Hülsenwurm (Taenia echinococcus)

[171] Ein zwar nicht häufiger, aber unter Umständen höchst gefährlicher, den Tod herbeiführender Parasit des Menschen und einiger Thiere (Wiederkäuer, Schweine, Affen) ist der sogenannte Hülsenwurm (Echinococcus der älteren Systematik), die Blasenwurmform eines gleichfalls im Hunde lebenden Bandwurmes, der Taenia echinococcus. Derselbe ist so klein, kaum etwas über 4 Millimeter lang und 1/3 Millimeter breit, daß er den früheren Beobachtern entging und ebenfalls erst durch das neuere Studium der Lebensverhältnisse der Blasenwürmer ordentlich entdeckt wurde. Er weicht auch darin von den übrigen Tänien höchst auffallend ab, daß er schon im dritten Gliede geschlechtsreif wird, welches letzte Glied so lang ist, wie die beiden ersten sammt dem Kopfe. Die aus dem sechshakigen Embryo hervorgehende Blase ist nun ebenfalls, wie die Drehwurmblase, die Brutstätte sehr vieler Köpfchen. Dieselben entstehen aber nicht direkt auf der Wand der Blase, sondern in besonderen, aus dieser Wand hervorgehenden Brutkapseln, auf deren Außenfläche die erste Anlage der Köpfchen unter der Form eines hohlen Anhanges zur Entwickelung kommt.


a Taenia , vergrößert; b ein vergrößertes Stück des Hülsenwurmes.
a Taenia , vergrößert; b ein vergrößertes Stück des Hülsenwurmes.

Dieser hohle Zapfen stülpt sich dann in das Innere der Brutkapseln, in welche schließlich die Bandwurmköpfchen an dünnen Stielen hineinhängen. Die einzelnen Brutkapseln enthalten mitunter zwölf bis funfzehn, selten mehr als zwanzig Köpfchen und haben 1 bis 11/2 Millimeter im Durchmesser. Ungemein verschieden ist aber die Größe der Echinococcus-Blase, ehe sie Brutkapseln hervorbringt. Leuckart beobachtete dies bei einem Durchmesser von einem Millimeter, andere fand er noch leer bei einem Volumen eines Hühnereies. Neben diesen einfachen, eben beschriebenen Hülsenwürmern kommt eine andere Form, die zusammengesetzte, vor, in welchem Falle neue, sogenannte Tochterblasen, sich bilden, entweder nach außen hin, oder nach innen, so daß dann die ursprüngliche Blase eine ganze Nachkommenschaft ihr gleicher Blasen einschließt. Nicht selten wird die Entwickelung hiermit abgebrochen, indem weder an der Mutter- noch an den Töchterblasen Brutkapseln mit Köpfchen entstehen. Das ganze Gebilde macht dann am wenigsten den Eindruck eines thierischen, parasitischen Körpers, sondern sieht wie eine bloße Wassergeschwulst (Hydatide) aus.

Unter den menschlichen Parasiten, heißt es bei Leuckart, ist kein zweiter, der sich durch die Mannigfaltigkeit seines Vorkommens mit dem Hülsenwurme vergleichen ließe. Selbst die (Schweine-) Finne, die wir wegen ihres Aufenthaltes in so verschiedenen Organen mit Recht den verbreitetsten Helminthen zugerechnet haben, steht in dieser Beziehung weit hinter dem Echinococcus zurück. Es ist kaum ein Organ des menschlichen Körpers, das demselben nicht gelegentlich zum Wohnorte diente. Sogar die Knochen werden bisweilen von ihm heimgesucht. Aber nicht alle diese Organe beherbergen unseren Wurm mit gleicher Häufigkeit. Der Echinococcus hat ebenso, wie die Finne, Lieblingssitze und andere, die er weniger häufig, vielleicht nur selten, aufsucht. Freilich sind die Lieblingssitze beider sehr verschieden. Das Zellgewebe zwischen den Muskeln, das die Finne mit besonderer Vorliebe bewohnt, ist nur in seltenen Fällen der Sitz des Echinococcus. Auch im Hirn und namentlich im Auge wird die Finne ungleich häufiger gefunden als der Hülsenwurm, der dafür seinerseits die von der gemeinen Finne meist verschmäheten Eingeweide, und vor allen anderen namentlich die Leber, aufsucht. Hier erreicht der Hülsenwurm nicht selten die Größe eines Kindskopfes. – Wahrscheinlich ist der Hund der einzige Träger des Echinococcus-Bandwurmes, der mit ihm wohl über die ganze Erde verbreitet ist. Auf keinem Punkte dürfte er aber zu einer solchen Plage geworden sein, als in Island, wo der sechste bis fünfte Theil der gesammten Bevölkerung von ihm dahingerafft werden soll.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 171-172.
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