Mähnenwolf (Canis jubatus)

[549] Der Mähnenwolf, rothe Wolf der Ansiedler, Guará der Eingeborenen (Canis jubatus, Chrysocyon jubatus, Canis campestris), hat, laut Burmeister, zwar die unverkennbarste Aehnlichkeit mit dem Wolfe, ist jedoch verhältnismäßig schwächlicher gebaut und viel hochbeiniger als dieser, die Schnauze enger, die Brust schmäler, der Schwanz kürzer. »Eigentlich«, sagt Hensel, »ist das Thier eine Misgestalt. Sein Rumpf erscheint unverhältnismäßig kurz, während die Beine, namentlich durch Verlängerung der Mittelhand und des Mittelfußes, eine für [549] unser Gefühl unnatürliche Länge besitzen.« Der Pelz hat ebenfalls sein eigenthümliches. Im Gesicht und an den Pfoten sind die Haare, nach Burmeisters Beschreibung, kurz anliegend, weiterhin, an den Beinen ganz allmählich, werden sie länger und erreichen ihre größte Länge im Nacken und längs des Rücken, wo sie eine starke aufrichtbare Mähne bilden und gegen 13 Centim. Länge haben. Ihre Färbung, ein klares reines Zimmetrothbraun, wird gegen die Mitte des Rückens etwas dunkler, gegen den Bauch hin heller, gelblicher; die Schnauze ist braun, die nackte Nase ganz schwarz, das Gesicht heller, das Ohr außen rothbraun, innen weißgelb; den Nacken ziert ein großer schwarzbrauner Fleck, welcher sich nach dem Rücken hinabzieht; die Pfoten sind auf der Vorderseite schwarz, hinten braun, die Innenseiten der Beine fast weiß; der Schwanz hat oben rothbraune, unten gelbliche Färbung. Bei 1,25 bis 1,3 Meter Leibes- und 40 Centim. Schwanzlänge beträgt die Höhe 70 Centim. und darüber.

Noch heutigen Tages wissen wir über das Leben dieses in allen Sammlungen seltenen Thieres außerordentlich wenig. Der Mähnenwolf hat zwar eine weite Verbreitung über Südamerika, kommt auch an geeigneten Oertlichkeiten Brasiliens, Paragay's, der Platastaaten einzeln überall vor, wird aber wegen seines scheuen, vorsichtigen und furchtsamen Wesens, welches ihn den menschlichen Ansiedelungen fern hält, stets selten gesehen und noch seltener erlangt. Burmeister betrachtet es als eine besondere »Gunst des Schicksals«, daß während seiner Anwesenheit in Lagoasanta ein Stück aufgebracht wurde und er dadurch Gelegenheit erhielt, das Thier beschreiben zu können. Aus der Ferne blickt der Mähnenwolf den Menschen neugierig an, geht dann aber schleunigst ab, wird überhaupt niemals zudringlich, greift nur ausnahmsweise das Herdenvieh, unter keinen Umständen aber den Menschen an und nährt sich schlecht und recht von kleinen Säugethieren und allerlei Früchten. Hensel, welcher bemerkt, daß auch er aus eigener Anschauung nichts zur Kenntnis der noch immer in Dunkel gehüllten Lebensweise des Mähnenwolfs beitragen könne, hörte auf der Hochebene der Serra geral am häufigsten von ihm erzählen. Er stellt hier den Schafherden nach und könnte somit schädlich werden, wenn er häufiger vorkäme. Ueber Tages hält er sich, nach Angabe des Prinzen von Wied, in den zerstreuten Gebüschen der offenen, heideartigen Gegenden des inneren Landes auf, ängstlich sich verbergend; des Nachts, in unbewohnten Gegenden wohl auch in den Nachmittagsstunden, trabt er nach Nahrung umher und läßt dann seine laute, weitschallende Stimme vernehmen. Gegen Abend soll man ihn, laut Hensel, zuweilen in den sumpfigen mit hohen Grasbüscheln bewachsenen Niederungen sehen, wie er sich mit der Jagd der Apereas oder wilden Meerschweinchen beschäftigt. Diese Thiere huschen mit so großer Schnelligkeit zwischen den Grasbüscheln umher, daß sie kein Jagdhund fangen kann; der Mähnenwolf aber greift sie doch. Seine hohen Läufe befähigen ihn, das Jagdgebiet auf weithin zu übersehen und so gewaltige Sätze zu machen, daß ihm gedachtes Kleinwild nicht immer entgeht. Ob er auch zu andauerndem Laufe geschickt ist, konnte Hensel nicht in Erfahrung bringen. Man möchte dies vermuthen, obgleich er zuweilen von Hunden eingeholt werden soll. In Brasilien verschmäht man das Fleisch eines erlegten Guará durchaus nicht. Burmeister, welchem es als Hirschbraten vorgesetzt wurde, fand es zwar etwas zähe aber wohlschmeckend und erfuhr erst durch seinen Gastgeber, daß er einen Wolfsschenkel anstatt eines Wildschlegels verzehrt hatte.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. DXLIX549-DL550.
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