Hecht (Esox lucius)

[248] Alle hierher gehörigen Arten, etwa zehn an der Zahl, bewohnen das Süßwasser, und die meisten von ihnen, welche zu der einen Sippe zählen, führen annähernd dieselbe Lebensweise wie unser Hecht, Heckt, Schnöck, Schnock und Wasserwolf (Esox lucius und boreus), der gefürchtetste Räuber der europäischen Seen und Flüsse, der »Haider Binnengewässer«. Die Sippe, welche er vertritt, kennzeichnet sich durch vollständige Bezahnung und kleine, festsitzende Schuppen; die Nebenkiemen sind unsichtbar, die Bauchflossen in der Mitte des Bauches, die Rücken-und Afterflosse am Ende des Leibes unweit der sehr großen, etwas in der Mitte ausgeschnittenen Schwanzflosse angesetzt. Besonders bezeichnend für den Hecht sind außerdem der niedergedrückte Kopf und die breitschnäblige, weit gespaltene Schnauze. In Färbung und Zeichnung ändert unser Fisch außerordentlich ab, und es läßt sich im allgemeinen nur angeben, daß der Rücken schwärzlich, die Seite grau und der Bauch weiß, ersterer mehr oder weniger gleichfarbig, die Seite in Gestalt von Marmel- oder Querflecken gezeichnet und der Bauch mit schwarzen Tüpfeln besetzt ist. Brust- und Bauchflossen sehen röthlich, Rücken- und Afterflosse bräunlich aus; die Schwanzflosse trägt am oberen Rande gewöhnlich schwarze Flecke. In der Rückenflosse zählt man sieben bis acht und dreizehn bis funfzehn, in der Bauchflosse einen und acht, in der Afterflosse vier bis fünf und zwölf bis dreizehn, [248] in der Schwanzflosse neunzehn Strahlen. An Länge gibt der Hecht keinem Lachsfische, an Gewicht höchstens dem Lachse und Huchen etwas nach; seine Länge kann bis zwei Meter, sein Gewicht bis zu fünfunddreißig Kilogramm ansteigen, obschon Hechte von einhundertunddreißig Centimeter Länge und fünfundzwanzig Kilogramm Gewicht als seltene Erscheinungen bezeichnet werden müssen.

Mit Ausnahme von Island und, wie behauptet wird, von Spanien findet sich der Hecht in allen Süßgewässern Europas, hier und da wohl auch in der See, laut Pallas, ebenso im Kaspischen wie im Eismeere, nach unseren Erfahrungen mindestens im unteren Ob. In den Alpen steigt er bis zu funfzehnhundert Meter unbedingter Höhe, in den Gebirgen des südlichen Europa wohl noch höher empor. Selten ist er nirgends, in den meisten Gegenden vielmehr häufig, kaum irgend sonstwo aber so gemein wie im Ob und seinen Zuflüssen, welche für ihn alle Bedingungen zum Wohlleben in sich vereinigen. Er weiß sich aber auch je nach des Ortes Gelegenheit einzurichten und scheint sich in einem seichten, sumpfigen Gewässer ebenso wohl zu fühlen wie in einem tiefen, klaren See. Kraft und Gewandtheit im Schwimmen, bemerkenswerthe Sinnesschärfe und ungewöhnliche Raubsucht sind seine hervorstechendsten Eigenschaften. Er durchschwimmt, vorwärts getrieben von dem mächtigen Ruder, an dessen Bildung Rücken- und Afterflos se theilnehmen, wie ein Pfeil die Wogen, lugt scharf nach allen Seiten hin und stürzt sich auf die Beute mit einer fast unfehlbaren Sicherheit. Seine Gefräßigkeit übertrifft die aller anderen Süßwasserfische. Ihm ist nichts zu schlecht. Er verschlingt Fische aller Art, seinesgleichen nicht ausgenommen, außerdem Frösche, Vögel und Säugethiere, welche er mit seinem weit geöffneten Rachen umspannen kann, packt, wie eine in England angestellte Beobachtung beweist, den untergetauchten Kopf des Schwanes, läßt nicht los, so viel auch der stolze und kräftige Vogel sich sträuben mag, und erwürgt ihn, kämpft mit dem Fischotter, schnappt nach dem Fuße oder der Hand der im Wasser stehenden oder sich waschenden Magd, vergreist sich in blinder Gier sogar an größeren Säugethieren. »Zu Zeiten hat es sich begeben«, erzählt Geßner, »daß einer ein Maulthier in den Rotten getrieben hat zu trinken: als nun das Maulthier oder Maulesel getrunken, hat ein Hecht jm sein vnder Lefftzen erbissen, also daß das Maulthier erschrocken von dem Wasser geflohen, den Hecht an der Lefftzen herausgezogen vnd abgeschüttelt hat, welcher vom Maultreiber lebendig gefangen vnd heym getragen worden.« Junge Gänse, Enten, Wasserhühner und dergleichen hat man oft in seinem Magen gefunden, auch Schlangen, nicht aber Kröten. Fische mit stacheligen Rückenflossen, wie den Barsch, verschluckt er nicht sogleich, sondern hält sie zwischen den Zähnen, bis sie todt sind; den Stichling dagegen läßt er ruhig um sich spielen und wagt nicht, ihn anzugreifen, hat auch Ursache zu solcher Vorsicht: denn Bloch fand einen jungen, unerfahrenen Hecht mit einem Stichlinge im Maule, dessen Rückenstachel den Gaumen durchbohrt hatte und bei den Nasenlöchern hervorragte. Von der Nahrungsmenge, welche der Hecht verbraucht, gewinnt man erst eine Vorstellung, wenn man den Räuber in Gefangenschaft hält und seinem ewigen Heißhunger zu genügen sucht. »Acht Hechte«, erzählt Jesse, »jeder von etwa zwei Kilogramm Gewicht, verbrauchten binnen drei Wochen gegen achthundert Gründlinge. Ihre Freßlust war geradezu unersättlich. Eines Morgens warf ich einem von ihnen nach einander fünf etwa zehn Centimeter lange Plötzen vor. Er verschlang vier von diesen, packte auch die fünfte, bewahrte sie eine Zeitlang in seinem Rachen und ließ sie sodann ebenfalls verschwinden.« Kein Wunder, daß das Wachsthum dieser Thiere bei solcher Gefräßigkeit ungemein fördert, daß sie bereits im ersten Jahre ein, im folgenden bis zwei, bei genügender Nahrung sogar bis vier oder fünf Kilogramm erreichen.

Ihre Laichzeit fällt in die ersten Monate des Frühjahres, beginnt oft bereits im Anfange des März, kann sich aber auch bis zum Mai verzögern. Beeinflußt von dem Fortpflanzungstriebe, ist der sonst ziemlich vorsichtige Hecht taub und blind und läßt sich mit den Händen fangen. In einem Weibchen von vier Kilogramm Gewicht hat man gegen einhundertundfunfzigtausend Eier gezählt. Diese werden auf seichten, mit Rohre und anderen Wasserpflanzen bewachsenen Stellen der Gewässer abgelegt und sind bereits nach wenigen Tagen gezeitigt. Von den Jungen findet ein guter Theil [249] in dem Magen älterer Hechte ihr Grab, ein anderer, vielleicht kaum geringerer, fällt den Geschwistern zum Opfer, welche um so schneller heranwachsen, je mehr sie Nahrung finden. Man sagt, daß sie ein sehr hohes Alter erreichen können: frühere Schriftsteller sprechen von Hechten, welche über einhundert Jahre alt geworden sein sollen.

Zu der Römer Zeiten stand das Fleisch des Hechtes in geringem Ansehen:


»Hier auch hauset, belacht ob der römischen Mannesbenamung,

Stehender Teiche Bewohner, der Erbfeind klagender Frösche,

Lucius oder der Hecht, in Löchern, die Röhricht und Schlamm rings

Dunkelnd unwölbt; er, nimmer gewählt zum Gebrauche der Tafeln,

Brodelt, wo mit ekelem Qualm Garküchen verdumpft sind«,


so läßt sich Ausonius über ihn vernehmen. In späterer Zeit gewann man andere Anschauung, und jahrhundertelang galt, in England wenigstens, das Fleisch des Hechtes für besser als das des Lachses. Auch gegenwärtig noch hält man einen gut zubereiteten Hecht in Ehren, bezahlt das Kilogramm seines Fleisches mit vierzig Pfennigen bis zwei Mark und selbst noch höher und verfolgt den Raubfisch dementsprechend nicht bloß des Schadens halber, welchen er anrichtet.

Verschieden ist die Art und Weise des Fanges. Außer Netz und Reuse wendet man hauptsächlich die Angel an, am liebsten die sogenannte Schmeißangel. Ich will diesen Fang Karl Müller beschreiben lassen. »Die Einrichtung der Schmeißangel ist sehr einfach. Den Stock bildet eine starke Bohnenstange; die Schnur ist ebenfalls stark, wenn auch nicht allzu dick und wird vor dem Gebrauche mehrere Tage in Leinöl getränkt; der Haken ist einöhrig, gedrungen und scharf. Einige Bleiplättchen sind zwischen dem Korkstopfen und dem Haken um die Schnur festgedrückt, so daß der Köder in der Tiefe bleiben muß. Als solcher wird ein Fischchen von fünf bis acht Centimeter Länge derart befestigt, daß die Spitze des Hakens zur Seite, nahe dem Rücken unter der Haut hin bis in die Gegend des Kopfes geschoben und hier wieder bis hinter dem Widerhaken herausgehoben wird. Je nach der Tiefe der Stelle senkt man den Köder von einem bis zwei Meter. Das Fischchen schwimmt unten im Kreise umher, sucht aber naturgemäß unter der Uferwand oder im Schilfe sich zu verbergen. Darum muß der Angler an einem Plätzchen einwerfen, wo dies nicht leicht geschehen kann. Am besten eignen sich Brassen, welche, ihrer Gewohnheit gemäß, in der Tiefe bleiben; desgleichen sind Rothaugen zu empfehlen; andere Karpfenarten dagegen streben nach der Oberfläche und dauern selten so lange aus wie jene. Um eine größere Strecke des Ufers abfischen zu können, muß man für einen Behälter sorgen, den man über die Hälfte mit Wasser füllt und mit einer entsprechenden Anzahl kleiner Fische versieht; denn nur an besonders geeigneten Plätzen lassen sich solche Köderfischchen fangen.

So ausgerüstet, steuern wir dem Flußufer zu. Vor zehn Uhr morgens brauchen wir nicht aufzubrechen, vor nachmittags drei Uhr ebensowenig; denn der Hecht beißt am liebsten gegen Mittag und Abend an. Denken wir uns, es sei Herbst, zu Anfange des Oktober, um welche Zeit der Fisch die tiefen, ruhigen Stellen bereits aufgesucht hat. Eine solche Stelle wählen wir zum Fange. Leise und vorsichtig schleichen wir uns an, die Stange in der rechten, den Haken mit dem Köderfischchen in der linken Hand. Gut zielend, setze ich ein, indem ich dabei plätscherndes Geräusch vermeide. Kaum liegt der Kork auf dem Wasser, so wird er auch schon hastig untergerissen; ich aber, ein so rasch erfolgendes Anbeißen nicht vermuthend, verspäte mich ein wenig und hebe aus, nachdem der Fisch vom Haken abgerissen ist. Ein zweiter wird angehängt. Diesmal verwende ich kein Auge von dem Korke, und meine Arme sind zum Ausheben gespannt. Es dauert zwei bis drei Minuten, und das Fischchen zieht immer noch seine ruhigen Kreise. Jetzt aber wird es unruhig; das ist das Zeichen, daß der lüsterne Räuber naht. Der Kork taucht unter, und in demselben Augenblicke hebe ich die Stange; ich fühle den Widerstand eines bedeutenden Hechtes; schon sehe ich ihn zur Hälfte über dem Wasser; da schlägt er mit dem Schwanze, und der Haken bricht entzwei. Fort ist der Räuber, um nicht so bald wieder anzubeißen.

[250] Ein neuer Haken und ein frisches Fischchen muß herbei. Versuchen wir es noch einmal an derselben Stelle. Eine Viertelstunde vergeht. Eben will ich ausheben, um zwanzig Schritte weiter einzusetzen; da reißt der Kork unter, und, glücklich geschmissen, fährt ein Vierpfünder über unsere Häupter hinweg aus dem Wasser und stürzt weit hinter uns mit lautem Anpralle zu Boden. Der Haken sitzt, wie gewöhnlich, unmittelbar am Maulrande fest. Haben wir Glück, und sind die Hechte beißlustig, so machen wir noch gute Beute. So ein Alterweibersommertag bei leisem Süd oder Südwest, das ist die rechte Gunst des Himmels für den Hechtangler. Habe ich doch in Gemeinschaft mit meinem Vater im Oktober des Jahres 1859 acht Kilogramm Hechte in einem Tage geschmissen! Damals durften wir einsetzen, wo wir wollten, die Hechte zogen hinunter und fuhren heraus wie nie vorher.

Im Frühjahre ist es umgekehrt; dann geht der Hecht aus der Tiefe den mehr seichteren Stellen zu, namentlich aber liebt er um diese Zeit die Krümmungen und Vorsprünge der Ufer, wo er nahe an den berieselten Gewässern und der lebhafteren Strömung auf Raub lauern kann. Auch setzt man um diese Zeit schon um die Mitte oder zu Ende des März am Ein- oder Ausflusse der Gräben sowie in den Mühlbächen ein, wo sich der Hecht bis in die Nähe der Räder begibt. Im Sommer hat mein Vater an ganz seichten Stellen, an denen er den Hecht rauben sah, ja sogar mitten in der Strömung mit bestem Erfolge eingesetzt: das aber will verstanden sein.«

In der Schweiz pflegt man, laut Tschudi, die Hechte während der Laichzeit zu schießen. »Früh vor Sonnenaufgang sieht man noch einzelne Feuer der übernachtenden Fischer und Jäger. Ehe der Tag anbricht, umstreifen diese das Seebecken bis zum hohen Mittage, den Stutzen oder die mit mehreren kleinen Kugeln geladene Flinte gegen den Wasserspiegel gesenkt. Bald bemerken sie eine leise, strichartige Bewegung in den klaren Wellen: der Hecht zieht wenige Centimeter unter der Oberfläche langsam dem Röhrichte zu, um zu laichen. Der Jäger feuert, indem er das Gesetz der Strahlenbrechung im Wasser beachtet und etwa eine Hand breit vorhält. Selten verwundet die Kugel, welche im Wasser ihre Kraft theilweise verliert, den Fisch; Krachen und Wasserschwall aber betäuben ihn, daß er einige Zeit auf dem Rücken liegt und dann rasch mit einem Aste ans Ufer gefischt und getödtet werden kann.«

Zur Teichwirtschaft eignet sich der Hecht vorzüglich, vorausgesetzt, daß man ihn da unterbringt, wo er nicht schaden kann, oder ihm genügenden Vorrath an Fischen gewährt. Er verträgt hartes wie weiches Wasser, darf jedoch nicht während der Laichzeit eingesetzt werden, weil er zu dieser Zeit leicht absteht. In Karpfenteichen hält man ihn, wie wir gesehen, damit er die trägen Karpfen aufrührt; doch muß man vorsichtig sein und nur kleine Hechte einsetzen, welche nicht schaden können, beim Ausfischen des Teiches auch sorgfältig sie aufsuchen und entfernen. »Vor wenigen Jahren«, erzählt Lenz, »ward ein Hecht beim Ausfischen in einem Teiche nicht gefunden. Man nahm an, es sei keiner mehr darin, und brachte neue Karpfensätze ins Wasser. Als nach zwei Jahren der Teich gefischt wurde, waren nur sehr wenig Karpfen in ihm übrig; dagegen fand sich der Hecht vor, groß und wohlgenährt und mit einem entsetzlich großen Maule. Er hatte einen Karpfen nach dem anderen verschluckt und, da sie doch für seine Größe zu dick waren, bei der Arbeit seinen Rachen auf eine ganz unnatürliche Weise erweitert.«

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 248-251.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Jean Paul

Die wunderbare Gesellschaft in der Neujahrsnacht / Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz. Zwei Erzählungen

Die wunderbare Gesellschaft in der Neujahrsnacht / Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz. Zwei Erzählungen

Zwei satirische Erzählungen über menschliche Schwächen.

76 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon