Unke (Bombinator igneus)

[591] Die Feuerkröte oder Unke (Bombinator igneus, Rana variegata, bombina und ignea, Bufo igneus, bombinus und pluvialis, Bombinator bombinus), Vertreterin einer gleichnamigen Sippe, unterscheidet sich von den Verwandten durch das versteckte Paukenfell und die kreisrunde, dünne, überall fest angewachsene Zunge, besitzt zwei kleine Gruppen von Gaumenzähnen und hat an den Hinterfüßen ganze Schwimmhäute. Ihre Haut ist auf dem Rücken mit starken Warzen bedeckt, die Färbung derselben ein schönes Dunkelgrau oder Oelbraun, während die Unterseite, welche ebenfalls erhabene Warzen von weißlicher, in der Mitte schwarzer Färbung trägt, auf schwarzem oder graubraunem Grunde mit hoch orangegelben, ineinander verlaufenden Flecken gezeichnet ist. Die Länge beträgt drei Centimeter.

Vom südlichen Schonen an nach Mittag zu findet sich die Unke in ganz Europa, und zwar in kleinen Wassergräben ebenso gut als in weit ausgedehnten Brüchen oder Sümpfen, in der Ebene wie im Gebirge bis zu anderthalbtausend Meter über dem Meere. Als echter Wasserlurch hält sie sich fast den ganzen Sommer über in den Pfützen, Teichen, Wassergräben und Morästen auf, und nur im Herbste treibt sie sich zeitweilig auf dem Lande umher, hier mit Hülfe ihrer verhältnismäßig langen Hinterbeine sehr gewandt dahinhüpfend. Im Wasser sieht man sie gewöhnlich etwas vom Ufer entfernt sitzen, den halben Kopf hervorgestreckt, gegen Abend eifrig mit ihrem einfachen und bescheidenen Gesangsvortrage beschäftigt, bei der geringsten Gefahr aber blitzschnell in die Tiefe tauchen[591] um hier im Schlamme sich zu verbergen. Wer sich ruhig verhält, gewahrt, daß eine so entflohene Unke nach kurzer Zeit wieder emporkommt, dieselbe Stellung einnimmt, mit den goldfarbenen Aeuglein in die Runde schaut und nach geraumer Zeit ihren Gesang von neuem anhebt. Letzteren vernimmt man, gleichsam zum Beweise, daß auch dieser Lurch zu den Nachtthieren gehört, in der Regel erst gegen Abend, von dieser Zeit an aber die ganze Nacht hindurch. Er ist durchaus nicht unangenehm, kann jedoch durch seine Eintönigkeit ermüden.


Unke (Bombinator igneus). Natürliche Größe.
Unke (Bombinator igneus). Natürliche Größe.

Der einzelne Laut klingt ungefähr wie »Ku-uh«, dem Klange von Glasglocken nicht unähnlich, ist verhältnismäßig schwach und wird deshalb nur auf wenige Schritte hin deutlich vernommen. Jede einzelne Unke ruft höchstens drei- oder viermal in der Minute und stößt immer nur genau denselben Laut aus; aber alle Männchen, welche ihr Wohlbehagen ausdrücken wollen, schreien gleichzeitig, und so entsteht die ununterbrochene Musik, welche man vernimmt.

Im Wasser bewegt sich die Unke mit großer Leichtigkeit, obgleich sie hierin mit dem Teichfrosche nicht wetteifern kann; aber auch sie schwimmt ganz vorzüglich und versteht es, besser noch als der Frosch, im Schlamme sich einzuwühlen. Auf dem Lande hüpft sie mit kurzen, rasch sich wiederholenden Sprüngen eilfertig dahin. Ein Hauptzug ihres Wesens scheint unbegrenzte Furchtsamkeit zu sein. Ganz reines Wasser sucht sie nur im Nothfalle auf, eine Wasserfläche hingegen, welche dicht mit Teichlinsen bedeckt ist, sagt ihr aus dem einfachen Grunde besonders zu, weil solche Decke sie auch dem schärfsten Auge trefflich verbirgt. Wenn man ihr durch ruhiges Verhalten keine Veranlassung zur Flucht gibt, kann man die Wahrheit vorstehender Worte durch eigene Beobachtung feststellen. Getäuscht durch die schwache Stimme sucht man sie oft längere Zeit vergebens und bemerkt dann mit einer gewissen Ueberraschung, daß sie unmittelbar vor einem ihr Köpfchen zwischen den Wasserlinsen emporstreckt, vielleicht auf einer Stelle, welche man schon wiederholt scharf ins Auge gefaßt hatte. Auf dem festen Lande sucht sie sich durch List vor den [592] Blicken ihrer Gegner zu verbergen: sie duckt sich nämlich, wenn sie nicht rasch genug das sichere Wasser erreichen kann, auf die Erde nieder, und die braune Rückenfärbung wird dann sozusagen von der des Bodens aufgenommen. Beunruhigt man sie, so legt sie ihren Kopf und die Füße über dem gekrümmten Rücken so zusammen, daß die Bauchseite sichtbar wird, sie also eine ganz verschiedene Gestalt gewinnt. In dieser sonderbaren Stellung verweilt sie minutenlang, bis sie die Gefahr vorübergegangen wähnt und sich wiederum in Bewegung setzt. Bei großer Angst treibt sie aus dem warzigen Obertheile der Hinterschenkel Schaum hervor, welcher wie Seifengischt aussieht und wie der der meisten Verwandten eine gewisse Schärfe besitzt.

