Glauäugige Bremse (Tabanus glaucopis)

[458] So geräuschvoll sich die Viehbremsen ihren Opfern nahen, so still und hinterlistig thun es zwei andere Fliegen, die der Familie gleichfalls angehören und großen Geschmack an Menschenblut finden. Die erste ist die prächtige goldäugige Blindbremse (Chrysops coecutiens). Goldäugig und doch blind? Das scheint ein gewaltiger Widerspruch zu sein. Man gab vermuthlich dieser Fliege jenen Namen, weil sie gegen jede Gefahr, die ihr droht, blind ist, wenn sie sich einmal zum Saugen eingerichtet hat. Ihre Zudringlichkeit kennt keine Grenzen. Die schöne Fliege setzt sich besonders an recht drückend heißen Tagen nicht nur an die entblößten Körperstellen dessen, der einen breiten Waldweg dahin wandelt, sondern auch an die Kleidungsstücke und versucht hier, oft mit gutem Erfolge, die scharfen Klingen ihres Rüssels einzubohren, da sie gewöhnt ist, unter dem dicken Felle der Rinder und Pferde die Blutgefäße ausfindig zu machen. Sie hat etwa die Gestalt der vorigen, nur einen hinten mehr gerundeten, in seinem Verlaufe fast gleichbreiten, gleichfalls niedergedrückten Hinterleib und mißt nur 8,75 Millimeter in die Länge. Der schwarze Vorderrand und eine schwarze Querbinde über die Flügel sowie der in der vorderen Hälfte lichtgefärbte Hinterleib machen sie auch auf unserem Bilde »Herrschaft der Fliegen« leicht kenntlich; die Fühler sind pfriemförmig, drei deutliche Nebenaugen, welche anderen Bremsen fehlen, und Endsporen an den Hinterschienen unterscheiden die Gattung von der vorigen. Man findet diese Fliege und einige andere, schwer davon zu unterscheidende Arten im Mai und Juni honigsaugend auf Blumen. Die Gewitterschwüle scheint sie erst zudringlich und blutdürstig zu machen. In den genannten Monaten erscheinen die Mitglieder der ganzen Familie, im Juli haben sie schon mehr abgenommen und sind im August mit wenigen Ausnahmen, wozu diese und die folgende Art gehört, fast ganz verschwunden. Nach Jännicke's Beobachtungen in Frankfurt am Main scheint jedoch die glauäugige Bremse (Tabanus glaucopis) nur im Herbste zu fliegen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 458.
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