartet werden konnte, noch viele Mängel ein, die durch fortgesetzte Versuche und Verbesserungen abzustellen waren. Diese Arbeit, ebenso schwierig wie die Erfindung selbst, darf nun als abgeschlossen betrachtet werden, und Herr Benz wird nunmehr mit dem Bau solcher Fuhrwerke, für den praktischen Gebrauch berechnet, beginnen ... Wir glauben, daß dieses Fuhrwerk eine gute Zukunft haben wird, weil dasselbe ohne viele Umstände in Gebrauch gesetzt werden kann und weil es bei möglichster Schnelligkeit das billigste Beförderungsmittel für Geschäftsreisende, eventuell auch für Touristen werden wird.«[80]

Nicht nur Tagesblätter, auch wissenschaftliche Zeitschriften machen jetzt auf die Bedeutung des Benzmotors und der Benzwagen aufmerksam. So schreibt aus dem Berichtsjahr 1886 das Wildermannsche »Jahrbuch der Naturwissenschaften« (Band II, S. 137):

»Der Motor von Benz & Co. ist dagegen nicht bloß für Schiffe, sondern auch für Wagen und speziell Fahrräder (Velozipede) berechnet. Getrieben wird der Kolben durch die Explosion eines Gemenges von Luft und Ligroingas, welches in einem mitgeführten Apparat nahezu selbsttätig, also ohne besondere Beaufsichtigung seitens des Fahrers, erzeugt wird.«

Quelle:
Benz, Carl Friedrich: Lebensfahrt eines deutschen Erfinders. Die Erfindung des Automobils, Erinnerungen eines Achtzigjährigen. Leipzig 1936, S. 77-81.
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