Streifenhiäne (Hyaena striata)

[10] Die Streifenhiäne (Hyaena striata, Canis Hyaena, Hyaena vulgaris, orientalis, antiquorum, fasciata und virgata) endlich ist das uns wohlbekannte Mitglied der Thierschaubuden. Sie kommt, weil sie uns am nächsten wohnt und überall gemein ist, auch am häufigsten zu uns und wird gewöhnlich zu den beliebten Kunststücken abgerichtet, welche man in Thierbuden zu sehen bekommt. Eine Beschreibung des Thieres erscheint seiner Allbekanntschaft halber kaum nöthig, läßt sich mindestens auf wenige Worte beschränken. Der Pelz ist rauh, straff und ziemlich langhaarig, seine Färbung ein gelbliches Weißgrau, von welchem sich schwarze Querstreifen abheben. Die Mähnenhaare haben ebenfalls schwarze Spitzen, und der Vorderhals ist nicht selten ganz schwarz, die Standarte bald einfarbig, bald gestreift. Der Kopf ist dick, die Schnauze verhältnismäßig dünn, obgleich immer noch plump genug; die aufrechtstehenden Lauscher sind groß und ganz nackt. Die Jungen ähneln den Alten. Ein Meter, etwas mehr oder weniger, ist das gewöhnliche Maß der Leibeslänge.

Das Verbreitungsgebiet der Streifenhiäne erstreckt sich von der Sierra Leona an quer durch Afrika und fast ganz Asien, östlich bis zum Altai. Sie bewohnt Nordafrika, Palästina, Syrien, Persien und Indien, ebenso die meisten Länder Südafrikas, tritt nirgends selten, an menschenleeren Orten sogar außerordentlich häufig auf; aber sie ist auch die am wenigsten schädliche unter allen und wird deshalb wohl nirgends besonders gefürchtet. In ihrer Heimat gibt es gemeiniglich so viel Aas oder wenigstens Knochen, daß sie nur selten durch den Hunger zu kühnen Angriffen auf lebendige Thiere gezwungen wird. Ihre Feigheit übersteigt alle Grenzen; doch kommt auch sie in das Innere der Dörfer herein und in Egypten wenigstens bis ganz nahe [10] an dieselben heran. Auf dem Aase, welches wir auslegten, um später Geier auf ihm zu schießen, erschienen des Nachts regelmäßig Hiänen und wurden uns deshalb lästig. Wenn wir im Freien rasteten, kamen sie häufig bis an das Lager geschlichen, und mehrmals haben wir von unserer Lagerstätte aus, ohne aufzustehen, auf sie feuern können. Bei einem Ausfluge nach dem Sinai erlegte mein Freund Heuglin eine gestreifte Hiäne vom Lager aus mit Hühnerschroten. Trotz ihrer Zudringlichkeit fürchtet sich kein Mensch vor ihr, und sie wagt wirklich niemals auch nur Schlafende anzugreifen. Ebensowenig gräbt sie Leichen aus, es sei denn, daß diese eben nur mit ein wenig Sand oder Erde überdeckt seien; an den schauerlichen Erzählungen also, welche man in Schaubuden von ihr hört, ist sie unschuldig. In ihrer Lebensweise ähnelt sie übrigens den vorhin genannten Arten vollständig und bedarf deshalb einer besonderen Schilderung nicht; dagegen kann ich aus eigener Erfahrung einiges über gezähmte mittheilen, welche ich in Afrika längere Zeit besaß.


Schabrakenhiäne (Hyaena brunnea). 1/12 natürl. Größe.
Schabrakenhiäne (Hyaena brunnea). 1/12 natürl. Größe.

Wenige Tage nach unserer ersten Ankunft in Charthum kauften wir zwei junge Hiänen für eine Mark unseres Geldes. Die Thierchen waren etwa so groß wie ein halb erwachsener Dachshund, mit sehr weichem, feinem, dunkelgrauem Wollhaare bedeckt und, obschon sie eine Zeitlang die Gesellschaft der Menschen genossen hatten, noch sehr ungezogen. Wir sperrten sie in einen [11] Stall, und hier besuchte ich sie täglich. Der Stall war dunkel; ich sah deshalb beim Hineintreten gewöhnlich nur vier grünliche Punkte in irgend einer Ecke leuchten. Sobald ich mich nahte, begann ein eigenthümliches Fauchen und Kreischen, und wenn ich unvorsichtig nach einem der Thierchen griff, wurde ich regelmäßig tüchtig in die Hand gebissen. Schläge fruchteten im Anfange wenig; jedoch bekamen die jungen Hiänen mit zunehmendem Alter mehr und mehr Begriffe von der Oberherrschaft, welche ich über sie erstrebte, bis ich ihnen eines Tages ihre und meine Stellung vollkommen klar zu machen suchte. Mein Diener hatte sie gefüttert, mit ihnen gespielt und war so heftig von ihnen gebissen worden, daß er seine Hände in den nächsten vier Wochen nicht gebrauchen konnte. Die Hiänen hatten inzwischen das Doppelte ihrer früheren Größe erreicht und konnten deshalb auch eine derbe Lehre vertragen. Ich beschloß, ihnen diese zu geben, und indem ich bedachte, daß es weit besser sei, eines dieser Thiere todtzuschlagen, als sich der Gefahr auszusetzen, von ihnen erheblich verletzt zu werden, prügelte ich sie beide so lange, bis keine mehr fauchte oder knurrte, wenn ich mich ihnen wieder näherte. Um zu erproben, ob die Wirkung vollständig gewesen sei, hielt ich ihnen eine halbe Stunde später die Hand vor die Schnauzen. Eine beroch dieselbe ganz ruhig, die andere biß und bekam von neuem ihre Prügel. Denselben Versuch machte ich noch einmal an dem nämlichen Tage, und die stöckische biß zum zweiten Male. Sie bekam also ihre dritten Prügel, und diese schienen denn auch wirklich hinreichend gewesen zu sein. Sie lag elend und regungslos in dem Winkel und blieb so während des ganzen folgenden Tages liegen, ohne Speise anzurühren. Etwa vierundzwanzig Stunden nach der Bestrafung ging ich wieder in den Stall und beschäftigte mich nun längere Zeit mit ihnen. Jetzt ließen sie sich alles gefallen und versuchten gar nicht mehr, nach meiner Hand zu schnappen. Von diesem Augenblicke an war Strenge bei ihnen nicht mehr nothwendig; ihr trotziger Sinn war gebrochen, und sie beugten sich vollkommen unter meine Gewalt. Nur ein einziges Mal noch mußte ich das Wasserbad, bekanntlich das beste Zähmungsmittel wilder Thiere überhaupt, bei ihnen anwenden. Wir hatten nämlich eine dritte Hiäne gekauft, und diese mochte ihre schon gezähmten Kameraden wieder verdorben haben; indessen bewiesen sie sich nach dem Bade, und nachdem sie von einander getrennt worden waren, wieder freundlich und liebenswürdig.

Nach Verlauf eines Vierteljahres, vom Tage der Erwerbung an gerechnet, konnte ich mit ihnen spielen wie mit einem Hunde, ohne befürchten zu müssen, irgendwelche Mißhandlung von ihnen zu erleiden. Sie gewannen mich mit jedem Tage lieber und freuten sich ungemein, wenn ich zu ihnen kam. Dabei benahmen sie sich, nachdem sie mehr als halberwachsen waren, höchst sonderbar. Sobald ich in den Raum trat, fuhren sie unter fröhlichem Geheul auf, sprangen an mir in die Höhe, legten mir ihre Vorderpranken auf beide Schultern, schnüffelten mir im Gesichte herum, hoben endlich ihre Standarte steif und senkrecht empor und schoben dabei den umgestülpten Mastdarm gegen fünf Centimeter weit aus dem After heraus. Diese Begrüßung wurde mir stets zu theil, und ich konnte bemerken, daß der sonderbarste Theil derselben jedesmal ein Zeichen ihrer freudigsten Erregung war.

