Bettwanze (Cimex lectularius)

[608] Einzig in ihrer Art steht die übel berüchtigte Bettwanze (Cimex lectularius, Fig. 3) da, welche schon den alten Griechen als »Koris«, den Römern als »Cimex« bekannt war und es darum gerechtfertigt erscheinen läßt, wenn der alte Gattungsname, welchen Linné auf außerordentlich viele, in den Formen sehr weit auseinander gehende Arten übertragen hat, ihr allein verbleibt. Ihre Eigenthümlichkeiten bestehen im Blutsaugen, in der Flügellosigkeit, in den borstigen, viergliederigen Fühlern, dem einer Kehlrinne anliegenden dreigliederigen Schnabel und dem Mangel der Haftlappen an den Krallen. Der ungemein platte, mindestens 4 Millimeter messende Körper ist licht braunroth gefärbt und dicht gelblich behaart.


1 Verwandte Buckelwanze (Tingis affinis), achtmal vergrößert. 2 Gemeine Rindenwanze (Aradus corticalis), sechsmal vergrößert. 3 Bettwanze (Cimex lectularius), stark vergrößert.
1 Verwandte Buckelwanze (Tingis affinis), achtmal vergrößert. 2 Gemeine Rindenwanze (Aradus corticalis), sechsmal vergrößert. 3 Bettwanze (Cimex lectularius), stark vergrößert.

Die runden Läppchen an beiden Seiten des kleinen Schildchens müssen als Reste der Flügeldecken gelten. Das Weibchen legt im März, Mai, Juli und September jedesmal etwa funfzig weiße, 1,12 Millimeter lange, walzige Eier in die feinsten Ritzen der Schlaf-und Wohnzimmer, namentlich hinter Tapeten, mit Bretern verschalte Wände oder in die Fugen der Bettstellen, also an dieselben Orte, wo sich die Wanzen den Tag über versteckt halten. Die letzte Brut geht jedoch meist zu Grunde und nur die erwachsenen Wanzen, welche zu ihrer vollen Entwickelung elf Monate bedürfen, überwintern und können sehr viel Kälte vertragen. Das Häßlichste an ihnen ist das hinterlistige heimliche Blutsaugen, welches sie bis auf die Nacht verschieben, um den Schlafenden in seiner Ruhe zu stören. Daß sie, wie behauptet wird, durch die Ausdünstungen des Schläfers herbeigelockt, sich unter Umständen auch von der Decke herabfallen lassen, will ich gern glauben, weil ich einst Augenzeuge war, wie eine auf eben diese Weise in eine dampfende Kaffeetasse gelangte. Trotz ihres Blutdurstes vermögen sie lange zu hungern. Leunis hatte ein Weibchen in eine gut verschlossene Schachtel eingesperrt, und als er diese nach sechs Monaten öffnete, fand er es nicht nur noch am Leben, sondern von einer Schar Nachkommen umgeben, welche, gleich der Mutter, durchsichtig wie Glas waren. Bei ihrer großen Fruchtbarkeit und der Leichtigkeit, mit welcher sie verschleppt werden können, gehören die Wanzen zu dem lästigsten alles Ungeziefers, besonders in größeren Städten, wo die Uebervölkerung der Häuser ihre gründliche Verfolgung erschwert. Daher fehlt es auch nicht an zahlreichen Vertilgungsmitteln, welche sich aber ohne möglichste Vermeidung aller jener Stellen, an denen sie sich gern häuslich niederlassen und ohne fleißiges Durchsuchen aller verdächtigen wenig bewähren. Wie wirkungslos das einfache Ausweißen der Zimmer diesem Ungeziefer gegenüber ist, davon überzeugte ich mich während meiner Studienzeit in Berlin. In der sehr sauberen, blanken Werkstatt eines Buchbinders sah ich ein Wänzchen mit weiß übertünchtem Rücken wohlgemuth einherspazieren. Eine Beimischung von Eisenvitriol unter den Kalk wirkt schon besser, nachdem zuvor alle Ritzen rein ausgekratzt, mit Eiweiß und Insektenpulver, Mineralöl oder Aetznatronlauge ausgepinselt und dann verstrichen worden sind. Dergleichen Mittel, mit großer Energie angewendet, können, [608] wenn nicht sehr ungünstige Verhältnisse obwalten, jeden in seiner Wohnung endlich vor diesem lästigen Ungeziefer sicherstellen, keinen Reisenden aber schützen, welchen sein Unstern in ein von Wanzen bewohntes Nachtlager führte. Für diesen Fall soll, wie mir von verschiedenen Seiten versichert wurde, das Brennenlassen des Lichtes die Blutsauger von dem Schläfer zurückhalten.

Wo die Bettwanzen hergekommen sind, weiß man nicht; denn daß Ostindien, wie behauptet wird, ihre ursprüngliche Heimat sei, bedarf noch des Nachweises. Die alten Griechen und Römer kannten sie, wie bereits erwähnt wurde, fürchteten sie und schrieben ihnen allerlei Heilkräfte zu. Im elften Jahrhundert haben sie sich in Straßburg gezeigt, dagegen wird der Behauptung, sie seien erst um 1670 durch die Bettstellen der vertriebenen Hugenotten nach London gebracht worden, von anderer Seite widersprochen, weil schon 1503 daselbst ein paar adlige Damen deren Stiche für Anzeigen der Pest gehalten hatten. Als ich vor Jahren zur Düngung meiner Fuchsien von einem Kirchboden Fledermausmist selbst herabgeholt hatte, war ich nicht wenig erstaunt, zwischen demselben zahlreiche Wanzenbälge aller Größen zu erblicken. An jener Stelle hausten im alten Holzwerke entschieden die Wanzen und bezogen ihre Nahrung von den daselbst wohnenden Fledermäusen. Bedenkt man nun, daß sie in Hühnerställen, auf Taubenschlägen, in Schwalbennestern gleichfalls vorkommen, so liegt die Vermuthung nahe, daß sie ursprünglich als Ungeziefer der verschiedensten warmblütigen Thiere im Freien gelebt haben und durch Verschleppung allmählich dem Menschen nahe gebracht worden sind, und zwar können die nächtlichen Fledermäuse am besten zu der schnelleren Weiterverbreitung wesentlich beigetragen haben, da sich annehmen läßt, daß manche Wanze zum Blutsaugen aus ihrem Schlupfwinkel bereits auf den Körper einer Fledermaus gekrochen ist, ehe diese ihre nächtlichen Umflüge beginnt. Von Eversmann wird eine russische Art von nur 3,37 Millimeter Länge und lehmgelber Farbe am fast querrunzeligen Hinterleibe als gewimperte Bettwanze (Cimex ciliatus) unterschieden.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 608-609.
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