Zwergdorsch (Gadus minutus)

[179] Abgesehen von dem Blins (Gadus luscus, barbatus, bibus und Tacoud, Asellus luscus, Morrhua lusca), einem dem Schellfische ähnelnden, durchgedrungenen Bau, die schmalen und langen Flossen und die Färbung unterschiedenen Sippschaftsverwandten, welcher in der [179] Nordsee und im Eismeere häufig vorkommt und auch die Ostsee besucht, verdient noch ein Schellfisch erwähnt zu werden: der Zwergdorsch (Gadus minutus und capelanus, Morrhua minuta und capelanus), obgleich seine wirtschaftliche Bedeutung nicht eben erheblich genannt werden kann. An Länge erreicht dieser kleinste aller bekannten Schellfische funfzehn bis achtzehn Centimeter, selten mehr, bei einem Gewichte von zweihundert Gramm und darüber. Die Färbung des Rückens ist ein ansprechendes Gelblichbraun, die Seiten sind auf silberfarbigem Grunde schwarz getüpfelt, die Untertheile schmutzigweiß, die Brust-, Rücken- und Schwanzflossen gelbbraun, dunkler gesäumt, die Bauch- und Afterflossen schmutzig gelbweiß. In der ersten Rückenflosse befinden sich zwölf, in der zweiten neunzehn, in der dritten siebzehn, in der Brustflosse vierzehn, in der Bauchflosse sechs, in der ersten Afterflosse fünfundzwanzig, in der zweiten siebzehn, in der Schwanzflosse achtzehn Strahlen. Als besondere Eigenthümlichkeit wird noch hervorgehoben, daß seine Bauchwand dunkelroth, fast schwarz aussieht.

Ueber die Verbreitung und den Aufenthalt des Zwergdorsches ist man noch nicht ganz ins klare ge kommen. Er findet sich ziemlich regelmäßig an den britischen, holländischen, schwedischen und norwegischen Küsten, und zwar in der Ostsee ebensowohl wie in der Nordsee, soll auch einmal an der amerikanischen Küste beobachtet worden sein, tritt aber bald hier, bald dort häufig auf und fehlt manchen Strecken gänzlich. Sehr gemein ist er im Mittelmeere, wird hier auch während des ganzen Jahres gefangen, obgleich er sich am liebsten in Tiefen von mindestens dreihundert Meter aufhält. Zuweilen erscheint er während der Laichzeit an den Küsten in solcher Menge, daß die Fischer außer ihm kaum einen anderen Klassenverwandten in ihr Netz bekommen: »Im Jahr gezehlt 1545 ist bey Monpelier durch das Gestad desselbigen Meeres, so ein grosse Menge der Fischen gefangen worden, daß man auff zween Monat allein der Fischen gefangen hat, also in solcher Zahl, daß man den mehtertheil vergraben hat müssen, damit die Fischer deß häßlichen Gestancks der erfauleten Fischen entlediget würden«. Auch er nährt sich hauptsächlich von Krustern verschiedener Art, wie seine größeren Verwandten, denen er häufig zur Beute dienen muß. Nach Bloch sollen die Fischer der Ostsee sein Erscheinen an den Küsten mit Freuden begrüßen, weil sie ihn als den Vorläufer und Führer der Dorsche und anderer werthvollen Fische betrachten. Sein Fleisch wird ungeachtet des guten Geschmackes wenig geschätzt und gewöhnlich nur zum Köder für andere Fische benutzt. Die Fortpflanzung fällt in den April und Mai.


*


Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 179-180.
Lizenz:
Kategorien: