13. Sippe: Araras (Sittace)

[112] Unter den Langschwanzpapageien stellen wir wie billig die größten obenan. Es sind dies die Araras (Sittace), Papageien von Raben- bis Dohlengröße, welche durch den sehr kräftigen und außerordentlichen großen, seitlich zusammengedrückten, auf der Firste stark gekrümmten und in eine weit überhängende Spitze ausgezogenen Schnabel sowie die nackte Stelle am Vorderkopfe, welche Zügel, Augenkreis und den vorderen Theil der Wange in sich begreift, in selteneren Fällen auf eine faltige Haut um den Unterschnabel sich beschränkt, endlich auch durch den sehr langen Schwanz von allen übrigen Papageien sich unterscheiden. Zur Kennzeichnung möge außerdem noch dienen, daß der Oberschnabel vor der Spitze einen deutlichen Zahnausschnitt besitzt, der Unterschnabel höher als der obere und seitlich abgeflacht ist, eine breite Dillenkante und vor der abgestutzten Spitze jederseits eine gerundete Bucht zeigt, daß die nackten Kopfseiten oft mit kurzen, in weit von einander getrennten Reihen geordneten Federn bekleidet sind, daß in dem langen und spitzigen Fittige die dritte Schwinge alle anderen überragt, die Flügelspitze sehr lang vorgezogen ist, und daß in dem langen, keilförmigen Schwanze die äußerste Feder ungefähr ein Drittheil der Länge der mittelsten besitzt. Das derbe, harte Gefieder prangt in lebhaft grüner, rother oder blauer Färbung. Beide Geschlechter unterscheiden sich nicht und die Jungen unerheblich von den Alten.

Die Araras, fälschlich auch wohl »Aras« genannt, verbreiten sich vom nördlichen Mejiko bis ins südliche Brasilien und Paraguay, reichen aber nicht bis Chile herüber. In den Andes steigen einzelne Arten bis zu dreitausendfünfhundert Meter unbedingter Höhe empor. Die meisten Arten bewohnen den Urwald fern von dem Menschen und seinem Treiben, ziehen sich vor dem Pflanzer auch weiter zurück und werden mit der zunehmenden Bevölkerung überall seltener. Abweichend von den meisten übrigen Papageien, leben sie paarweise, manchmal einzeln, von anderen Paaren ganz getrennt, öfter mit diesen insofern in einem gewissen Verbande, als sie sich nach der Paarzeit zu kleinen Gesellschaften scharen; aber nur selten wachsen diese Gesellschaften zu großen Haufen an. Jedes Paar scheint an seinem Wohnsitze treulich festzuhalten und wenig von demselben sich zu entfernen, wohl aber vom Mittelpunkte aus tagtäglich regelmäßige Streifzüge zu unternehmen. Als Mittelpunkt eines solchen Wohngebietes darf man wahrscheinlich den Nistbaum betrachten; denn ein solcher wird von einem und demselben Paare wenigstens alljährlich wieder aufgesucht. Diese Thatsache war schon den alten Peruanern bekannt und eine Quelle des Erwerbes für sie, wie noch heutigen Tages für viele Indianerstämme Guayanas und Brasiliens; solche Nistbäume waren es, welche vom Vater auf den Sohn erbten. So anspruchslos die Arara in Bezug auf ihren Nistbaum auch ist: eine weite Höhlung verlangt sie; Bäume aber, welche solche bieten, [112] sind auch im Urwalde selten, die Vögel daher an gewisse Gegenden gebunden. Hinsichtlich ihres Wesens unterscheiden sich die Araras durch verhältnismäßige Ruhe und einen gewissen Ernst von anderen Papageien, denen sie im übrigen beziehentlich ihrer Begabungen gleichstehen. Zur Nahrung dienen ihnen vor allem die verschiedenen Baumfrüchte ihrer heimatlichen Wälder. Doch fallen auch sie plündernd in die Felder ein und richten da, wo sie häufig auftreten, erklärlicherweise vielen Schaden an. In der Frühlingsmonaten ihrer Heimat legen sie in das altgewohnte Nest zwei Eier, welche, wie es scheint, nur vom Weibchen bebrütet werden, wogegen beide Eltern mit ebenso warmer Liebe an ihren Jungen hängen wie die treuen und zärtlichen Gatten aneinander. Die Jungen werden, wie schon seit alten Zeiten, von den Indianern ausgehoben und aufgezogen, die Alten, wie von jeher, noch heutigen Tages ihrer prachtvollen Federn halber verfolgt.

Unserem Zwecke genügt, wenn ich von den achtzehn dieser Sippe angehörigen Arten die größte und außerdem diejenigen beschreibe, welche als Gefangene am häufigsten zu uns gelangen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 112-113.
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