Karlsruhe. Baden. Berlin

1817

[195] Das Jahr 1817 kündigte sich als ein bewegungsvolles an und führte eine Reihe merkwürdiger Vorgänge durch unsern Kreis und an ihm vorüber.

Die badische Sache stand in großer Krise und konnte jeden Augenblick verloren sein; weniger durch das doch ernste und bedenkliche Vordringen der Gegner als durch die eigne Verwahrlosung und Ungebärdigkeit. Der Minister von Hacke hatte nach allen Seiten solche Verstöße gemacht, die Sachen so verfahren, daß er zuletzt keinen Ausweg mehr wußte. Der General von Schäffer war mit dem Auftrage, die Bedrängnis Badens dem Kaiser Alexander dringend vorzustellen, nach St. Petersburg gesandt worden; allein dort angekommen, fand er, daß die ihm mitgegebenen diplomatischen Ausfertigungen nicht in gehöriger Form waren und statt eines amtlichen Geschäftsverkehrs nur ein vertraulicher aus persönlicher Rücksicht zugestanden wurde; Schäffer war wütend und erklärte geradezu, Hacke könne ein solches Versehen nur absichtlich begangen haben, um die Sendung scheitern zu lassen, was einem Verrat gleichkäme. Die Sendung des Generals von Stockhorner nach Berlin war be stimmt und angekündigt, erfolgte aber immer nicht, und auch dies legte man dem Minister zur Last, der das dem Großherzog eigne Hinzögern in diesem wichtigen Falle nicht durch entschlossenes Auftreten zu überwinden suchte. Der Großherzog war mit allem sehr unzufrieden, allein von selbst tat er nichts, und wenn er seinen dicken Minister sah, ergötzte er sich an dessen Torheiten und plumpen Späßen, die oft die einzige Würze seiner langweiligen Tage waren. So erzählte er mit Wohlgefallen, daß, als er nach einem gehabten Vortrage Hacken entlassen, um auf die Jagd zu gehen, dieser zuletzt ihm nachgerufen: »Nun, gnädiger Herr, draußen schießen Sie Säue und hierinnen schießen wir lauter[196] Böcke«, worauf er zwar erwidert: »Sie haben ein ungewaschen Maul!«, aber jener flugs den Schluß gesetzt: »Ei, schicken Sie mir nur die Sau, nachher will ich mir das Maul schon waschen!« Ein andermal sagte Hacke zu Tettenborn ohne Rückhalt, die Wirtschaft in Karlsruhe sei die tollste von der Welt und er selbst mache sie nicht vernünftiger; es sei keine Kunst, wenn die fremden Gesandten von hier aus lustige und arge Depeschen nach Hause schrieben, er wollte an ihrer Stelle noch ganz andere Dinge schreiben, als irgendeiner der Herren jetzt es etwa tue.

Da der Hof sich bemühte, der Hauptstadt einigen gesellschaftlichen Schimmer zu geben, so fehlte es an festlichen Versammlungen nicht, und auch die kleineren geselligen Kreise belebten sich wenigstens äußerlich, denn im ganzen blieb es ein erkünsteltes Wesen und ein matter Schein.

