Solen marginatus

[371] Die Scheidenmuscheln (Solen) haben in ihren Lebensgewohnheiten große Aehnlichkeit mit den Klaffmuscheln, denen sie sich insofern anschließen, als ihre Schale ebenfalls vorn und hinten klafft. Die Schale ist scheidenartig verlängert; die Wirbel, kleine, oft fast unbemerkbare Höcker, stehen bei mehreren Arten fast unmittelbar am steilen Vorderrande. Meist ist das Gehäuse von einer starken braunen, nur in der Wirbelgegend oft abgeriebenen Oberhaut bekleidet. Der dicke cylindrische, am Ende keulenförmige Fuß, tritt durch den vorderen Mantelschlitz und ist im leichten Ufersande ein sehr wirksames Bohrinstrument. Uebrigens verfahren alle im feuchten Sande grabenden Muscheln so ziemlich nach einer Manier. Aus ihrer Höhlung genommen, beginnen sie damit, den ausgestreckten Fuß zu krümmen und ihn so weit in den Sand oder Schlamm zu versenken, daß sie daran die Schale in einer senkrechten oder schiefen Stellung aufrichten können. Die Muscheln, welche, wie Mya, eine unverhältnismäßigere Dicke zum Fuße haben als Solen, müssen das vom Fuße vorgebohrte Loch mühsamer durch Hin- und Herdrehen der Schale erweitern. Bei Solen aber tritt die Fußkeule fast in derselben Dicke hervor, wie die ganze Muschel ist; das Eingraben geht daher sehr schnell vor sich. Man bemächtigt sich der Thiere, welche an den Mittelmeerküsten von den ärmeren Leuten als Capa lunga und Capa di Deo verspeist werden, indem man sich ihnen entweder vorsichtig nähert und sie gleich dem grabenden Maulwurfe mit dem Spaten auswirft, oder indem man in ihre Löcher, in welche sie behend einen bis zwei Fuß hinabschlüpfen, einen dünnen, mit einem Knopfe versehenen Eisenstab einführt, an welchem man sie, nachdem man ihn ins Gehäuse gestoßen, heraufzieht. An den europäischen Küsten sind besonders drei Arten gemein: die Messerscheide (Solen vagina), die schwertförmige Scheidenmuschel (Solen ensis) und die hülsenförmige (Solen siliqua). Von einer afrikanischen Scheidenmuschel (Solen marginatus) erzählt Deshayes, wie sie sich, auf einen steinigen, zum Einbohren nicht geeigneten Grund gerathen, zu helfen weiß. Sie füllt die Mantelhöhle mit Wasser, schließt die Röhrenmündungen und zieht dann mit einem Rucke den ausgestreckten Fuß so ein, daß das Wasser mit Gewalt aus den Siphonen ausgetrieben wird und sein Stoß den Körper einen oder zwei Fuß weit vorwärts treibt. Dies wird wiederholt, bis das Thier einen günstigen Boden erreicht hat.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 371.
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