Breitstirnwombat (Phascolomys latifrons)

[601] Der Breitstirnwombat (Phascolomys latifrons, Ph. lasiorhinus), Vertreter der Untersippe Lasiorhinus, ist meist etwas größer als der Wombat, reichlich 1 Meter lang, sein Haar weicher als bei dem Verwandten und von licht mausgrauer Färbung. Einzelne dunklere fahlbraun und röthlichbraun gefärbte Haare stehen zwischen den übrigen und verleihen dem Pelze einen röthlichen Schimmer. Ein Fleck über dem Auge, Hals, Brust und Innenseite der Vorderglieder sind weiß. Die großen, vorstehenden Ohren endigen in eine ziemlich scharfe Spitze.

Vandiemensland und die Südküste von Neusüdwales sind die Heimat des Wombats, Südaustralien die seines letzterwähnten Verwandten. Beide Arten leben in dichten Wäldern, graben sich hier weite Höhlen und sehr tiefe Gänge in den Boden und verbringen in ihnen schlafend den ganzen Tag. Erst nachdem die Nacht vollständig eingetreten ist, humpelt der Wombat ins Freie, um Nahrung zu suchen. Diese besteht zumeist aus einem harten, binsenartigen Grase, welches weite Strecken überzieht, sonst aber auch in allerlei Kräutern und Wurzeln, welch letztere durch kraftvolles Graben erworben werden. Alle Arten der Gruppe scheinen in ihrer Lebensweise sich zu gleichen und das von dem einen Gesagte auch für den andern zu gelten.

Der Wombat sieht noch unbehülflicher aus, als er ist. Seine Bewegungen sind langsam, aber stätig und kräftig. Ein so stumpfsinniger und gleichgültiger Gesell, wie er ist, läßt sich nicht leicht aus seiner Ruhe bringen. Er geht seinen Weg gerade und unaufhaltsam fort, ohne vor irgend einem Hindernisse zurückzuschrecken. Die Eingebornen erzählen, daß er bei seinen nächtlichen Streifereien oft wie ein rollender Stein in Flüsse falle, an deren Ufern er trabt, dann aber, ohne sich beirren zu lassen, in der einmal genommenen Richtung auf dem Boden des Flußbettes fortlaufe, bis er irgendwo wieder freies Land gewinne, auf dem er dann mit einer Gleichgültigkeit seinen Weg fortsetze, als hätte es niemals ein Hindernis für ihn gegeben. Gefangene, welche ich beobachtete, lassen mir solche Erzählungen durchaus nicht so unglaublich erscheinen, als man meinen möchte. Es hält wirklich schwer, einen Wombat irgendwie zu erregen, obgleich man ihn unter Umständen erzürnen kann. So viel ist sicher, daß man ihn einen Trotzkopf ohne gleichen nennen muß, falls man es nicht vorziehen will, seine Beharrlichkeit zu rühmen. Was er sich einmal vorgenommen hat, versucht er, aller Schwierigkeit ungeachtet, auszuführen. Eine Höhle, welche er einmal begonnen, gräbt er mit Ruhe eines Weltweisen hundertmal wieder aus, wenn man sie ihm verstopft. Die australischen Ansiedler sagen, daß er höchst friedlich wäre und sich, ohne Unruhe [601] oder Aerger zu verrathen, vom Boden aufnehmen und wegtragen ließe, dagegen ein nicht zu unterschätzender Gegner würde, wenn ihm plötzlich einmal der Gedanke an Abwehr durch seinen Querkopf schösse, weil er dann wüthend und in gefährlicher Weise um sich beiße. Ich kann diese Angabe bestätigen. Gefangene, welche ich pflegte, benahmen sich nicht anders. Namentlich wenn man ihnen die Füße zusammenschnürte oder sie auch nur an den Füßen packte, zeigten sie sich sehr erbost und bissen, wenn ihnen die Sache zu arg wurde, sehr boshaft zu.

Wie die meisten australischen Thiere, hält auch der Wombat bei uns in der Gefangenschaft vortrefflich aus. Bei guter Pflege und geeigneter Nahrung scheint er sich sehr wohl zu befinden, wird dann auch leidlich zahm, d.h. gewöhnt sich insofern an den Menschen, daß man ihm gestatten darf, frei im Hause umherzulaufen.


Wombat (Phascolomys fossor) und Breitstirnwombat (Ph. latifrons). 1/8 natürl. Größe.
Wombat (Phascolomys fossor) und Breitstirnwombat (Ph. latifrons). 1/8 natürl. Größe.

Seine Gleichmüthigkeit läßt ihn die Gefangenschaft vergessen und macht ihn mit seinem Loose bald zufrieden; wenigstens kommt er nie auf den Gedanken, zu entfliehen. Auf Vandiemensland soll er der gewöhnliche Genosse der Fischer sein und wie ein Hund zwischen den Hütten umherlaufen. Doch darf man deshalb nicht glauben, daß er sich jemals mit seinem Pfleger befreunde. Der Mensch ist ihm ebenso gleichgültig wie die ganze übrige Welt. Wenn er zu fressen hat, kümmert er sich um nichts, was um ihn her vorgeht; jeder Ort ist ihm dann recht und jede Gegend angenehm.

Bei uns zu Lande ernährt man den blöden, geistig theilnahmlosen Gesellen mit grünem Futter, Möhren, Rüben, Früchten, Körnern und Getreide ohne Mühe, und wenn man ihm etwas Milch geben will, verschafft man ihm einen besondern Genuß. Zu viel von dieser, den meisten Thieren höchst angenehmen Flüssigkeit darf man ihm freilich nicht vorsetzen; denn sonst kommt er, wie englische Naturforscher erfahren mußten, einmal auch wohl auf den Gedanken, gleich in den [602] Milchnapf sich zu legen und hier ein Bad zu nehmen. In England hat man beide Arten bereits zur Fortpflanzung gebracht und dabei beobachten können, daß das Weibchen drei bis vier Junge wirft und sie, wenigstens so lange sie noch im Beutel sich befinden, mit großer Sorgfalt und Liebe pflegt und erzieht. Ob diese Versuche berechtigen, den Wombat auf die Liste der bei uns einzubürgernden Thiere zu setzen, wie die Franzosen es gethan haben, überlasse ich dem Urtheile meiner Leser. In Australien hält man allerdings das Fleisch des Wombats für wohlschmeckend und benutzt auch sein Fell, bei uns zu Lande dürfte aber weder das eine noch das andere gerade als besonders werthvoll betrachtet werden.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Dritter Band: Hufthiere, Seesäugethiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 601-604.
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