Johannisechse (Ablepharus pannonicus)

[200] Unter allen diesen Schuppenechsen verdienen namentlich die Natteraugen der Erwähnung, weil sie in Europa durch die Johannisechse (Ablepharus pannonicus, Scincus pannonicus, Ablepharus Kitaibelii) vertreten werden. Das niedliche Geschöpf hat einen langgestreckten, walzigen Leib, welcher weder vom Halse noch von dem langen, runden, allmählich abnehmenden Schwanze sich absetzt, weit von einander stehende Gliedmaßen, deren vorderes Paar kürzer als das hintere ist, und eine aus gleichartigen, gestreiften Schuppen bestehende Bekleidung. Den eirunden, oben ziemlich flachen Kopf bedecken zwanzig verschieden gestaltete Schildchen, den Nacken vier glatte, in zwei Längsreihen liegende, kurze, breite, sechseckige Schilder, den übrigen Oberleib schmälere, in vier Längsreihen vertheilte, sechseckige Schuppen; Brust und Bauch sind mit ähnlichen Gebilden bekleidet; der Schwanz zeigt an seiner Wurzelhälfte glatte, dachziegelförmige Schuppen, übrigens glatte Wirtelschilder.


Johannisechse (Ablepharus pannonicus). Natürliche Größe.
Johannisechse (Ablepharus pannonicus). Natürliche Größe.

Die Grundfärbung der Oberseite ist ein lichtes Leberbraun, von welchem in der Rückenmitte zwei schwarze Längslinien sich abheben; längs der Seite verläuft eine Binde, welche am Kopfe dunkelrothbraun aussieht, nach hinten zu aber allmählich in die allgemeine Färbung übergeht; Kehle und Bauch sind röthlichweiß, die After- und Unterschwanzgegend bleigrau. Die Länge beträgt neun Centimeter, wovon auf den Schwanz etwa zwei Centimeter kommen.

Die Johannisechse wird vorzugsweise in Ungarn und hier namentlich auf grasigen Hügeln gefunden, kommt aber auch sonst noch in Südosteuropa, beispielsweise in Griechenland und Südrußland vor, vielleicht häufiger als man annimmt. Im Stadtwäldchen zu Pest und an den Gehängen [200] der Ofener Festungsberge soll sie nicht selten sein. Ueber ihre Lebensweise sind eingehende Beobachtungen noch nicht angestellt worden. Erber erwähnt, daß er selbst noch keine gefangen, aber zwei Stück lebend erhalten, drei Monate gepflegt und mit Regenwürmern gefüttert habe, daß aber beide an einem und demselben Tage zu Grunde gingen, und theilt mir brieflich mit, daß es ihm neuerdings auch gelang, die gebrechlichen und hinfälligen Thierchen zu überwintern. Leydig fand, daß die Johannisechsen in ihrem ganzen Gebaren mehr an die Blindschleiche als an die Eidechsen erinnern. Obschon um vieles lebhafter als unsere Blindschleiche, stimmen sie z.B. doch darin gänzlich mit dieser überein, daß sie gewöhnlich lang und ausdauernd, wie starr, aufhorchen, ehe sie sich zum Flüchten anschicken. Trotz aller Behendigkeit geht den Körperkrümmungen der sich bewegenden Thiere, offenbar wegen der knöchernen Hauttäfelchen, etwas von der echte Eidechsen auszeichnenden Geschmeidigkeit ab. Sie sind also auch in dieser Beziehung Wühlechsen.


Flossenfuß (Pygopus lepidopus). 2/3 natürl. Größe.
Flossenfuß (Pygopus lepidopus). 2/3 natürl. Größe.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Siebenter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Erster Band: Kriechthiere und Lurche. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 200-201.
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