Windhund (Canis familiaris grajus)

[592] Die Merkmale der Windhunde (Canis familiaris grajus, C.f. leporarius) liegen in dem äußerst schlanken, zierlichen, an der Brust geweiteten, in den Weichen eingezogenen Leibe, dem spitzigen, fein gebauten Kopfe, den dünnen, hohen Gliedmaßen und dem in der Regel kurzhaarigen, glatten Felle. Die langausgestreckte Schnauze, die ziemlich langen, schmalen, zugespitzten, halbaufrechtstehenden, gegen die Spitze umgebogenen und mit kurzen Haaren besetzten Ohren, die kurzen und straffen Lippen geben dem Kopfe das eigenthümlich zierliche Ansehen und bedingen zugleich die verschiedene Ausbildung der Sinne. Der Windhund vernimmt und äugt vortrefflich, hat dagegen nur einen schwachen Geruchssinn, weil die Nasenmuscheln in der spitzen Schnauze sich nicht gehörig auszubreiten vermögen, und so die Nervenentwickelung des betreffenden Sinnes nie zu derselben Ausbildung gelangen kann wie bei anderen Hunden. An dem gestreckten Leibe fällt die Brust besonders auf. Sie ist breit, groß, ausgedehnt und gibt verhältnismäßig sehr großen [592] Lungen Raum, welche auch bei dem durch eilige Bewegung außerordentlich gesteigerten Blutumlaufe zur Reinigung des Blutes hinreichenden Sauerstoff aufnehmen können.


Windhund (Canis familiaris grajus). 1/10 natürl. Größe.
Windhund (Canis familiaris grajus). 1/10 natürl. Größe.

Die Weichen dagegen sind aufs äußerste angezogen, gleichsam um dem durch die Brust erschwerten Leibe wieder das nöthige Gleichgewicht zu geben. Wir haben denselben Leibesbau bei den Langarmaffen und einen ähnlichen bei dem Gepard bemerken können und finden ihn bei vielen Thieren wieder, immer als untrügliches Zeichen der Befähigung zu schneller und anhaltender Bewegung. Ungemein fein gebaut sind die Läufe des Windhundes: man sieht an ihnen jeden Muskel und namentlich auch die starken Sehnen, in welche diese Muskeln endigen. Aber auch an dem Brustkasten bemerkt man alle Zwischenrippenmuskeln, und manche Windhunde sehen aus, als ob ihre Muskeln von einem geschickten Zergliederer bereits bloßgelegt wären. Der Schwanz ist sehr dünn, ziemlich lang, reicht weit unter das Fersengelenk herab und wird entweder zurückhängend getragen oder nach rückwärts gestreckt und etwas nach aufwärts gebogen. Die in der Regel dicht anliegende, feine und glatte Behaarung verlängert sich bei einzelnen Rassen und nimmt dann meist auch eine abweichende Färbung an, während diese bei den meisten Rassen ein schönes Röthlichgelb ist. Gerade die vollendetsten Windhunde, nämlich die persischen und innerafrikanischen, tragen fast ausschießlich ein derartig gefärbtes Haarkleid. Gefleckte Windspiele sind seltener und regelmäßig schwächlicher als die einfarbigen.

[593] Hinsichtlich des geistigen Wesens unterscheidet sich der Windhund von anderen Hunden. Er ist ein im höchsten Grade selbstsüchtiges Geschöpf, hängt in der Regel nicht in besonderer Treue seinem Herrn an, sondern läßt sich von Jedermann schmeicheln und neigt sich zu Jedem hin, welcher ihm freundlich ist. Gegen Liebkosungen empfänglich wie kein anderer Hund, läßt er sich ebenso leicht erzürnen und fletscht schon bei der kleinsten Neckerei die Zähne. Eitelkeit und ein gewisser Stolz ist ihm nicht abzusprechen; Zurücksetzungen verträgt er nicht. Bei lebhafter Erregung nimmt sein Herzschlag eine kaum glaubliche Unregelmäßigkeit und Schnelligkeit an; er zittert dabei oft am ganzen Leibe. Alle diese Eigenschaften machen ihn nur bis zu einem gewissen Grade als Gesellschafter der Menschen tauglich. Hat er einen Herrn, welcher ihn beständig schmeichelt, so befindet er sich wohl und zeigt auch eine gewisse Anhänglichkeit; seine Untreue aber macht sich bemerklich, sobald ein anderer Mensch ihm sich freundlicher zeigt als der eigene Herr. Diese Untreue ist geschichtlich. Als Eduard III. starb, zog ihm seine Buhle noch schnell einen kostbaren Ring vom Finger, und sein Windspiel verließ ihn im Augenblicke des Todes und schmiegte sich seinen Feinden an. Doch gibt es auch unter den Windhunden rühmliche Ausnahmen, welche an Anhänglichkeit und Treue hinter anderen Hunden kaum zurückstehen und uns auch in dieser Hinsicht mit der Rasse befreunden. Und möglicherweise verdienen die Windspiele insgesammt von vornherein entschuldigt zu werden; denn gewichtige Gründe sprechen dafür, daß die größere oder geringere Anhänglichkeit eines Hundes mit der verschiedenen Ausbildung ihres Geruchsinnes in Beziehung steht.

Wie der Windhund gegen den Menschen sich zeigt, so benimmt er sich auch gegen andere Hunde. Er liebt sie nicht, sie sind ihm sogar fast gleichgültig: kommt es aber zu einer Balgerei, so ist er sicher der erste, welcher zubeißt, und kann dann gefährlich werden. Denn trotz seiner schlanken, feinen Gestalt ist er stark, und sobald es zum Beißen kommt, benutzt er seine Größe, hält dem Gegner die Schnauze immer übers Genick, packt, sobald jener sich rührt, fest zu, sucht ihn empor zu heben und schüttelt ihn, daß ihm Hören und Sehen vergeht. Dabei handelt er so niedrig, daß er auch mit kleinen Hunden anbindet, welche andere, edeldenkende Hunde stets mit einer gewissen Herablassung behandeln und wenigstens niemals beißen: es kommt häufig genug vor, daß ein Windhund kleinere Hunde in wenigen Augenblicken todtschüttelt. Alle unliebsamen Eigenschaften des Windhundes können jedoch seine Bedeutung nicht beeinträchtigen. Vielen Völkerschaften macht er sich ebenso unentbehrlich wie der Vorstehhund dem europäischen Jäger, der Hirtenhund dem Schäfer. Weit mehr, als er im Norden benutzt wird, gebraucht man ihn im Süden, namentlich in allen Steppenländern. Tataren, Perser, Kleinasiaten, Beduinen, Kabilen, die Araber, Sudânesen, Inder und andere mittelafrikanische und asiatische Völkerschaften achten ihn überaus hoch, im Werthe oft einem guten Pferde gleich. Unter den Araberstämmen der Wüste oder vielmehr der Wüstensteppen am Rande der Sahara geht das Sprichwort:


»Ein guter Falk, ein schneller Hund, ein edles Pferd,

Sind mehr als zwanzig Weiber werth«,


und man begreift die Begründung dieses Sprichwortes, wenn man unter den Leuten gelebt hat.

Bei uns freilich wird der Windhund nicht viel gebraucht. Die Jagd mit ihm ist für den Wildstand äußerst schädlich und deshalb auch an vielen Orten untersagt. Nur große Gutsbesitzer machen sich ab und zu das Vergnügen, mit ihm zu jagen. Dazu wird er leicht abgerichtet. Wenn er ein und ein halbes Jahr alt geworden, nimmt man ihn an die Leine und sucht es dahin zu bringen, daß er an dieser ruhig geht. Anfangs bringt man ihn mit einem alten Windhunde auf ein Revier, wo es wenig Hasen gibt, und hetzt erst bloß junge Hasen, welche aber noch nicht weit von ihm entfernt sein dürfen. Die Gegend muß eben und frei sein, und man muß zu Pferde überall hinkommen können, damit man auch zur rechten Zeit bei ihm anlangt, wenn er einen Hasen gefangen hat.

Solche Jagd bietet ein schönes Schauspiel. Der Hase ist so dumm nicht wie er aussieht, und spielt dem unerfahrenen Hunde manche Tücke. In rasender Eile jagt dieser seinem Wilde nach, [594] macht Sätze von wirklich unglaublicher Ausdehnung, nicht selten solche, welche mit denen der größeren Katzen wetteifern, von zwei, drei und vier Meter Weite, und so geschieht es, daß er dem Hasen bald auf den Leib rückt. Jetzt ist er dicht herangekommen, – im nächsten Augenblicke wird er ihn fassen – aber der Hase hat plötzlich einen Haken geschlagen und rennt rückwärts; der Hund dagegen, welcher in gerader Flucht ihm nacheilte, ist weit über ihn hinausgestürzt, fällt fast auf die Erde, schaut sich wüthend um, geräth in äußersten Zorn, sucht und sieht endlich den Hasen bereits auf anderthalbhundert Schritte Entfernung dahinlaufen. Jetzt wirft er sich herum, rast ihm nach, faßt ihn bereits wieder, da schlägt der Hase einen zweiten Haken und dem Hunde ergeht es wie das erste Mal. In dieser Weise würde die Jagd ohne Ende fortdauern, wenn man nicht zwei Hunde auf einen Hasen laufen ließe, von denen der eine verfolgt, während der andere ihm den Bogen abschneidet. Hat nun endlich der Hund den Hasen gefangen, so muß man sobald als möglich zur Stelle sein; denn die allermeisten Windhunde schneiden ihre Beute an und haben sie manchmal bereits halb aufgefressen, wenn der Jäger herbeikommt. Ein Windhund, welcher die anderen hiervon abhält, wird Retter genannt, und derjenige, welcher im Stande ist, einen Hasen allein ohne Hülfe zu erhaschen, Solofänger; beide werden außerordentlich theuer bezahlt und sind sehr gesucht.

Um von der Schnelligkeit eines guten Windhundes ein Beispiel zu geben, mag eine von Engländern angestellte Beobachtung hier Platz finden. Eine Koppel von Windhunden durchlief, laut Daniel, bei Verfolgung eines aus dem Lager gestoßenen Hasen in zwölf Minuten über vier englische Meilen in gerader Richtung, also nach Abrechnung aller, die Entfernung sehr beträchtlich vermehrenden Krümmungen und Haken, welche der Hase in seiner Noth einschlug. Dies kommt der Schnelligkeit der Personenzüge auf unseren gutverwalteten Eisenbahnen ungefähr gleich. Der Hase hatte sich todt gelaufen, bevor die Windhunde ihn erreichten.

Während im Norden die Windhunde vielfach durch ihren Leibesbau und ihre Behaarung sich unterscheiden, gehören die des Südens, wie es scheint, mehr oder weniger einer Rasse an, welche uns der Step penwindhund kennen lehren mag. Er ist ein ebenso edles als anmuthiges Thier, seine Behaarung seidenweich, seine Färbung ein leichtes Isabellgelb, welches nicht selten ins Weißliche zieht, häufig aber bis zur echten Rehfarbe dunkelt. Auf den alten egyptischen Denkmälern findet man die Rasse unter anderen, namentlich gefleckten Windhunden abgebildet, woraus also hervorgeht, daß dieses vortreffliche Thier schon im grauen Alterthum benutzt wurde. Ich meinestheils habe ihn in Kordofân kennen gelernt.

Alle Steppenbewohner, und zwar die festsitzenden ebensogut wie die herumwandernden, verehren den Windhund in absonderlicher Weise. Es wurde mir nicht möglich, ein Windspiel käuflich an mich zu bringen, weil die Leute sich durchaus nicht auf den Handel einlassen wollten. Besondere Gebräuche, welche zum Gesetze geworden sind, bestimmen gewissermaßen den Werth des Thieres. So muß, um ein Beispiel zu geben, in Jemen nach altem Brauch und Recht Jeder, welcher ein Windspiel erschlägt, so viel Weizen zur Sühne geben, als erforderlich ist, den Hund zu bedecken, wenn er so an der Standarte aufgehängt wird, daß er mit der Schnauzenspitze eben den Boden berührt. Bei dem verhältnismäßig hohen Preise, welchen der Weizen in jener Gegend hat, beansprucht dies eine ganz außerordentliche Summe; denn ein derartig aufgehangener Windhund erfordert bei dem geringen Fallwinkel des Getreides, wenn er bedeckt sein will, einen Haufen von vielen Scheffeln.

