Seepapagei (Scarus cretensis)

[170] Unter dem bezeichnenden Namen Papageifische (Scarina) begreift man Lippfische, welche ebensosehr durch die Eigenthümlichkeit ihres Gebisses als die Schönheit ihrer Schuppen und die Pracht ihrer Farben auffallen. Sie tragen im allgemeinen das Gepräge der Lippfische im engeren Sinne, unterscheiden sich von ihnen aber durch die Bildung des Maules. Die Zwischenkiefer- und Kinnladenknochen bilden gebogene und abgerundete Kiefer, auf deren Rande und äußerer Fläche die Zähne wie Schuppen angesetzt erscheinen, weil sie so dicht mit einander verwachsen, daß sie gleichsam nur eine einzige Schuppenplatte bilden. Sie folgen sich von hinten nach vorn, derart, daß man die am Rande der Kinnlade stehenden als die entwickelten ansehen kann, welche später, wenn die dahinter liegende Reihe sich ausbildet, fortgestoßen werden. Fleischige Lappen bedecken den größten Theil dieses sonderbaren, durch zwei mit Querplättchen besetzte, am Schlunde stehende Schilder noch wesentlich verstärkten Gebisses. Die Sippe gehört den Meeren des heißen Gürtels an und wird in den europäischen Gewässern durch wenige Arten, namentlich den Seepapagei (Scarus cretensis, rubigunosus, mutabilis und canariensis, Labrus cretensis), vertreten. Seine Gestalt ist länglichrund, der eines kräftigen Karpfens nicht unähnlich, nur daß die Schwanzflosse bedeutend größer erscheint; der Kopf rundet sich zur stumpfen Schnauze zu; der Mund ist klein; die Kinnladen werden bis auf die Zähne von den dünnen, doppelt erscheinenden Lippen bedeckt. Stirne, Schnauze und Mundgegend sind unbeschuppt, Backen, Kiemen und der übrige Leib mit großen, eiförmigen, abgerundeten, glattrandigen, längs des Rumpfes in acht Längsreihen geordneten Schuppen bekleidet. Der Rücken ist purpurroth, die Seite auf rosenrothem Grunde violett, weil die Mitte jeder Schuppe diese Färbung zeigt; Brust- und Bauchflossen sind orangegelb, letztere mit veilchenblauen Linien gezeichnet; die Rücken- wie die Afterflosse zeigt auf graulichviolettem Grunde morgenrothe Flecke, die Schwanzflosse außerdem noch einen weißen Saum am Rande. In der Rückenflosse finden sich neun und zehn, in der Brustflosse zwölf, in der Bauchflosse ein und fünf, in der Afterflosse zwei und neun, in der Schwanzflosse dreizehn Strahlen. Die Länge beträgt etwa vierzig Centimeter.

Das griechische Inselmeer ist die Heimat des Seepapageies; an den italienischen Küsten soll er sich nicht mehr finden, obgleich er früher dort häufig gewesen sein muß. Plinius sagt von ihm: »Jetzt spricht man dem Papageifische, welcher allein unter seinen Klassenverwandten wiederkäuen und von Meerespflanzen, nicht von Fischen leben soll, den höchsten Rang zu. Von selbst geht er nicht über das Vorgebirge von Troja hinaus; deswegen hat Tiberius Claudius den Optatus mit Schiffen ausgesandt, um solche Fische zu holen und sie an der Küste von Kampanien auszusetzen. Auf diese Weise hat man fünf Jahre lang derartige gefangene Fische wieder ins Meer geworfen; seitdem findet man sie häufig an der Küste von Italien, wo vorher keine gefangen worden. So hat sich der Gaumen an dem Fische Abwechselung des Geschmackes genug zu verschaffen gewußt, und man hat dem Meere einen neuen Bewohner gegeben, damit man sich nicht wundere, daß nur fremde Vögel in Rom sich fortpflanzen«. Außerdem berichten die Alten, daß sich die Papageifische einander sehr lieben, gegenseitig aus den Netzen helfen, indem derjenige, welcher gefangen, in den ihm dargereichten Schwanz eines anderen beiße und so herausgezogen werde, daß man sie fangen könne, wenn man einen Roggener an eine Schnur binde und ihn im Meere umherschwimmen lasse, damit sich um ihn die Milchner sammeln und gefangen würden, und ähnliches mehr. Sein Fleisch wurde von den alten Feinschmeckern ebensowenig geschätzt wie das anderer Lippfische; Martial wenigstens singt:


»Der von den Wellen des Meeres geschwächt ankommende Scarus

Ist an der Leber nur gut, sonst von recht schlechtem Geschmack«.


Aus den neueren Beobachtungen geht ungefähr folgendes hervor: Alle Arten der Gruppe, welcher man den Rang einer Unterfamilie kaum zusprechen darf, leben, wie die übrigen Lippfische, an felsigen Küsten und halten sich hier in Spalten und Ritzen unterseeischer Felsen, da wo Korallenrisse vorkommen, zwischen diesen, insbesondere in tiefen Klippenbrunnen in der Nähe des Abhanges [171] auf. Auch sie sind äußerst gesellig und kommen einzeln kaum oder doch nur selten vor. Mit der Flut erheben sie sich aus ihrer sichernden Tiefe, um auf der überströmten Klippe oder am Ufer zu weiden. Ihre Nahrung, welche wenigstens größtentheils aus Pflanzenstoffen zu bestehen scheint, erwerben sie sich, indem sie sich senkrecht, mit dem Kopfe nach unten, stellen, um so von dem Geselse abzulesen oder abzupflücken. Bei ihrem Erscheinen in seichtem Wasser fängt man sie mit dem Ringnetze oder erbeutet sie mit Hülfe des Fischspießes. Ihr Fleisch ist nicht gerade schlecht, aber weich, eignet sich also mehr zum Backen oder Rösten als zum Kochen, wird daher wenig verlangt und stets billig verkauft. Auch gegenwärtig schätzt man die Leber höher als das übrige Fleisch. Am Rothen Meere werden die dort lebenden Papageifische oft eingesalzen, getrocknet und so versendet, ihnen aus diesem Grunde auch eifriger nachgestellt als in anderen Meeren. Nach längerer Abwesenheit kommen in den dortigen Häfen oft Fischerboote an, welche ausschließlich und vollständig mit aufgeschnittenen und eingesalzenen Papageifischen beladen sind.

Während der Weltausstellung des Jahres 1867 hat man einen dieser prachtvollen Fische in Paris lebend gezeigt, ihn jedoch nur wenige Tage lang bei gutem Wohlsein erhalten können, möglicherweise, weil man nicht im Stande war, ihm geeignete Nahrung zu bieten.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 170-173.
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