Ihre Nahrung besteht in Kerbthieren, Schnecken und kleinen Würmern: sie zählt also zu den vollkommen unschädlichen, ja im Gegentheile zu den nützlichsten Thieren.

Erst im dritten Jahre ihres Alters wird sie mannbar. Im Mai und Juni begattet sie sich, nachdem sie vorher dasselbe gleichsam versucht, d.h. sich oft auf kurze Zeit gepaart hat. Das Männchen faßt das Weibchen um die Lenden, befruchtet jeden Klumpen des abgehenden Laiches und verläßt darauf das Weibchen wieder, ohne sich fernerhin um dasselbe zu bekümmern. Der Laich bleibt auf dem Boden des Gewässers liegen und entwickelt sich, der warmen Jahreszeit entsprechend, ziemlich schnell. Schon am fünften Tage nimmt man die Larve wahr; am neunten Tage verläßt sie das Ei; Ende September oder anfangs Oktober haben sich die Beine entwickelt, und sind Kiemen und Schwanz verschwunden; aber schon einige Tage vor her begibt sich die junge Brut für kurze Zeit auf das Land oder doch an den Rand der Gewässer. Unkenlarven, welche Gredler in sein Aquarium setzte, nährten sich in der Weise, daß sie Schlamm und Algen von den Glaswänden des Beckens nach Art der Wasserschnecken abnagten. »Wenn es nun auch«, meint der Beobachter, »wahrscheinlich bleibt, daß die Kaulquappen der Lurche Pflanzen höherer Art und festerer Beschaffenheit nicht verzehren, so glaube ich doch, daß sie Algen und Diatomeen um ihrer selbst willen und nicht bloß, um der daran hängenden Infusorien oder Räderthiere halber als Nahrung zu sich nehmen, sobald andere ergiebigere thierische Nahrungsstoffe fehlen.«

Die Gefangenschaft erträgt die Unke nur bei außerordentlich sorgsamer Pflege geraume Zeit, wohl deshalb, weil man nicht im Stande ist, ihr zusagende Nahrung zu verschaffen. Kann man das Wasserbecken, welches man der Gefangenen zur Wohnung anweist, tagtäglich mit frischen Wasserlinsen füllen, so erhält man das Thierchen noch am längsten am Leben; den Winter aber überstehen doch nur äußerst wenige von ihnen, am besten noch, wenn man sich möglichst wenig um sie kümmert, sie beispielsweise in einem Aquarium sich selbst überläßt und während des ganzen Winters nicht nach ihnen sieht, sie überhaupt in keiner Weise stört. Sie pflegen sich dann in ihnen geeignet erscheinende Versteckplätze zurückzuziehen und fallen hier auch wohl in Winterschlaf, welcher ihnen am leichtesten über alle Beschwerden und Fährlichkeiten der kalten Jahreszeit hinweghilft.

Keine Thierfamilie hat von alters her bis zum heutigen Tage mehr unter dem allgemeinen Abscheu der Menschen zu leiden gehabt, keine ist unerbittlicher und mit größerem Unrechte verfolgt worden als die der Kröten.

