[677] So ziemlich der übrige Rest der Spinnenthiere ist dem Namen nach als Milben und Zecken zwar allgemein, jedoch nur in sehr vereinzelten Formen seiner äußeren Erscheinung nach gekannt und selbst von den wissenschaftlichen Forschern in Hinsicht auf die Lebensweise zur Zeit noch ungemein lückenhaft beobachtet worden, so daß sich gerade hier ein ebenso schwieriges, wie nach den bisherigen Entdeckungen höchst interessantes Gebiet erschließt, auf welchem der menschliche Scharfblick erprobt werden kann.

Die Milben bilden eine überaus reiche, in ihren Gestalten sehr mannigfache und in ihren Lebensverhältnissen bedeutungsvolle Welt meist mikroskopischer Spinnenthiere. Nur wenige von ihnen erreichen eine solche Größe, daß sie von dem ungeübten Auge als Einzelwesen bemerkt werden; viele erscheinen jedoch durch das Zusammenleben ungeheurer Mengen als formlose, sich bewegende Klumpen, als staubiger Ueberzug der verschiedensten Pflanzenstoffe, zumal solcher, welche als Nahrungsmittel oder zu gewerblichen Zwecken aufgespeichert werden. Es sei nur an die Käsemilbe und daran erinnert, daß der weiße Ueberzug der gebackenen Pflaumen nicht immer aus Zucker, sondern manchmal aus Millionen von winzigen Milben besteht. Verdienen sie darum schon mit Recht unsere volle Aufmerksamkeit, so noch in weit höherem Maße wenigstens alle diejenigen, welche als Schmarotzer an Menschen und Thieren leben und nicht selten die Veranlassung zu schmerzhaften und Ekel erregenden Krankheiten werden.

Abgesehen von der geringeren Größe, unterscheiden sich die Milben von den eigentlichen Spinnen dem äußeren Ansehen nach leicht durch den ungegliederten Körper. Ihr Kopfbruststück verschmilzt mit dem Hinterleibe vollkommen, wenn nicht in einigen Fällen eine Querfurche auf dem Rücken die gegenseitige Begrenzung andeutet. Am vorderen Rückenende stehen zwei, seltener vier einfache Augen, häufig fehlen dieselben aber auch gänzlich. Ueber die Mundtheile, welche bei den einen zum Beißen, bei den anderen zum Saugen eingerichtet sind, wird das Nöthige bei den einzelnen Familien beigebracht werden; ebenso vielgestaltig ist das erste Paar der Kiefertaster, das zweite dagegen erscheint, wie bei den echten Spinnen, in Form von Beinen, weshalb auch hier wie dort kurzweg von vier Beinpaaren gesprochen wird. – Der Darm der Milben verläuft vom Munde in gerader Richtung nach der auf der Bauchseite weit nach vorn gerückten Afteröffnung, tritt jedoch bei den wenigsten Arten als kurzes, einfaches Rohr auf, sondern in den meisten Fällen entsendet der Magen jederseits drei blinddarmartige Ausstülpungen, welche durch Theilung und Richtung mancherlei Verschiedenheiten zeigen. Die Athmung erfolgt mit Ausnahme der Lausmilben, bei denen man noch keine Werkzeuge dazu aufgefunden hat, durch Luftröhren, welche sich meist büschelförmig von dem in das Luftloch mündenden Hauptstamme ausbreiten und nicht weiter verästeln. Es pflegen nur zwei Luftlöcher vorzukommen, die entweder versteckt in der Nähe der Kieferfühlerwurzel, oder frei an der Außenseite des vierten, auch dritten Beinpaares liegen. Ein Rückengefäß hat man bisher nicht nachweisen können. Die Geschlechtsöffnungen endlich befinden sich an der Bauchseite und zwar weit vor dem After, bei den Männchen bisweilen bis zur Nähe des Mundes vorgerückt. Die Milben pflanzen sich durch Eier fort. Die diesen entschlüpften Jungen häuten sich mehrere Male und weichen anfänglich in der äußeren Gestalt von der Mutter wesentlich ab, besonders fehlt ihnen ein Fußpaar, so daß man hier an die unvollkommene Verwandlung der Insekten erinnert wird und von einer, manchmal sogar von mehreren Larvenformen sprechen kann. Faßt man das Gesagte in eine allgemeine Charakteristik zusammen, so würde dieselbe dahin [677] lauten, daß die Milben Spinnenthiere mit beißenden oder saugenden Mundtheilen, ungegliedertem Leibe und beinförmigem zweiten Kieferpaare sind, welche meist durch Luftröhren athmen und durch unvollkommene Verwandlung zur Geschlechtsreife gelangen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 677-678.
Lizenz:
Kategorien: