Galago (Otolicnus Galago)

[268] Unter den wenigen bis jetzt entdeckten und unterschiedenen Arten der Ohrenmaki's, deren größter einem fast erwachsenen Kaninchen gleichkommt, während die kleinste Art eine mäßiggroße Maus kaum übertrifft, kennen wir seit Adansons Zeiten den Galago (Otolicnus Galago, Lemur G., O. senegalensis, O. Teng, Galago senegalensis, G. Moholi, G. Cuvieri), ein zierliches Geschöpf von Eichhörnchengröße, nämlich 16 bis 20 Centim. Leibes-und 23 bis 25 Centim. Schwanzlänge. Sein kurzer, aber dichter und seidenweicher Pelz ist auf der Oberseite fahlgrau, am Kopfe und auf dem Rücken schwach röthlich, aber an der Innenseite der Gliedmaßen sowie am Bauche gelblichweiß gefärbt; eine ähnliche Färbung zeigen auch die Wangen und eine zwischen den Augen entspringende und bis an das Nasenende verlaufende Längsbinde. Die Ohren sind fleischfarben, die Augen braun.

Ein großer Theil Afrika's ist die Heimat des Galago. Adanson entdeckte ihn in den Waldungen des Königreichs Galam am Senegal; spätere Reisende beobachteten ihn in Südafrika und in Sudahn. Hier fand auch ich ihn mehrere Male, immer aber nur westlich von dem Weißen Nil und namentlich in Kordofân. Den Eingeborenen ist er unter dem Namen Tendj wohlbekannt; sie glauben, daß er ursprünglich ein Affe gewesen und nur wegen seiner Schlafsucht so herabgekommen sei. Wir trafen den Tendj bloß in Mimosenwäldern an. Gewöhnlich war ein Pärchen beisammen. Die Thiere schliefen, auf dichten Aesten ganz nahe am Stamme sitzend, wurden aber augenblicklich munter, sobald sie unsere Fußtritte vernahmen. Wenn wir sie aufscheuchten, kletterten sie – bei Tage – rasch und gewandt an dem Geäste umher, ergriffen aber niemals die Flucht, sondern blieben immer bald wieder ruhig und vertrauensvoll sitzen und lauschten und spähten durch das dichte Laubwerk nach uns hernieder. Durch die vielen scharfen Stacheln der Mimosen wußten sie sich sehr geschickt zu bewegen und verstanden es auch, weite Sätze von einem Baume zum anderen zu machen. Nachts sollen sie, wie man uns sagte, schnell aber lautlos ihrer Kerbthierjagd oder wenigstens ihrer Fruchternte obliegen, und ihre Augen sollen dann schimmern [268] »wie das brennende Feuer«. Man sagte, daß die Thiere sehr leicht in Schlingen gefangen, ja, bei Tage von guten Kletterern sogar mit der Hand erhascht werden können; denn der Fänger brauche nur den Ast, auf welchem der Tendj sitzt, tüchtig zu schütteln, dann klammere sich dieser, aus Furcht herabzufallen, fest an und lasse sich ergreifen. Ich glaube, daß diese Fangart ergiebig ist, weil ich selbst sie öfters mit Erfolg auf junge Eichhörnchen angewendet habe. Der Kaufmann Bacle, welcher zu Anfang unseres Jahrhunderts in Senegambien reiste, erhielt ein Pärchen von einem Neger, welcher es in den Gummiwäldern der südwestlichen Sahara gefangen hatte. Man nannte die Galagos »Gummithiere« und versicherte, daß sie Mimosenharze sehr gern fräßen. Das gefangene Paar bestätigte diese Angabe durch die That, zog aber doch Kerbthiere jeder anderen Nahrung vor. Während der Ueberfahrt geriethen beide augenblicklich in Bewegung, wenn ein Kerf an ihnen vorübersummte; sie lauerten auf Küchenschaben und schnappten sie schnell und sicher weg, sobald sie ihnen nahe genug kamen.


Galago (Otolicnus Galago). 1/2 natürl. Größe.
Galago (Otolicnus Galago). 1/2 natürl. Größe.

Man ernährte sie mit Eiern, gekochten Speisen und Milch, und sie befanden sich ganz wohl dabei. In ihrem Betragen erinnerten sie ebenso sehr an die Makis wie an die Fledermäuse. Ihr Muthwille, ihre Lebhaftigkeit und namentlich ihre Kraft im Springen setzte alle Reisende in Erstaunen; das merkwürdigste blieb aber doch die Bewegung ihrer Ohren. Diese konnten sie, wenn sie schlafen wollten, gänzlich verschließen. Zuerst runzeln und verkürzen sich die Ohren am Grunde, dann schlägt sich die Spitze derselben um und ein, so daß man von dem ganzen Ohre kaum noch etwas sehen kann. Beim geringsten Geräusche aber rollt sich die Ohrspitze wieder auf, und die ganze Muschel spannt und glättet sich. Genau in derselben Weise verfahren einige Fledermäuse, um ihren so überaus feinen Gehörssinn abzustumpfen und in dem Gelärm des Tages ruhig zu schlafen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. CCLXVIII268-CCLXIX269.
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