Mesostomum Ehrenbergii

[149] Mit Uebergehung einer Reihe von Gattungen, welche von mir und anderen im Mittelmeere beobachtet wurden, kommen wir zu einer der wichtigsten und artenreichsten, Mesostomum. Die Mundöffnung der meist platten Thiere liegt am Bauche, gewöhnlich ziemlich in der Mitte, bei einzelnen Arten vor, bei anderen hinter derselben. In der Mundhöhle befindet sich ein kugeliger Schlundkopf, ein sehr wirksames Haft- und Saugorgan, welches zum Ergreifen und Aussaugen lebender Thiere benutzt wird. Eine der schönsten Arten ist das fast einen Centimeter lang werdende Mesostomum Ehrenbergii, im Frühjahre und Sommer auf überschwemmten Wiesen und in Teichen mit Lehmgrund und Schilf und Binsen häufig. Obgleich so durchsichtig wie Glas und scheinbar höchst zerbrechlich, ist es einer der geschicktesten und gewandtesten Schwimmer. Für gewöhnlich durchzieht es ruhig oder mit vereinzelten Wellenbewegungen der Körperränder das Wasser, oder gleitet an den Stengeln der Pflanzen umher. Wird es aber gestört, besonders durch die unsanfte Begegnung mit einem hastig anschwimmenden Käfer, so schüttelt es sich fast zitternd und schlängelnd so schnell und gewandt wie die Egel.


Mesostomum tetragonum. Vergrößert.
Mesostomum tetragonum. Vergrößert.

Höchst interessant ist die Art, wie es sich der größeren Daphnien und Cypriden bemächtigt, um sie auszusaugen. Es fängt sie, ungefähr so, wie man mit der Hand eine Fliege fängt, indem es durch Anlegen des Hinterendes an das Vorderende und Umbiegen der Seitenränder eine Höhle bildet. Zuerst tobt der gefangene Krebs gewaltig, bald aber gelingt es dem Mesostomum, an den Gefangenen den mächtigen Schlundkopf anzusetzen. Die Befreiungsversuche der Daphnie lassen dann bald nach, sein Vampyr streckt sich wieder aus und ich sah oft, wie ein zweites Mesostomum sich hinzugesellte und vom Sieger friedlich einen Beutetheil abbekam.

Eine der auffallendsten Formen hat das bis 1 Centimeter lange gelbbraune Mesostomum tetragonum, das ich an der Elbe nach Ueberschwemmungen in kleinen, während des Sommers austrocknenden Teichen fand. Die Lage der beiden schwarzen Augenflecke und des Mundes ist wie bei Mesostomum Ehrenbergii. Auch erscheint das Thier, wenn man es in einem Uhrgläschen, [149] mit wenig Wasser bedeckt, beobachtet, ganz dünn und flach, sobald es aber frei schwimmt, stehen von dem Körper jederseits zwei flossenartige Lappen ab, welche von dem zugespitzten Vorderende nach dem ebenfalls spitzen Schwanze verlaufen und wellenförmig sich bewegen. Da diese und die meisten anderen Arten von Mesostomum und anderen Rhabdocoelen in temporär austrocknenden Gewässern sich aufhalten, so wird man vermuthen, daß für ihre Erhaltung ebenso gesorgt ist, wie für diejenige der niederen Krebse, die mit ihnen zusammen vorkommen und ebenfalls nach Ueberschwemmungen und Regengüssen wie auf unnatürliche Weise hervorgezaubert erscheinen. Auch die Rhabdocoelen legen hartschalige Dauereier, welche die Entwickelungsfähigkeit lange bewahren. Ich habe einige Arten in kleinen Pfützen von einigen Quadratfuß Ausdehnung gefunden, den Boden aus denselben, nachdem er im heißen Sommer wochenlang ausgedörrt war, nach Hause getragen, dann die darin enthaltenen Eier eines Mesostomum ausgelesen und durch Uebergießen mit Wasser binnen einigen Tagen zur Entwickelung gebracht. Die Eier der meisten Mesostomeen sind scheibenförmig, mit einer mittleren Vertiefung.


Spaltmund (Schizostomum productum). 200mal vergrößert.
Spaltmund (Schizostomum productum). 200mal vergrößert.

Bei manchen bilden sich zeitweilig weichschalige, durchsichtige Eier, aus denen die Jungen, welche bei den Rhabdocoelen nie eine Verwandlung durchmachen, schon im Mutterleibe auskriechen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 149-150.
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