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[496] Von ihr ist die Gattung Pennatula und andere durch den Mangel dieser Kalkstrahlen unterschieden. Am bekanntesten ist die leuchtende Seefeder (Pennatula phosphorea) aus dem Mittelländischen und Atlantischen Meere, über deren Leuchterscheinungen wir dem Professor Panceri in Neapel sehr genaue und schöne Nachweise verdanken. Man war frühen im Unklaren darüber, wo eigentlich der Sitz des Leuchtens der Seefedern sei, war aber geneigt, der schleimigen Oberfläche sowohl der einzelnen Polypen wie des Stockes überhaupt die Leuchtkraft zuzuschreiben. Panceri hat zunächst nachgewiesen, daß nur ganz bestimmte Theile der Polypen diese Fähigkeit besitzen, nämlich acht bandförmige Organe, welche mit ihren oberen Enden wie Papillen die Mundöffnung umgeben und sich längs des Magens hinab erstrecken. Sie sind erfüllt mit Fettkügelchen haltenden Zellen und Fettkörperchen, und diese allein leuchten. Da die Bänder sehr leicht verletzlich sind und bei dem leisesten Drucke ihren Inhalt ausfließen lassen, so erklärt es sich daraus, wenn man bis jetzt die lichtgebende Substanz an den verschiedensten Stellen des Stockes fand.
[496] Um die Erscheinung des Leuchtens zu verfolgen und wissenschaftlich zu beobachten, bedarf es leidlich gesunder Seefedern. Sie dürfen weder zu lange in einem kleinen Wasserbehälter gelegen haben, wodurch sie wassersüchtig aufschwellen, noch dürfen sie durch vorausgegangenes Strapezieren und Drücken im Netze sich in einem Zustande völliger Entleerung und krampfhafter Zusammenziehung befinden. Nur an frischgefangenen und möglichst wenig beunruhigten Exemplaren lassen sich die Experimente wiederholen und die Leuchtströme hervorrufen. Das Leuchten geschieht nur auf Reizungen; es genügt, mit dem Finger an die Wand des Aquariums zu klopfen, um Funken zum Vorscheine kommen zu sehen. Nimmt man die Feder in die Hand, entweder unter Wasser oder außerhalb desselben, so wird das Auftreten von Lichtpunkten und leuchtenden Streifen lebendiger, und man überzeugt sich bei planmäßiger Wiederholung der Reizung, daß es sich um eine bestimmte Folge der Lichterscheinungen handelt, um Ströme von gesetzmäßigem Laufe, welche darum von höchstem physiologischen Interesse werden. Als Grundphänomen stellt sich das Vorhandensein von zwei Arten von Lichtströmungen heraus, wovon die eine an die eigentlichen Polypen gebunden und auf der Rückseite der ganzen Fahne sichtbar ist, während die andere an den Zooidien (siehe oben) haftet und an der Unterseite auftritt. Beide Ströme pflegen zugleich zu erscheinen, können aber auch jeder ohne den anderen entstehen und verlaufen, ohne daß die Ursache davon klar geworden ist.
Die Richtung der Ströme hängt von der Stelle des Reizes ab. Drückt man das Ende des Stieles, so beginnt das Leuchten in den untersten Strahlen, läuft vom Schafte aus nach den Strahlenenden und geht allmählich auf die oberen und äußersten Strahlen über. Das Umgekehrte erfolgt, wenn man den Reiz an der Spitze der Fahne anbringt. Setzt man den Reiz in der Mitte des Fahnenschaftes ein, so verlaufen gleichzeitig die Ströme nach oben und nach unten, nach der örtlichen Aufeinanderfolge der Strahlen vom gereizten Punkte aus. Reizt man gleichzeitig beide Enden des Fahnenschaftes, so nähern sich die Ströme bis zum Zusammentreffen. Nur selten überspringen sie dabei einander, so daß die Erscheinung dann zusammengesetzt ist aus dem ganzen Stromverlaufe des ersten und des zweiten Reizungsfalles. Endlich, wenn man das Strahlenende reizt, so geht zuerst von dem gereizten Ende der Leuchtstrom strahlabwärts auf den Schaft über und von da auf alle übrigen Strahlen in der gewöhnlichen Richtung. Auch das wurde noch erhärtet, daß ein Kreisschnitt des Kieles bis auf die feste Axe die Fortpflanzung der Stromerregung hemmt. Zur Erschöpfung des Thatsächlichen gehört die Bestimmung der Geschwindigkeit der Lichtströme. Sie gebrauchen im Mittel zwei Sekunden um die ein Zehntelmeter lange Bahn der Seefeder zu durchlaufen, also zwanzig Sekunden für den Meter. Die Geschwindigkeit der Fortpflanzung der Nervenerregung im Frosche beträgt dreißig Meter, im Menschen dreiunddreißig Meter in der Sekunde, ist also sechshundert- und sechshundertundsechzigmal so groß als die der Leuchtströme der Seefedern.
Panceri macht mit Recht darauf aufmerksam, wie wichtig die Seefedern für das Studium der Fortpflanzung der Erregung im thierischen Körper werden könnten, sofern nur nicht ihr Fang und ihre Erhaltung mit besonderen Schwierigkeiten verbunden wären. Selbst das große Aquarium der maritimen Ausstellung in Neapel, von dreizehn Meter Länge und einen Meter Breite und Tiefe, erwies sich noch als unzureichend und ungeeignet. Doch ist unterdessen in Dohrns zoologischer Station unseren Seefedern ein Heim geschaffen, in welchem ich sie mehrere Monate anscheinend sich ganz wohl befinden sah. Wendet man sich aber nun zur Erwägung, welche Art Organe zur Fortpflanzung und Bildung des sich in Lichterscheinung auslösenden Reizes in den Seefedern dienen, so ist die Thätigkeit von Nerven von vornherein so gut wie ausgeschlossen.
Man hat bisher bei den Seefedern und Verwandten keine Nerven gefunden, sie haben auch höchst wahrscheinlich keine; ebenso spricht die Thatsache, daß die Leuchterregung sich in denselben Theilen in entgegengesetzter Richtung fortpflanzen kann, gegen die Vermittelung durch nervöse Apparate; denn von diesen wissen wir, daß sie die Erregung nur nach Einer Richtung zu leiten [497] im Stande sind. Es bleibt daher nichts anderes übrig, als an eine Molekularerregung zu denken, welche von Zelle zu Zelle überspringt und infolge der zu überwindenden Widerstände um so viel langsamer als die an den Nervenfasern verlaufenden, die Bewegung und die Empfindung vermittelnden Ströme ist. Das Wesen der Lichterscheinung vieler anderen thierischen Körper sowohl im lebenden wie im todten Zustande scheint auf einen langsamen Verbrennungsproceß von Fettsubstanz hinauszulaufen, und auch für die Seefedern dürfte die Annahme einer langsamen Oxydation der in den Leuchtbändern enthaltenen Fettkügelchen am richtigsten sein.