»Dises thier«, sagt der alte Geßner von der gewöhnlichsten Art der Familie, »ist ein überauß kalts vnd füchtes thier, gantz vergifft, erschrockenlich häßlich vnd schädlich. So dises thier gekestiget, wirt es zu zorn bewegt, also, daß es den menschen, so es möchte, beseichte, oder sunst mit einem gifftigen schädlichen athem vergifftete. Dise thier sind gantz schädlich vnd verletzlich mit jrem gifft: dann so yemants mit jrem seich berürt, so sol sölches ort faulen: vnd nit on grosse arbeit widerumb heilen. Innerthalb dem leyb ist sy tödtlich. Ir ankuchen vnd gesicht ist schädlich, dauon die menschen auch gantz bleych vnd vngestalt werden söllend. Sy vergifftend auch das kraut vnd laub darab sy frässend, vnd darüber sy gantz träg vnd langsam kriechend. In Britanien ist der brauch, daß man [593] die lustkammern mit bintzen besprengt, die luft zu külen. Als nun ein Münch auff ein zeyt etliche bürdele bintzen mit jm häryn getragen, in die kammer gelegt, dz er den boden damit besprengte, so er wölte, vnd er nach dem essen sich in den Saal, auff den boden auff den ruggen gelegt zu schlaaffen vnd ruwen, ist ein grosse Krott auß den bintzen krochen, welche dem München sein maul übersetzt, also, daß sy mit den zweyen vorderen füssen die ober läfftzen mit den anderen die vnderen läfftzen begriffen vnd starck eyngeheckt hat. Die Krotten abreyssen, war der gäch tod, oder lassen bleyben war grausamer dann der tod. Do habend etlich den radtgeben: Man sölte den München tragen rügglingen zu dem fänster, ob welchem ein grosse Spinn jr wupp vnd näst hat. Das beschach. Sobald die Spinn den feind ersähen, hat sy sich an den faden abhär gelassen auff die Krott, vnd jren ein stich geben, von welchem sy sehr aufgeblasen, aber nit hinweg gefallen ist. Die Spinn wider zum anderen mal hat den feynd betroffen, welche noch weyter auffgeblassen, aber bliben ist: zum drittenmal hat sy sich herabgelassen, die Thaaschen abermal gestochen, von welchem sy abgefallen vnd gestorben ist. Solche gutthaat vnd danck hat die Spinn seinem haußwirt erzeigt. Es geschicht auch zu zeyten, daß die menschen vnsichtbarlicher weyß etwan eyer von den Krotten oder Fröschen sampt dem wasser oder tranck in den leyb trinkend, welche eyer nachwerts in dem menschen zu Fröschen oder Krotten außgebrütet werdend, welches gantz grausam ist. Sölche müssend durch starcke artzney eintweders oben durch das vnwillen, oder durch den stülgang von den menschen getriben werden.«

Man begreift in der That nicht, wie es möglich gewesen, daß vernünftige Menschen solchen Unsinn erdacht haben können; man begreift noch viel weniger, daß es noch heutigentages tausende gibt, welche nur zu sehr geneigt sind, derartige abgeschmackte, auf nichts fußende Lügen für wahr zu halten: denn das nächtliche Treiben der im Verhältnisse zu den Fröschen unschön gestalteten Kröten kann doch unmöglich der Grund sein, weshalb die harmlosen, unschuldigen und höchst nützlichen Thiere beständig verdächtigt und verleumdet werden! Und doch läßt sich das eine nicht bestreiten: in dem Abscheue vor den Kröten, in der blinden Wuth, sie zu verfolgen und zu tödten, kommen die sogenannten Gebildeten und Ungebildeten, die Europäer und die Amerikaner, die weißen und die schwarzen oder braunen Menschen vollständig überein. Keiner von denen, welche mit einem gewissen Selbstbewußtsein ihre Afterweisheit an den Mann zu bringen pflegen, hat sich jemals die Mühe gegeben, das zu untersuchen, von dem er faselt; keiner die Kröte und ihr Leben beobachtet, keiner eine gute Naturgeschichte gelesen oder mindestens verstanden; denn im entgegengesetzten Falle hätte er eben belehrt, bezüglich gebildet werden müssen. Gerade die Kröten sind ein überzeugendes Beispiel, was es mit unserer gerühmten Bildung, insbesondere mit der Kenntnis der Natur und ihrer Erzeugnisse auf sich hat; gerade sie beweisen, wie die wichtigste aller Wissenschaften noch bis jetzt in unseren Schulen betrieben wird.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Siebenter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Erster Band: Kriechthiere und Lurche. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 591-594.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Gellert, Christian Fürchtegott

Die Betschwester. Lustspiel

Die Betschwester. Lustspiel

Simon lernt Lorchen kennen als er um ihre Freundin Christianchen wirbt, deren Mutter - eine heuchlerische Frömmlerin - sie zu einem weltfremden Einfaltspinsel erzogen hat. Simon schwankt zwischen den Freundinnen bis schließlich alles doch ganz anders kommt.

52 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon