Veränderliche Fächerkoralle (Flabellum variabile)

[491] Wir haben diese eingehende Beschreibung gebracht, weil nur angehäuften verschiedenartigen Beispielen sich eine Vorstellung von dem so ganz eigenthümlichen physiologischen Leben dieser niederen Thiere gewinnen läßt. Darum mag man sich noch einen zweiten ganz ähnlichen Fall [491] vorführen lassen. Er betrifft die veränderliche Fächerkoralle (Flabellum variabile). Dieselbe gehört in die Familie der Turbinoliden oder Kreiselkorallen. Der Name ist natürlich von der Kegelform der Stöcke hergenommen. Die meisten der zahlreichen hier einzureihenden Arten sind nur als Einzelthiere bekannt. Doch hat Semper uns interessante Knospenbildungen kennen gelehrt, wodurch wenigstens zeitweise sich Stöcke sehr einfacher Art bilden, bis die Knospen abfallen.


Veränderliche Fächerkoralle (Flabellum variabile). Natürliche Größe.
Veränderliche Fächerkoralle (Flabellum variabile). Natürliche Größe.

Die Sippe Flabellum zeichnet sich dadurch aus, daß das Thier zusammengedrückt und daher die Mundöffnung nicht ein Kreis, sondern ein ziemlich langer Schlitz ist. Das lebende Thier von oben ist in A zu sehen. Die Schwärmlarve, welche aus dem Eie hervorgeht, setzt sich fest und der nunmehr wachsende Polyp sondert den Stock B ab, der einem gestielten, mit zwei seitlichen Dornen versehenen Fächer gleicht. Diese Form B bleibt geschlechtslos, treibt aber aus dem Kelche eine Knospe hervor, mit der sie schließlich eine scheinbare Einheit bildet (C) und vor der Lockerung und Ablösung so innig zusammenhängt, daß die beiden, als Mutter und Knospe zusammengehörigen Generationen für eine eigenthümliche Abart oder auch neue Art gehalten wurden. Dann fällt die Knospe ab (D) und lebt, ohne festzuwachsen, in einer Felsspalte oder irgend einem Schlupfwinkel weiter, wohin sie von Welle oder Strömung getrieben wurde. Mit ihr, als dem Geschlechtsthiere, beginnt der Entwickelungskreis von neuem.

Die mitgetheilten Beobachtungen sind an der veränderlichen Fächerkoralle gemacht. Semper bemerkt dazu, daß, wenn man nur die Extreme ins Auge faßte, man leicht zu dem Schlusse kommen könnte, daß aus dieser einen Species zwei, ja drei Arten zu machen seien. Die vorherrschende Farbe des ganzen Thieres ist ein schönes, intensives, aber durchscheinendes Roth, und über die Mundscheibe ziehen fast immer zwei breite, dunkelrothe Binden, welche bei etwas helleren Exemplaren deutlicher hervortreten.


Sternkoralle (Astraea pallida). 1/2 natürl. Größe.
Sternkoralle (Astraea pallida). 1/2 natürl. Größe.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 491-492.
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