Im Jahre 1848 verlebte ich mehrere Wochen in dem Dorfe Melbeß in Kordofân und hatte hier vielfache Gelegenheit, den innerafrikanischen Windhund zu beobachten. Die Dorfbewohner nähren sich, obgleich sie Getreide bauen, hauptsächlich von der Viehzucht und der Jagd. Aus diesem Grunde halten sie bloß Schäfer-und Windhunde, die ersteren bei den Herden, die letzteren im Dorfe. Es war eine wahre Freude, durch das Dorf zu gehen; denn vor jedem Hause saßen drei [595] oder vier der prächtigen Thiere, von denen eines das andere an Schönheit übertraf. Sie waren wachsam und schon hierdurch von ihren Verwandten sehr verschieden. Sie schützten das Dorf auch gegen die nächtlichen Ueberfälle der Hiänen und Leoparden; nur in einen Kampf mit dem Löwen ließen sie sich nicht ein. Am Tage verhielten sie sich ruhig und still; nach Einbruch der Nacht begann ihr wahres Leben. Man sah sie dann auf allen Mauern herumklettern; selbst die Strohdächer der Dokhâls oder runden Hütten mit kegelförmigem Dache bestiegen sie, wahrscheinlich um dort einen geeigneten Standpunkt zum Ausschauen und Lauschen zu haben. Ihre Gewandtheit im Klettern erregte billig meine Verwunderung. Schon in Egypten hatte ich beobachtet, daß die Dorfhunde nachts mehr auf den Häusern als auf den Straßen sich aufhalten: hier aber sind alle Hüttendächer glatt und eben; in Melbeß dagegen waren dies nur die wenigsten; gleichwohl schienen auch hier die Hunde oben ebenso heimisch zu sein als unten auf der flachen Erde. Wenn nun die Nacht hereinbrach, hörte man anfangs wohl hier und da Gekläff und Gebell; bald jedoch wurde es ganz ruhig, und man vernahm höchstens das Geräusch, welches die Hunde verursachten, wenn sie über die Dächer wegliefen, unter denen man lag. Doch verging während meines ganzen Aufenthaltes keine Nacht, ohne daß sie Gelegenheit gefunden hätten, dem Menschen zu dienen. Eine Hiäne, ein Leopard oder ein Gepard, wilde Hunde und andere Raubthiere näherten sich allnächtlich dem Dorfe. Ein Hund bemerkte die verhaßten Gäste, und schlug in eigenthümlich kurzer Weise heftig an. Im Nu war die ganze Meute lebendig: mit wenig Sätzen sprang jeder Hund von seinem erhabenen Standpunkte herab; in den Straßen bildete sich augenblicklich eine Meute, und diese stürmte nun eilig vor das Dorf hinaus, um den Kampf mit dem Feinde zu bestehen. Gewöhnlich hatte schon nach einer Viertelstunde die ganze Gesellschaft sich wieder versammelt: der Feind war in die Flucht geschlagen, und die Hunde kehrten siegreich zurück. Bloß wenn ein Löwe erschien, bewiesen sie sich feige und verkrochen sich heulend in einen Winkel der Serîba oder der dornigen Umzäunung des Dorfes.

Jede Woche brachte ein paar Festtage für unsere Thiere. Am frühen Morgen vernahm man zuweilen im Dorfe den Ton eines Hornes, und dieser rief ein Leben unter den Hunden hervor, welches gar nicht zu beschreiben ist. Als ich den eigenthümlichen Klang des Hornes zum ersten Male vernahm, wußte ich ihn mir nicht zu deuten; die Hunde aber verstanden sehr wohl, was er sagen sollte. Aus jedem Hause hervoreilten ihrer drei oder vier mit wilden Sprüngen, jagten dem Klange nach, und in wenigen Minuten hatte sich um den Hornbläser eine Meute von wenigstens fünfzig bis sechszig Hunden versammelt. Wie ungeduldige Knaben umdrängten sie den Mann, sprangen an ihm empor, heulten, bellten, kläfften, wimmerten, rannten unter sich hin und her, knurrten einander an, drängten eifersüchtig diejenigen weg, welche dem Manne am nächsten standen, kurz, zeigten in jeder Bewegung und in jedem Laute, daß sie aufs äußerste erregt waren. Als ich aus den meisten Häusern die jungen Männer mit ihren Lanzen und verschiedenen Schnuren und Stricken hervortreten sah, verstand ich freilich, was der Hornlaut zu sagen hatte: daß er das Jagdzeichen war. Nun sammelte sich die Mannschaft um die Hunde, und Jeder suchte sich seine eigenen aus dem wirren Haufen heraus. Ihrer vier bis sechs wurden immer von einem Manne geführt; dieser aber hatte oft seine Noth, um die ungeduldigen Thiere nur einigermaßen zu zügeln. Das war ein Drängen, ein Vorwärtsstreben, ein Kläffen, ein Bellen ohne Ende! Endlich schritt der ganze Jagdzug geordnet zum Dorfe hinaus, dabei ein wirklich prachtvolles Schauspiel gewährend. Man ging selten weit, denn schon die nächsten Wälder boten eine ergiebige Jagd, und diese war, Dank dem Eifer und Geschick der Hunde, für die Männer eine verhältnismäßig leichte. An einem Dickichte angekommen, bildete man einen weiten Kessel und ließ die Hunde los. Diese drangen in das Innere des Dickichts ein und fingen fast alles jagdbare Wild, welches sich dort befand. Man brachte mir Trappen, Perlhühner, Frankoline, ja sogar Wüstenhühner, welche von den Hunden gefangen worden waren. Mehr brauche ich wohl nicht zu sagen, um die Gewandtheit dieser vortrefflichen Thiere zu beweisen. Eine Antilope entkam ihnen nie, weil sich jedesmal ihrer vier oder [596] sechs vereinigten, um sie zu verfolgen. Die gewöhnliche Jagdbeute bestand aus Antilopen, Hasen und Hühnern, doch wurden auch andere Thiere von den Hunden erbeutet, z.B. Wildhunde (Canis simensis), Steppenfüchse (Vulpes famelica) und sonstige Raubthiere; auch versicherte man mir, daß ein Leopard, ein Gepard oder eine Hiäne den Windhunden jedesmal erliegen müsse.

Diese Hunde sind der Stolz der Steppenbewohner und werden deshalb auch mit einer gewissen Eifersucht festgehalten. Bei den festwohnenden Arabern der Nilniederung findet man sie nicht, und nur selten kommt ein Steppenbewohner mit zwei oder drei seiner Lieblingsthiere bis zum Nile herab, verliert auch bei solchen Gelegenheiten gewöhnlich einen seiner Hunde, und zwar durch die Krokodile. Die am Nile und seinen Armen geborenen und dort aufgewachsenen Hunde werden von den Krokodilen niemals überrascht. Sie nahen sich, wenn sie trinken wollen, dem Strome mit der allerverständigsten Vorsicht und tappen nie blindlings zu, wie die der Verhältnisse unkundigen Steppenhunde. Ein Nilhund, um dies kurz zu beschreiben, kommt mistrauisch zum Flußufer, beobachtet das Wasser von dort genau, schreitet bedachtsam näher bis zu dem Spiegel desselben heran, heftet die Augen fest auf das trügerische Element und trinkt in Absätzen, bei der geringsten Bewegung der Wellen sich eilig zurückziehend; der Steppenhund dagegen denkt gar nicht daran, daß im Wasser etwas verborgen sein könne, springt unbesorgt in den Strom, um sich auch Brust und Leib zu kühlen, und fällt so den Krokodilen häufig zum Opfer. Ob dies eine der Hauptursachen ist, daß man unmittelbar am Nile selbst keine Windhunde hält, oder ob noch andere Umstände mitwirken, weiß ich nicht zu sagen.

Ueber die Windhunde des westlichen Theiles der Wüste mag uns General Daumas belehren:

»In der Sahara wie in allen übrigen Ländern der Araber ist der Hund nicht mehr als ein vernachlässigter, beschwerlicher Diener, welchen man von sich stößt, wie groß auch die Nützlichkeit seines Amtes sei, gleichviel ob er die Wohnung bewachen oder das Vieh hüten muß; nur der Windhund allein genießt die Zuneigung, die Achtung, die Zärtlichkeit seines Herrn. Der Reiche sowohl wie der Arme betrachten ihn als den unzertrennlichen Genossen aller ritterlichen Vergnügungen, welche die Beduinen mit so großer Freude üben. Man hütet diesen Hund wie seinen eigenen Augapfel, gibt ihm sein besonderes Futter, läßt ihn, sozusagen, mit sich aus einer Schüssel speisen und sieht mit großer Sorgfalt auf die Reinhaltung der Rassen. Ein Mann der Sahara durchreist gern seine zwanzig, dreißig Meilen, um für eine edle Hündin einen passenden edlen Hund zu finden!

Der Windhund der besten Art muß die flüchtige Gazelle in wenig Zeit erreichen. ›Wenn der Slugui eine Gazelle sieht, welche weidet, fängt er sie, ehe sie Zeit hatte, den Bissen im Munde hinab zu schlingen‹, sagen die Araber, um die Schnelligkeit und Güte ihrer Hunde zu versinnlichen.

Geschieht es, daß eine Windhündin sich mit einem anderen Hunde einläßt und trächtig wird, so tödten die Araber ihr die Jungen im Leibe, sobald sie sich einigermaßen entwickelt haben. Und nicht allein ihre Kinder verliert solch eine ungerathene Hündin, sondern unter Umständen auch das eigene Leben. Ihr Besitzer läßt sie ohne Gnade umbringen: ›Wie‹, ruft er aus, ›du, eine Hündin von Erziehung, eine Hündin von edler Geburt, wirfst dich weg und läßt dich mit dem Pöbel ein? Es ist eine Gemeinheit ohne Gleichen; stirb mit deinem Verbrechen!‹

Wenn eine Windhündin Junge geworfen hat, verlieren die Araber keinen Augenblick, um diese Jungen gehörig zu beobachten und sie zu liebkosen. Nicht selten kommen die Frauen herbei und lassen sie an ihren eigenen Brüsten trinken. Je größeren Ruf die Hündin hat, um so mehr Besuche empfängt sie während ihres Wochenbettes, und alle bringen ihr Geschenke, die einen Milch, die anderen Kuskusu. Kein Versprechen, keine Schmeichelei gibt es, welche nicht angewandt würde, um ein junges, edles Hündchen zu erlangen. ›Ich bin dein Freund, mein Bruder, thue mir den Gefallen und gib mir das, worum ich dich bitte; ich will dich gern begleiten, wenn du zur Jagd hinausgehst; ich will dir dienen und dir alle Freundlichkeiten erzeigen.‹ Auf alle diese [597] Bitten antwortet der Herr der Hündin, dem solche Bitten gespendet werden, gewöhnlich, daß er noch nicht Gelegenheit gehabt habe, für sich selbst den ihm anstehenden Hund des Gewölfes auszusuchen, und unter sieben Tagen gar nichts sagen könne. Solche Zurückhaltung hat ihren Grund in einer Beobachtung, welche die Araber gemacht haben wollen. In dem Gewölfe der Windhündin gibt es immer ein Hündchen, welches auf allen übrigen liegt, sei es zufällig oder infolge seiner eigenen Anstrengungen. Um sich nun vollends von der Güte dieses Thieres zu versichern, nimmt man es von seinem Platze weg und beobachtet, ob es sich in den ersten sieben Tagen wiederholt denselben erobert. Geschieht dies, so hat der Besitzer die größten Hoffnungen, einen vorzüglichen Hund in ihm zu erhalten, und es würde vergeblich sein, ihm den besten Negersklaven als Tauschmittel zu bieten: er verkauft den Hund sicherlich nicht. Eine andere Ansicht läßt diejenigen Hunde als die besten erscheinen, welche zuerst, zu dritt und zu fünft geboren werden.

Mit dem vierzigsten Tage werden die jungen Windhunde entwöhnt; demungeachtet erhalten sie aber noch Ziegen- oder Kamelmilch, soviel sie mögen, und dazu Datteln und Kuskusu. Nicht selten sieht man Araber, welche für die jungen, der Mutter entwöhnten Hunde milchreiche Ziegen festhalten, damit die hochgeachteten Thiere an denselben saugen können.

Ist der Windhund drei oder vier Monate alt geworden, so beginnt man, sich mit seiner Erziehung zu beschäftigen. Die Knaben lassen vor ihm Spring- und Rennmäuse laufen und hetzen den jungen Fänger auf dieses Wild. Es dauert nicht lange, so zeigt das edle Thier bereits rege Lust an solcher Jagd, und nach wenigen Wochen ist es schon so weit gekommen, daß es auch auf andere, größere Nager verwendet werden kann. Im Alter von fünf und sechs Monaten beginnt man bereits mit der Jagd des Hasen, welche ungleich größere Schwierigkeit verursacht. Die Diener gehen zu Fuß, den jungen Windhund an der Hand führend, nach einem vorher ausgekundschafteten Hasenlager, stoßen den Schläfer auf, feuern den Hund durch einen leisen Zuruf zur Verfolgung an und fahren mit diesem Geschäfte fort, bis der Windhund Hasen zu fangen gelernt hat. Von diesen steigt man zu jungen Gazellen auf. Man nähert sich ihnen mit aller Vorsicht, wenn sie zur Seite ihrer Mütter ruhen, ruft die Aufmerksamkeit der Hunde wach, begeistert sie, bis sie ungeduldig werden, und läßt sie dann los. Nach einigen Uebungen betreibt der Windhund auch ohne besondere Aufmunterung die Jagd leidenschaftlich.

Unter solchen Uebungen ist das edle Thier ein Jahr alt geworden und hat beinahe seine ganze Stärke erreicht. Demungeachtet wird der Slugui noch nicht zur Jagd verwandt, höchstens, nachdem er fünfzehn oder sechszehn Monate alt geworden ist, gebraucht man ihn wie die übrigen. Aber von diesem Augenblicke anmuthet man ihm auch fast das Unmögliche zu, und er führt das Unmögliche aus.

Wenn jetzt dieser Hund ein Rudel von dreißig oder vierzig Antilopen erblickt, zittert er vor Aufregung und Vergnügen und schaut bittend seinen Herrn an, welcher erfreut ihm zu sagen pflegt: ›Du Judensohn, sage mir nur nicht mehr, daß du sie nicht gesehen hast. Ich kenne dich, Freund; aber will dir gern zu Willen sein‹. Jetzt nimmt er seinen Schlauch herab und befeuchtet dem Judensohne und Freunde Rücken, Bauch und Geschlechtstheile, überzeugt, daß der Hund hierdurch mehr gestärkt werde als durch alles übrige. Der Windhund seinerseits ist voll Ungeduld und wendet seine Augen bittend nach seinem Herrn. Endlich sieht er sich frei, jauchzt vor Vergnügen auf und wirft sich wie ein Pfeil auf seine Beute, immer das schönste und stattlichste Stück des Rudels sich auswählend. Sobald er eine Gazelle oder andere Antilope gefangen hat, erhält er augenblicklich sein Weidrecht, das Fleisch an den Rippen nämlich, – Eingeweide würde er mit Verachtung liegen lassen.

Der Windhund ist klug und besitzt sehr viel Eitelkeit. Wenn man ihm vor der Jagd eine schöne Antilope zeigt, er aber nicht im Stande ist, diese zu bekommen, sondern dafür eine andere niederreißt und dafür gescholten wird, zieht er sich schamvoll zurück, auf sein Wildrecht verzichtend. Die Erziehung, welche er genießt, macht ihn unglaublich eitel. Ein edler Windhund frißt niemals [598] von einem schmutzigen Teller und trinkt nie Milch, in welche Jemand seine Hand getaucht hat. Seine Erzieher haben ihn so verwöhnt, daß er die beste Abwartung verlangt. Während man anderen Hunden kaum Nahrung reicht, sondern sie vielmehr zwingt, mit dem Aase und mit den Knochen sich zu nähren, welche die Windhunde verschmähen, während man sie wüthend aus den Zelten stößt und vom Tische wegjagt, schläft der Windhund zur Seite seines Herrn auf Teppichen und nicht selten in einem Bette mit seinem Besitzer. Man kleidet ihn an, damit er nicht von der Kälte leidet, man belegt ihn mit Decken wie ein edles Pferd; man gibt sich Mühe, ihn zu erheitern, wenn er mürrisch ist, alles dies, weil seine Unarten, wie man sagt, ein Zeichen seines Adels sind. Man findet Vergnügen darin, ihn mit allerlei Schmuck zu behängen; man legt ihm Halsbänder und Muscheln um und behängt ihn, um ihn vor dem Blicke des ›bösen Auges‹ zu schützen, mit Talismanen; man besorgt seine Nahrung mit größter Sorgfalt und gibt ihm überhaupt nur das Essen, welches man selbst für Leckerbissen hält. Und nicht genug damit: der Windhund begleitet seinen Herrn, wenn dieser seine Besuche macht, empfängt wie dieser die Gastfreundschaft im vollsten Maße, erhält sogar seinen Theil von jedem Gerichte.

Der edle Windhund jagt nur mit seinem Herrn. Solche Anhänglichkeit und die Reinlichkeit des Thieres vergilt die Mühe, welche man sich mit ihm gibt. Wenn nach einer Abwesenheit von einigen Tagen der Herr zurückkommt, stürzt der Windhund jauchzend aus dem Zelte hervor und springt mit einem Satze in den Sattel, um den von ihm schmerzlich Vermißten zu liebkosen. Dann sagt der Araber zu ihm: ›Mein lieber Freund, entschuldige mich, es war nothwendig, daß ich dich verließ; aber ich gehe nun mit dir: denn ich brauche Fleisch, ich bin des Dattelnessens müde, und du wirst wohl so gut sein, mir Fleisch zu verschaffen‹. Der Hund benimmt sich bei allen diesen Freundlichkeiten, als wisse er sie Wort für Wort in ihrem vollen Werthe zu würdigen.

Wenn ein Windhund stirbt, geht ein großer Schmerz durch das ganze Zelt. Die Frauen und Kinder weinen, als ob sie ein theueres Familienglied verloren hätten. Und oft genug haben sie auch viel verloren; denn der Hund war es, welcher die ganze Familie erhielt. Ein Slugui, welcher für den armen Beduinen jagt, wird niemals verkauft, und nur in höchst seltenen Fällen läßt man sich herbei, ihn einem der Verwandten oder einem Marabut, vor dem man große Ehrfurcht hat, zu schenken. Der Preis eines Slugui, welcher die größeren Gazellen fängt, steht dem eines Kameles gleich; für einen Windhund, welcher größere Antilopen niederreißt, bezahlt man gern so viel wie für ein schönes Pferd.«

Die Perser benutzen ihre Windhunde, welche den afrikanischen außerordentlich ähneln, ebenfalls hauptsächlich bei der Antilopenjagd, stellen ihnen aber in ihren Baizfalken vortreffliche Gehülfen. Alle vornehmen Perser sind leidenschaftliche Freunde dieser gemischten oder vereinigten Hetzjagden und wagen bei wahrhaft haarsträubenden Ritten ohne Bedenken ihr Leben. Sobald sie in ihrer Ebene eine Antilope erblicken, lassen sie den Baizfalken steigen, und dieser holt mit wenig Flügelschlägen das sich flüchtende Säugethier ein und zwingt es auf eigenthümliche Weise zum Feststehen. Geschickt einem Stoße des spitzen Hornes ausweichend, schießt er schief von oben herab auf den Kopf der Antilope, schlägt dort seine gewaltigen Fänge ein, hält sich trotz alles Schüttelns fest und verwirrt das Thier durch Flügelschläge, bis es nicht mehr weiß, wohin es sich wenden soll, und solange im Kreise herumtaumelt, bis die Windhunde nachgekommen sind, um es für ihren Herrn fest zu machen. Außerdem benutzt man letztere zur Jagd des Ebers und des wilden Esels (Asinus onager), welcher dem Jäger und seinem schnellen vierfüßigen Gehülfen viel zu schaffen machen soll. Seinem natürlichen Triebe folgend, eilt der aufgescheuchte Wildesel augenblicklich den felsigen Abhängen zu, in welchen er den größten Theil seines Lebens verbringt und der Uebung im Klettern wegen die größten Vortheile vor dem persischen Pferde hat. Nur solche gewandte Geschöpfe, wie die eingeborenen Windhunde es sind, können ihm in jene Gebiete folgen; aber auch sie müssen nicht selten ihre Beute aufgeben, obgleich man mehrere Hundemeuten in der Verfolgung des ebenso flüchtigen als muthigen Esels abwechseln läßt.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. DXCII592-DXCIX599.
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