Schellfisch (Gadus aeglefinus)

[179] Der Schellfisch (Gadus aeglefinus, Morrhua aeglefinus und punctatus, Asellus minor; Abbildung auf Seite 176) unterscheidet sich vom Kabeljau durch geringere Größe, gestrecktere Gestalt und spitzigere erste Rückenflosse sowie durch die Färbung. Seine Länge beträgt funfzig bis sechzig Centimeter; sein Gewicht kann bis acht Kilogramm erreichen. Die Färbung des Rückens ist bräunlich, die der Seiten silbergrau; die Seitenlinie und ein Fleck zwischen Brustflosse und erster Rückenflosse sehen schwarz aus. Die erste Rückenflosse spannen funfzehn, die zweite einundzwanzig, die dritte neunzehn, die Brustflosse achtzehn, die Bauchflosse sechs, die erste Afterflosse vierundzwanzig, die zweite achtzehn, die Schwanzflosse fünfundzwanzig Strahlen.

In der Nordsee ist der Schellfisch nirgends selten, in den meisten Gegenden sogar sehr häufig; in der Ostsee dagegen wird er nur selten und bloß im Süden, etwa bis Kiel hinab, also nur in verhältnismäßig stark salzigem Wasser angetroffen. Auch er vereinigt sich zu unschätzbaren Haufen und scheint beständig auf der Wanderung zu sein, weil er, wie die Vierfüßler einen Theil des Landes, einen gewissen Meeresgrund vollständig leeren, d.h. alle auf ihm festsitzenden, für ihn geeigneten Schal- und Weichthiere aufzehren und die kleinen Fische, welche nächst diesen seine Nahrung bilden, verscheuchen kann. An den friesischen Küsten findet er sich in den Monaten März bis Mai ein, verweilt hier vielleicht auch bis zum Anfange des Juli, verschwindet sodann, zweifellos, um die heiße Jahreszeit in dem kühleren Wasser einer Tiefe von mehr als zwanzig Faden zu verbringen, und zeigt sich dann vom Anfange des Oktober an wiederum auf den Plätzen, welche man als seine Aufenthaltsorte kennen gelernt hat, um hier bis zum Januar zu leben. Gewöhnlich nähert er sich der Küste höchstens bis auf vier bis fünf Seemeilen Entfernung; im Februar und März, seiner Laichzeit, aber besucht er auch die Gewässer hart am Strande und wird dann in großer Anzahl gefangen. Auf den Fischmärkten Norddeutschlands, Hollands, Norwegens, Großbritanniens und Nordwestfrankreichs fehlt er nie; für unsere Meere hat keine Art seiner Familie größere Bedeutung als er. Zwar klagen die Fischer unserer Nordseeküste, die heutige Zeit mit der vergangenen vergleichend, über merkliche Abnahme auch dieser Art; indessen werden noch alljährlich allein von Emden aus immerhin gegen zweimalhunderttausend Kilogramm Schellfische im Werthe von etwa fünfundsiebzigtausend Mark versendet, und wenn unsere deutschen Fischer nicht so viel Ausbeute gewinnen, wie in früheren Jahren der Fall gewesen sein mag, liegt der Hauptgrund darin, daß wir englischen Fahrzeugen gestatten, in unseren Gewässern zu fischen.

Zum Fange des Schellfisches gebraucht man in der Nordsee ebenfalls hauptsächlich die Grundleine und die Handangel, ausnahmsweise auch große Schleppnetze; im grönländischen Meere hingegen soll man ihn mit leichter Mühe fangen, wenn man Wuhnen ins Eishaut, weil er diese aufsucht, um in dem lufthaltigeren Wasser zu athmen. Das Fleisch ist weiß, derb, schmackhaft und leicht verdaulich, wird daher auch dem des Kabeljau überall vorgezogen und das Kilogramm desselben mit zwanzig bis vierzig Pfennigen gern bezahlt. Zur Stockfischbereitung eignet es sich weniger als das dieses Verwandten, wohl aber zum Einsalzen.

In den schon vorher erwähnten schottischen Seewasserteichen bemerkte man, daß sich die Schellfische vor den übrigen durch Zahmheit auszeichneten, bald mit ihrem Wärter befreundeten und schließlich ihnen vorgehaltene Nahrung aus der Hand nahmen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 179.
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