Pappel-Gallenlaus (Pemphigus bursarius)

[591] Die Pappel-Gallenlaus (Pemphigus bursarius). Die Gattung Pemphigus, die man zu deutsch auch Woll-Laus genannt hat, jedoch unpassend, weil ihr das Wollkleid keineswegs ausschließlich zukommt, unterscheidet sich von voriger besonders durch die zwei Schrägadern im Hinterflügel. Die in Rede stehende Art hat im geflügelten Zustande schwach geringelte Fühler, deren sechstes Glied zugespitzt und länger als das voraufgehende ist, und entsteht aus grünen, wenig bestäubten Larven. Die ungeflügelte Stammutter ist sehr dick, hoch gewölbt und mit weißer, kurzer Wolle bedeckt; ihre Fühler sind sehr kurz, nur viergliederig, im dritten Gliede am längsten, [591] sie mißt 2,25 Millimeter. Diese Thierchen leben in den allbekannten, etwas gewundenen Knoten der Pappelblattstiele, welche sich im Spätsommer durch eine Längsspalte öffnen, um ihre geflügelten Einwohner zu entlassen.

Daß die Entwickelung der Gallenläuse, unter welchen Namen man die beiden eben besprochenen Gattungen zusammengefaßt hat, eine andere sei, als die der auf Zweigen und Blättern lebenden Arten, hatten schon die älteren Forscher, wie Réaumur und Degeer, erkannt, aber erst neuerdings ist es Derbes gelungen, die Lücken in unseren Kenntnissen über die Lebensweise dieser höchst interessanten Kerfe, wenn auch nicht vollkommen, so doch annäherungsweise auszufüllen, und wenn seine Beobachtungen an der Terebinthen-Gallenlaus (Pemphigus terebinthi) auch auf die übrigen Gallenläuse übertragen werden dürfen, so läßt sich deren Entwickelungsgeschichte kurz dahin zusammenfassen: die Geschlechtsthiere treten hier im Frühjahre auf, leben nur kurze Zeit und ohne Nahrung, weil die Mundtheile verkümmert sind. Nach der Paarung legt das Weibchen ein Ei, aus welchem sich eine ungeflügelte Amme entwickelt, deren geflügelte Nachkommen (vielleicht erst im zweiten Gliede) überwintern. Die Galle, in der unsere Art wohnt, entsteht durch den Stich einer einzigen kleinen und ungeflügelten Blattlaus. Das Einstechen und das fortgesetzte Saugen an derselben Stelle verursachen eine krankhafte Entwickelung des Zellgewebes und eine Ueberwucherung, welche zu bestimmter Zeit (meist Ende Mai) ihren Höhepunkt erreicht hat und nicht nur die Stammutter, in selteneren Fällen auch deren zwei, im Inneren einschließt, sondern auch eine Fülle lebendig von ihr geborener und nach den Häutungen mit Flügeln ausgerüsteter Nachkommenschaft. Diese Flügelträger, nie so groß wie die Stammutter, sind abermals Ammen, setzen ihre Nachkommen nicht in der Zelle ab, sondern schwärmen aus, nachdem sich diese von selbst geöffnet hat, um jenes Geschäft anderwärts zu verrichten. Ob diese selbst oder weitere Nachkommen es sind, welche im geflügelten Zustande überwintern, weiß man noch nicht, sondern nur, daß dergleichen nach dem Winter in Rissen der betreffenden Futterpflanze schnabel- und flügellose Geschlechtsthiere gebären, von denen die kleineren und schlankeren die Männchen darstellen. Letztere sterben sofort nach der Paarung, während die Weibchen im Umrisse des einen in ihnen entwickelten Eies erhärten und so dem einen Nachkommen noch im Tode zum Schutze dienen, wie die Schildläuse einer größeren Anzahl. Diesem Eie entspringt die Stammutter, mit der unsere Schilderung begann.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 591-592.
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