Die Notwendigkeit eines leichten, schnellaufenden Motors

[53] Der Schwerpunkt der Gesamtausgabe lag im Bau eines brauchbaren Motors. Dieser neue Motor sollte das Zeug haben, alle bisherigen Antriebsarten für Straßenfahrzeuge aus dem Felde zu schlagen, den Menschen, das Tier und die Dampfmaschine. Was er für Haupteigenschaften haben müsse, das war mir schon seit vielen Jahren klar:[53]

1. mußte der Motor leicht sein, und zwar ganz wesentlich leichter als die damals bekannten ortsfesten Gasmotoren, die selbst bei kleineren Leistungen noch ein sehr hohes Gewicht hatten.

2. mußte der Motor mit höherer Umdrehungszahl laufen, um eine größere Leistung abzugeben. Die damaligen ortsfesten Gasmotoren mit ihren großen Abmessungen von Kolben und Schwungrad machten meistens nur 120 bis 130 Umdrehungen in der Minute.

Die Verminderung des Motorgewichtes und die Erhöhung seiner Drehzahl waren die Losung für den Bau des neuen Fahrzeugmotors. Man sieht, daß die heutigen Anforderungen an einen Kraftfahrzeugmotor schon in der Geburtsstunde des ersten Automobils gestellt wurden. Immer hieß die Losung sur solche Motoren, daß sie Zwerge an Gewicht und Riesen in der Leistung sein sollten.

Ein Motor mit einem Kolbenlauf von 150 mm und einer Zylinderbohrung von 90 mm war das Versuchskaninchen. Bei seiner Erprobung ergab sich eine Leistung von 2/3PS bei 450 Umdrehungen in der Minute. Ich ließ diesen Motor im Gegensatz zu meinen ortsfesten Zweitakt-Motoren als Viertakter arbeiten, und zwar nach einem Prinzip, das auf dem Gebiet der ortsfesten Gasmotoren Reithmann und Otto zuerst praktisch ausgeführt hatten.

Fast alle Automobilmotoren arbeiten heute noch, nach mehr als 40 Jahren, nach demselben Viertaktprinzip.

Die folgende Skizze (Abb. 7) verdeutlicht die Arbeitsweise dieses Motors. Im ersten Takt zieht der Kolben durch das geöffnete Einlaßventil E das explosible Benzingas-Luftgemisch ein, weshalb man diesen Takt den »Saughub«[54] nennt. Bei der Umkehr des Kolbens am unteren Totpunkt schließt sich das Einlaßventil. Während des Aufwärtsgleitens preßt der Kolben das vorher eingesaugte Gasluftgemisch stark zusammen. Diesen zweiten Takt nennt man den Kompressions- oder Verdichtungshub. Sobald der Kolben den oberen Totpunkt erreicht und das Gasgemisch dadurch auf ein möglichst kleines Volumen zusammengedrückt hat, muß die Zündung erfolgen. Ein elektrischer Funken, dessen Erzeugung einen ganzen Fragenkomplex für sich umschließt, bringt das Gasgemisch zur Explosion. Der entstehende hohe Verbrennungsdruck treibt den Kolben wieder abwärts. Der dritte Takt ist also der »Arbeitshub«. Beim erneuten Aufwärtsgang des Kolbens im vierten Takt öffnet sich das Auslaßventil A, durch welches die verbrannten Gase den Zylinder verlassen. Bei diesem Viertaktmotor leistet also von vier Kolbenhüben nur der dritte Arbeit. Die übrigen Kolbenhübe wirken gleichsam bremsend, denn die Arbeit für das Ansaugen, Verdichten und Ausblasen muß der in dem kreisenden Schwungrad aufgespeicherten Energie entnommen werden.

Mancher wird sich fragen, warum ich den für ein Fahrzeug[55] bestimmten Motor im Viertakt und nicht im Zweitakt laufen ließ. Nach dem Urteil der Fachwelt konnte ich doch schließlich den Benzschen Zweitaktmotor als eine der besten Lösungen des an und für sich schwierigen Problems der »Zweitaktmaschinen« ansehen. Er hatte auch für damalige Verhältnisse einen recht günstigen Verbrauch, war aber erheblich komplizierter als der Viertaktmotor und konnte daher der ersten wichtigen Anforderung an einen Fahrzeugmotor, die Verminderung des Gewichts, nicht so leicht entsprechen wie ein Viertaktmotor. Aus diesem Grunde wählte ich den Viertaktmotor zum Antrieb meines Wagens, obwohl ich für stationäre Zwecke noch lange meine Zweitaktmotoren baute.

Quelle:
Benz, Carl Friedrich: Lebensfahrt eines deutschen Erfinders. Die Erfindung des Automobils, Erinnerungen eines Achtzigjährigen. Leipzig 1936, S. 53-56.
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