Wenn ich sie mit mir auf das Zimmer nehmen wollte, öffnete ich den Stall, und beide folgten mir; die dritte hatte ich infolge eines Anfalles ihrer Raserei todtgeschlagen. Wie etwas zudringliche Hunde sprangen sie wohl hundertmal an mir empor, drängten sich zwischen meinen Beinen hindurch und beschnüffelten mir Hände und Gesicht. In unserem Gehöfte konnte ich so mit ihnen überall umhergehen, ohne befürchten zu müssen, daß eine oder die andere ihr Heil in der Flucht suchen würde. Später habe ich sie in Kairo an leichten Stricken durch die Straßen geführt zum Entsetzen aller gerechten Bewohner derselben. Sie zeigten sich so anhänglich, daß sie ohne Aufforderung mich zuweilen besuchten, wenn einer meiner Diener es vergessen hatte, die Stallthüre hinter sich zu verschließen. Ich bewohnte den zweiten Stock des Gebäudes, der Stall befand sich im Erdgeschoß. Dies hinderte die Hiänen aber gar nicht; sie kannten die Treppen ausgezeichnet und kamen regelmäßig auch ohne mich in das Zimmer, welches ich bewohnte. Für Fremde war [12] es ein ebenso überraschender als unheimlicher Anblick, uns beim Theetische sitzen zu sehen. Jeder von uns hatte eine Hiäne zu seiner Seite, und diese saß so verständig, ruhig auf ihrem Hintern, wie ein wohlerzogener Hund bei Tische zu sitzen pflegt, wenn er um Nahrung bettelt. Letzteres thaten die Hiänen auch, und zwar bestanden ihre zarten Bitten in einem höchst leisen, aber ganz heiserklingenden Kreischen und ihr Dank, wenn sie sich aufrichten konnten, in der vorhin erwähnten Begrüßung oder wenigstes in einem Beschnüffeln der Hände.

Sie verzehrten Zucker leidenschaftlich gern, fraßen aber auch Brod, zumal solches, welches wir mit Thee getränkt hatten, mit vielem Behagen. Ihre gewöhnliche Nahrung bildeten Hunde, welche wir für sie erlegten. Die große Menge der im Morgenlande herrenlos umherschweifenden Hunde machte es uns ziemlich leicht, das nöthige Futter für sie aufzutreiben; doch durften wir niemals lange an einem Orte verweilen, weil wir sehr bald von den Kötern bemerkt und von ihnen gemieden wurden. Auch während der dreihundert Meilen langen Reise von Charthum nach Kairo, welche wir allen Stromschnellen des Nils zum Trotze in einem Boote zurücklegten, wurden unsere Hiänen mit herrenlosen Hunden gefüttert. Gewöhnlich bekamen sie bloß den dritten oder vierten Tag zu fressen; einmal aber mußten sie freilich auch acht Tage lang fasten, weil es uns ganz unmöglich war, ihnen Nahrung zu schaffen. Da hätte man nun sehen sollen, mit welcher Gier sie über einen ihrer getödteten Verwandten herfielen. Es ging wahrhaft lustig zu: sie jauchzten und lachten laut auf und stürzten sich dann wie rasend auf ihre Beute. Wenige Bisse rissen die Bauch- und Brusthöhle auf, und mit Wollust wühlten die schwarzen Schnauzen in den Eingeweiden herum. Eine Minute später erkannte man keinen Hiänenkopf mehr, sondern sah bloß zwei dunkle, unregelmäßig gestaltete und über und über mit Blut und Schleim bekleisterte Klumpen, welche sich immer von neuem wieder in das Innere der Leibeshöhle versenkten und frisch mit Blut getränkt auf Augenblicke zum Vorschein kamen. Niemals hat mir die Aehnlichkeit der Hiänen mit den Geiern größer scheinen wollen als während solcher Mahlzeiten. Sie standen dann in keiner Hinsicht hinter den Geiern zurück, sondern übertrafen sie womöglich noch an Freßgier. Eine halbe Stunde nach Beginn ihrer Mahlzeiten fanden wir regelmäßig von den Hunden bloß noch den Schädel und die Lunte, alles übrige, wie Haare und Haut, Fleisch und Knochen, auch die Läufe, waren verzehrt worden. Sie fraßen alle Fleischsorten mit Ausnahme des Geierfleisches. Dieses verschmähten sie hartnäckig, selbst wenn sie sehr hungrig waren, während die Geier selbst es mit größter Seelenruhe verzehrten. Ob sie, wie behauptet wird, auch das Fleisch ihrer eigenen Brüder fressen, konnte ich nicht beobachten; Fleisch blieb immer ihre Lieblingsspeise, und Brod schien ihnen nur als Leckerbissen zu gelten.

Unter sich hielten meine Gefangenen gute Freundschaft. Manchmal spielten sie lange Zeit nach Hundeart miteinander, knurrten, kläfften, grunzten, sprangen übereinander weg, warfen sich abwechselnd nieder, balgten, bissen sich usw. War eine von der anderen längere Zeit entfernt gewesen, so entstand jedesmal großer Jubel, wenn sie wieder zusammenkamen; kurz, sie bewiesen deutlich genug, daß auch Hiänen heiß und innig lieben können.


*


Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Dritter Band: Hufthiere, Seesäugethiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 10-13.
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