In Mannheim hatte der dortige unzufriedene Adel sehr mit Verfassungsentwürfen zu tun. Im allgemeinen war ihm an ständischen Rechten nicht viel gelegen, ein dunkles Gefühl sagte ihm, daß seine Vorrechte noch immer in dem jetzigen verfassungslosen Zustande besser gewahrt seien, als sie es in einer Verfassung sein würden, die doch den Bürgern und Bauern auch Rechte zugestehen müsse, und zwar solche, mit denen jene Vorrechte den unausweichlichen Kampf auf die Dauer nicht aushalten könnten. Allein Verfassung und Stände waren das Feldgeschrei, durch die man die verhaßte Regierung am besten ängstigen, sie am ehesten zur Nachgiebigkeit bringen konnte; überdies hatte der Großherzog eine ständische Verfassung bereits förmlich angekündigt, und der dreizehnte Artikel der Bundesakte sagte, daß sie in allen Staaten des Bundes bestehen werde. Man glaubte damals, keine Regierung werde sich dieser Verpflichtung entziehen dürfen, und arbeitete daher in diesem Sinne vorwärts. Während Baden noch zögerte, waren bereits Weimar, Hannover und Sachsen eifrig am Werk, auch Preußen hatte seine Verheißung vom 22. Mai 1815 und sprach bei jeder Gelegenheit von seiner zukünftigen Verfassung als von[197] einer Sache, die sich von selbst verstehe. In Württemberg hatte der vorige König in voreilender Hast noch während des Wiener Kongresses eine Verfassung gegeben, durch die er alle Ansprüche nicht sowohl befriedigen als abfertigen wollte; allein sie waren nur heftig dadurch aufgeweckt worden, und er hinterließ die bittern Kämpfe bei seinem Tod unerledigt. Der jetzige König hatte den besten Willen, eine Verfassung zu geben, die allen gerechten Forderungen entspräche. Doch welches waren diese Forderungen, und wie weit durften sie gehen, ohne ihm ungerechte zu werden? Sein geistvoller, mutiger, freigesinnter Minister von Wangenheim, dem er in diesen Dingen ganz vertraute, hatte sich ein Urbild konstitutionellen Gleichgewichts ausgedacht, eine Adelskammer, eine Deputiertenkammer, einen Staatsrat – in Württemberg Geheimer Rat genannt –, ein verantwortliches Ministerium, einen konstitutionellen König, alles nicht eben neu, wie man sieht, aber durch Wangenheim sinnreich erklärt und begründet für die württembergischen Großen und Kleinen. Mit diesem Werke war man emsig beschäftigt, und der König bemühte sich, demselben allen Nachdruck zu geben und ihm auch auswärts gewichtige Stimmen zu verschaffen; er war deshalb mit Stein in Verbindung getreten, der ihn auch in Stuttgart besuchte und der beredten Dialektik Wangenheims nicht viel entgegenzusetzen wußte.

Wichtiger noch als diese Vorgänge in Württemberg erschienen die Veränderungen, welche in Bayern eintraten. Hier war der seit so vielen Jahren allmächtige Minister Graf von Montgelas, der unter französischem Schutze Bayern zu seiner nunmehrigen Größe und Bedeutung erhoben hatte, plötzlich entlassen, und statt seiner trat der Graf von Rechberg an die Spitze der Staatsleitung. Dies große Ereignis hatte der Kronprinz bewirkt, und es hieß, Bayern werde nun einer wahrhaft deutschen Richtung folgen und auf der konstitutionellen Bahn ein großes Beispiel geben. In Baden wurde man hiedurch nicht wenig geängstigt; man sah einen großen Sieg Bayerns in der öffentlichen[198] Meinung voraus, die damals noch als eine Macht angesehen wurde, und fürchtete den nachteiligen Rückschlag auf Baden. Dem Großherzog wurde durch Reizenstein und Marschall unterderhand vorgestellt, wie nötig es sei, noch vor Bayern ständische Einrichtungen zu treffen und dadurch die öffentliche Meinung für sich zu gewinnen, auch forderte die Unordnung der Finanzen und die Willkür in der Verwaltung dringend eine Abhülfe, die nicht besser zu finden sein konnte als in einer ständischen Aufsicht; aber zu viele Personen sahen ihren Vorteil zu sehr mit der bisherigen Unordnung verknüpft, als daß sie nicht alles angewandt hätten, jenen Rat zu vereiteln, was ihnen bei der Trägheit des Großherzogs nur allzuleicht wurde. Auch Tettenborn, der lebhaft für Verfassung sprach, konnte nichts ausrichten; es hieß, man müsse erst sehen, wie die Sachen in Württemberg und Bayern abliefen.

Gegen Ende des März richteten sich alle Blicke neugierig nach Karlsruhe, weil ein merkwürdiger, ungewöhnlicher Besuch dort eintraf. Die Prinzessin von Wallis hatte Italien verlassen, wo sie zuletzt unter Ausspähern und Verrätern gelebt, und kam, nach einigen fehlgeschlagenen Versuchen an andern Orten, auch nach Karlsruhe, um zu sehen, ob ihr die Stadt zu längerem Aufenthalt gefalle. Man glaubte ihr die Aufnahme bei Hof nicht verweigern zu dürfen, wiewohl ihr Mißverhältnis zu ihrem Gemahl, dem Prinzregenten von England, nicht nur bekannt, sondern auch sichtbar genug war und die Zuflüsterungen nicht fehlten, welche bemerklich machten, daß in England die Zurückweisung dringend gewünscht und hoch angerechnet werden würde. Der Großherzog meinte, er sei nicht zum Richter jenes häuslichen Zwistes bestellt, der Lebenswandel der Prinzessin gehe ihn auch nicht an, noch immer sei sie Prinzessin von Wallis und als solche und als seine Verwandte habe sie auf alle äußeren Ehren, die ihrem Range gebührten, ungeschmälerten Anspruch. Der sonst lässige, unentschlossene, aber im Herzen edle und mit gutem Verstande begabte Fürst hatte solche[199] Augenblicke großmütiger und fester Entschließung, denen nur eine gedrängtere Aufeinanderfolge zu wünschen gewesen wäre. Genug, die von mächtigeren Höfen abgewiesene Prinzessin fand an dem badischen, der hierin selbständiger war als jene, den begehrten Zutritt. Ihr Aufzug und Gefolge war allerdings seltsam und anstößig und gab weit und breit zu reden.

Unmittelbar nach dieser kurzen Erscheinung der Prinzessin von Wallis hatten wir in Karlsruhe einen Todesfall zu betrauern, der in ganz anderer Richtung die Gemüter aufregte. Jung-Stilling starb am 2. April, nach längerer Krankheit, in hohem Alter. Ich hatte ihn während der letzten Zeit sehr aus den Augen verloren, und sein Tod überraschte mich; die wenigen ausführlichen Gespräche, die ich mit ihm gehabt, traten mir nun lebhaft vor die Seele, und ich warf mir vor, nicht häufiger mit ihm verkehrt zu haben. Er hatte eine sanfte Wärme, die dem Herzen wohltat, und nahm abweichende Meinungen und selbst Widerspruch gegen seinen Glauben mit liebevoller Nachsicht hin; nur einmal hatte ich ihn erzürnt, und er fuhr heftig auf, allein es war nicht meine Schuld, er hatte meine Worte mißverstanden, wie ihm seine fromme, in unaufhörlichen Leiden und Zuckungen doch stets geistesrege und ihn weit übersehende Frau sogleich begreiflich machte. An Goethen hing sein Herz noch immer, und er zweifelte nicht an dem Heil des Freundes, dessen Wege er doch nicht zu verstehen bekannte. Von der »Theorie der Geisterkunde« wollte er nicht gern sprechen, er sah sie als eine Verirrung an. Gern und sehr anmutig erzählte er seine Lebensbegegnisse, wobei mitunter sehr merkwürdige Züge vorkamen. So hatte der Kaiser Alexander ihn einst, nach längern religiösen Unterhaltungen, aufs äußerste bedrängt, er solle sagen, welche der christlichen Parteien er am meisten übereinstimmend glaube mit der echten reinen Christuslehre. So hart war die Frage nicht gestellt wie die ähnliche, welche Nathan dem Saladin beantworten sollte, auch nahm Jung zu keinem Märchen die Zuflucht, sondern bekannte[200] frei heraus, er habe keine Antwort auf diese Frage, alle christlichen Bekenntnisse und Sekten hätten ihr Gutes und keine der christlichen Formen schlösse den Weg zur Seligkeit aus, es käme alles auf den Menschen selbst an, auf seine Gesinnungen und seinen Wandel. Der Kaiser war hiemit nicht zufrieden und meinte, es müsse doch ein Mehr und Minder geben und einem Forscher wie Jung sei doch gewiß nicht entgangen, wohin die Waage sich neigen wolle. Auf erneutes Dringen des Kaisers und nach einigem Besinnen, ob er ihm irgendwie nachgeben könne, hatte aber Jung doch nur wieder seinen Spruch, sein Gewissen erlaube ihm nicht, einen Vorzug einzuräumen. Endlich sagte der Kaiser, ihm selber sei die Sache beinahe entschieden, nur wünschte er seine Meinung durch andere bestätigt zu sehen, ihn dünke, die Herrnhuter entsprächen jenem Vorbild am meisten. »O ja«, versetzte Jung, »die Herrnhuter sind vortrefflich und mir gewiß lieb; aber die Form tut es auch hier nicht, und wenn der Mensch nur gut ist, so kann er in jeder gedeihen.« Der Kaiser konnte nichts anderes aus ihm herausbringen.

Ein anderer Zug von Jung-Stilling ist merkwürdig in betreff der Freiheit, zu welcher sich noch in seiner letzten Zeit ein Geist erhob, der in seinem frommen Wallen fast immer die Fesseln des Wahnes und Aberglaubens schwer mitgetragen hatte. Der Tod stand lange vor ihm, zögerte aber stets, und der Greis, der zu sterben wünschte, konnte sich der Klage nicht erwehren, daß sein Leidenszustand sehr groß sei. Eine seiner Enkelinnen stand an seinem Bette und glaubte ihn trösten zu müssen. »Bedenken Sie aber«, sagte sie, »welche Herrlichkeit Sie bald sehen werden«, und nun malte sie ihm den Himmel mit den genauesten Zügen und Bildern, die in solchem Augenblicke doch allzu kindisch erscheinen mußten. Das fühlte Jung, fand die Tröstungen unangemessen und wies sie mit der verdrießlichen Äußerung zurück: »Das kann man so recht doch nicht wissen.« Frau von Reden, die beinahe täglich den Sterbenden besuchte,[201] hat mir an dem Tage selbst, wo sie sie gehört, diese merkwürdigen Worte wiedererzählt. Ich will keineswegs sagen, daß sie mehr bedeuten, als bei frömmster Zuversicht, die Jung gewiß hatte, ihr schlichter Sinn ausdrückt: »Das kann man so recht doch nicht wissen.«

Mehr als das Ableben des stillen Greises gab der Tod eines Kindes zu reden, der in der ersten Hälfte des Mai sich unerwartet ereignete. Der Erbgroßherzog, ein zartes Kind, erkrankte plötzlich und starb sehr schnell an Krämpfen, ganz wie früher schon ein Brüderchen. Der Großherzog und die Großherzogin Stephanie waren auf das furchtbarste getroffen und erschüttert; mit diesem Prinzen erlosch zum zweiten Male ihr unmittelbarer Erbe, denn die beiden Prinzessinnen, zu denen dieses Jahr noch eine dritte kam und welche allesamt unangefochten heranwuchsen und blühten, während die Brüder früh starben, hatten keinen Anspruch auf die Regierungsnachfolge, die nunmehr auf die beiden Oheime des Großherzogs übergehen mußte; diese waren aber alt und ebenfalls ohne Kinder. So schien das Unwahrscheinliche, was aber bei den Verhandlungen im Jahre 1815 doch als möglich war angenommen worden, sich in der Tat dennoch verwirklichen zu wollen, nämlich daß das regierende Haus von Baden ausstürbe! Das ganze Land vernahm mit Schreck und Bestürzung den wichtigen Trauerfall und besprach die davon zu erwartenden Folgen mit Angst und Mißtrauen. Die Gerüchte von Vergiftung, die schon bei dem frühern Falle leise geflüstert worden, erneuten sich lauter und dreister; besonders war das unterste Volk geschäftig, die abenteuerlichsten, unhaltbarsten Anschuldigungen in seiner dunklen Vorstellungsweise zu verarbeiten. Dem Großherzoge nagte leider schon in betreff seiner selbst insgeheim ein solcher Wurm am Herzen, und der Verdacht, daß einer seiner Diener, der sich in Wien entleibte, ihm Gift beigebracht und sich aus Gewissensangst getötet habe, wurzelte immer fester bei ihm. Die Großherzogin, welche ihr Kind mit mütterlicher Sorgfalt selber täglich gewartet und gepflegt[202] hatte, in der kurzen Krankheit nicht von ihm gewichen war, konnte freilich an die Möglichkeit eines begangenen Verbrechens nicht glauben, doch wurde ihre Einbildungskraft von diesen düstern Bildern mitergriffen, und nicht ohne Widerwillen konnte sie manche Person sehen, welche den hülflosen Ausgang ihr zu lebhaft vergegenwärtigten.

Einige Wochen später starb der jüngere Oheim des Großherzogs, Markgraf Friedrich; sein Tod machte wenig Eindruck, der Markgraf war immer unbedeutend gewesen und hatte, wiewohl verheiratet, keine Kinder. Dagegen war das Ansehen des ältern Oheims, Markgrafen Ludwigs, durch den Tod des kleinen Erbgroßherzogs bedeutend gestiegen und ihm die Aussicht auf die Erbfolge eröffnet; er hatte keine Gemahlin, wohl aber Kinder, und konnte sehr wohl durch standesmäßige Heirat deren erbfolgfähige erzielen. Doch sagte man, daß er solche Gedanken zu hegen sich noch gar nicht getraue. Indes gab es unter den Hof- und Staatsdienern schon manche, die sich ihm heimlich näherten und ihr Glück mehr von ihm erwarteten als von dem Großherzog, der allerdings trotz seiner jungen Jahre zu keiner langen Regierung bestimmt schien.

Der badische Bundesgesandte von Berstett war inzwischen in Frankfurt am Main nicht müßig, sondern versicherte sich mehr und mehr der Gunst des russischen Gesandten von Anstett, dem er sich blindlings ergab; sein Ehrgeiz ging dahin, die Stelle des Herrn von Hacke zu erlangen, und dazu mußte er denselben in den Geschäften überflügeln und sich dem Großherzog unentbehrlich machen. Er hatte den Minister schon aus der Leitung der Gebietsverhandlungen hinausgedrängt, sie waren dem Minister von Marschall übergeben; jetzt ließ Berstett sich wider Hackes Willen eine Sendung nach England geben, zu dem doppelten Zwecke, das dortige Ministerium für Baden in der Gebietssache günstig zu stimmen und dem Prinzregenten wegen der guten Aufnahme, die der Prinzessin von Wallis am Karlsruher Hofe zuteil geworden, Entschuldigungen zu[203] machen. Berstett blieb einige Wochen in England und machte von seiner Sendung großen Lärm, obschon er nicht viel mehr erwirkte, als daß Baden versprach, die Prinzessin nicht ferner auf zunehmen; sie hatte nämlich beabsichtigt, auf längere Zeit in Rastatt zu wohnen, und schon waren für sie auf dem Schlosse daselbst die nötigen Einrichtungen angeordnet, die nun sogleich abbestellt wurden, sowie Herr von Ende ihr anzeigen mußte, daß ihr der Aufenthalt im Badischen nicht könne gestattet werden. Durch Berstetts Rückkehr aus London nach Karlsruhe wurde Hackes Verhältnis dort sehr erschüttert; er fühlte den Boden wanken und konnte sein Mißbehagen nicht verbergen.

Uns beschäftigten mittlerweile ganz andere Sorgen. Die vorjährige Ernte war schlecht ausgefallen, man reichte mit den Vorräten nicht bis zur neuen Ernte, das Getreide stieg im Preise, in manchen Gegenden fehlten die Lebensmittel oder wenigstens das Geld, um sie anzukaufen, in allen Rheinländern war große Teuerung, in manchen schon Hungersnot eingetreten. Besonders aus dem sogenannten Oberland und aus der Schweiz kamen die traurigsten Klagen, aber auch in der Nähe von Karlsruhe stieg das Elend auf einen hohen Grad. Die Großherzogin, von den entsetzlichen Schilderungen, die sie vernahm, tief erschüttert, gründete einen großen Wohltätigkeitsverein, den sie durch ansehnliche Beisteuern, noch mehr aber durch das Beispiel ihrer eingreifenden Wirksamkeit fruchtbar machte und dessen Segen weithin empfunden wurde. Von tiefem Mitleid ergriffen, tat auch Rahel alles, was in ihren Kräften stand, um den Bedürftigen zu helfen, die äußerste Not von den Bedrohten abzuwehren. Sie hatte in diesen Bestrebungen bei sehr beschränkten Mitteln einen wunderbaren Erfolg; es war, als ob alle ihr verliehenen Geistesgaben und Gemütskräfte in dieser Richtung ihre reichste und vollständigste Anwendung fänden: ihr schnelles Urteil, ihre klare Einsicht, das richtige Maß ihres Handelns und die wohltuende Wärme desselben. Sie verstand es genau, die wundeste Stelle der[204] Verhältnisse herauszufinden, ihr die angemessenste Linderung zu verschaffen, das Geld in Sachen zu verwandeln, durch persönliche Vermittelung die Umstände zu benutzen, durch eindringlichen Zuspruch die eigenen Kräfte der Leidenden aufzuwecken. Sie folgte hierin einem ihr angeborenen Beruf, den sie eigentlich jeden Tag ihres Lebens, nach Maßgabe der dargebotenen Gelegenheit, also meistens nur still und leise und daher auch unbemerkt und unbesprochen, nach allen Seiten ausübte. Mir selbst fiel nicht weniger ein Teil dieses Elends, und zwar von Amts wegen, zu. Die preußischen Handwerksburschen nicht allein wandten sich in ihren Wanderbedrängnissen häufig an mich, sondern auch die zahlreichen Auswanderer, denen ich die Pässe zu unterschreiben hatte, lagerten zu Hunderten vor meiner Türe, und oft mit Weib und Kindern in solchem Zustande, daß es unmöglich wurde, ihnen mit der Unterschrift nicht auch eine Reisezehrung zu erteilen. Man rechnet, daß in diesem Jahre nur aus Baden gegen zwanzigtausend Seelen auswanderten, von denen mehr als ein Zehntteil nach dem russischen Polen zogen.

Ein Ereignis von großer Wichtigkeit war besonders für uns Nachbarn, daß die württembergischen Stände den vom König ihnen vorgelegten Verfassungsentwurf mit großer Stimmenmehrheit zurückwiesen, indem sie erklärten, derselbe genüge ihren Ansprüchen in keiner Art. Die Bestürzung hierüber war sehr groß unter den Regierungsanhängern, weil sie glaubten, man habe den Ständen schon zuviel eingeräumt, und bei den Konstitutionellen, weil sie fürchteten, dies üble Beispiel von störrischer Opposition könne dem ganzen Verfassungswesen zum Schaden gereichen. In der Tat blieb nichts unversucht, um wenigstens diese württembergischen Stände in schlimmen Ruf zu bringen. Man rühmte den guten Willen, das freiwillige Entgegenkommen des Königs, dem die engherzige Beschränktheit der Partei des alten Rechtes die grundlosesten Schwierigkeiten entgegengestellt habe. Wangenheim war tief gekränkt, nicht[205] weniger Cotta, der sich von jener Partei getrennt hatte, um sich den politischen Freunden des Königs anzuschließen. Der König selbst war am gefaßtesten, und fühlend, daß er seine Aufgabe um jeden Preis zu lösen habe, machte er sich sogleich mit dem Gedanken vertraut, einen ganz neuen Weg einzuschlagen, bei welchem freilich Wangenheim, der zu sehr in seinen politischen Lehrsätzen befangen war, nicht mehr der Führer sein konnte.


Merkwürdig hatten sich die Sympathien in jener Zeit umgewandelt. Die höchsten Hofkreise und die Leiter der Kabinette ausgenommen, hatte niemand Gefallen an den Bourbons. Nicht in Frankreich allein gehörte es schon zum hohen Ton, zum guten Geschmack, möchte man sagen, sich der Opposition anzuschließen, auch in England, im Norden und großenteils in Deutschland dachte man ungünstig von der Restauration, und viele Stimmen wurden für Napoleon laut, in dessen Bewunderung hauptsächlich die Engländer bald unmäßig wurden. Den Unterdrücker der Freiheit vergaß man, aber den Geißeler der Könige hob jeder Unzufriedene gern hervor, und menschliche Teilnahme war dem Gefangenen von St. Helena überall gewidmet. Wie groß war nicht die Zahl der Mißvergnügten in allen Ländern, der Nichtbefriedigten, besonders in den höheren Klassen! Zugunsten der Anhänger oder wenigstens Folger Napoleons wirkte noch der Umstand mit, daß die Restauration, welche nach ihrer ersten Einsetzung noch ziemlich milde verfahren war, seit ihrer zweiten verfolgend auftrat und dabei einen Maßstab anlegte, den ein unbefangener Sinn schlechterdings nicht zugestehen, ja, kaum begreifen konnte. Denn nicht diejenigen sahen wir verfolgt, die wir unter Napoleons Herrschaft als die schlimmsten seiner Diener gekannt hatten, auch nicht gerade die, welche am auffallendsten treulos gegen die Bourbons geworden waren, im Gegenteil, diese wie jene standen wohl gar in Gunst und Ansehen, und die wirklich Verfolgten erschienen dabei nur um so unschuldiger;[206] in ihnen war oft nur das, dessen man sich zu ihnen versah, nicht das, was sie begangen hatten, der Grund ihres Mißgeschicks, oft auch wohl nur persönlicher Haß und Neid in den höhern Kreisen, wo immer am ersten die große politische Sache dem Nutzen und der Zuständigkeit der Personen untergeordnet wird. Bei den Deutschen bedarf es nur eines auffallenden Unglücks, um ihre menschliche Teilnahme auch für diejenigen zu erwecken, denen sie noch eben feindlich gegenüberstanden; und so war es kein Wunder, daß die neuerdings aus Frankreich Verbannten oder Flüchtigen in den Rheinländern, wohin sie sich zunächst gewendet hatten, freundlich geduldet wurden; die meisten waren tapfre, kluge Männer, die sich jetzt äußerst bescheiden und ruhig zeigten, während unerträglicher Übermut und verletzende Anmaßung der herrschenden Partei täglich mehr hervortraten.

Die politischen Tätigkeiten rasteten nicht, sowohl von seiten Bayerns als auch Badens fanden Versuche und Reibungen statt, an denen auch Württemberg nicht ohne Anteil blieb. Die Sache der Mediatisierten, die der württembergischen Stände, der Gang der Bundesverhandlungen, vor allem aber die Gebietssache Badens lieferten unerschöpflichen Stoff der Besprechung und der Einwirkung. Es war gewiß, daß Hacke abtreten und Berstett an seine Stelle kommen sollte. Man sprach davon, daß der Markgraf Ludwig heiraten werde, damit der badische Mannsstamm nicht aussterbe. Vielerlei andere Vorschläge wurden gemacht, wie Baden sich wehren, sich retten könnte.

Die Politik faßte zu jener Zeit überhaupt die Menschen mit großer Gewalt und lockte die verschiedenartigsten Tätigkeiten auf ihr Feld, das allen zugänglich war, allen fruchtbar zu werden verhieß; denn es schienen die außerordentlichsten Dinge möglich. Die politischen Kenntnisse waren unglaublich sparsam, die Begriffe dunkel, und es gab kaum jemanden, der nicht irgendeinen Beitrag zu der allgemeinen Verwirrung lieferte. Männer aus allen Fächern trieben[207] Politik: der Theologe Paulus und der Philosoph Hegel, der Schauspieldichter Kotzebue und der Naturforscher Oken, ja von dem harmlosen Jean Paul Richter, der einige Zeit in Heidelberg weilte, klangen einige Äußerungen von dort herüber, die uns nur als Scherz, andere jedoch als bittrer Ernst trafen. Eine Ausnahme machte vielleicht in unserem Kreise nur der Spanier Gimbernat, der, an seinem Vaterland verzweifelnd, ganz in chemischen und physikalischen Versuchen lebte.

Aus Berlin kamen in derselben Zeit Nachrichten, die uns durch ihre Unbestimmtheit in Spannung setzten. Der Staatsrat, in seiner nunmehrigen Gestalt eine neue Schöpfung, hatte seine Tätigkeit begonnen, welche sogleich gegen den, welcher sie angeordnet, nämlich gegen den Staatskanzler Fürsten von Hardenberg, sich zu wenden schien. Über das Auftreten Wilhelms von Humboldt in dieser Sammlung erscholl nur einstimmige Bewunderung; seine Gabe der Rede, sein scharfes und kühnes Eindringen in die Sachen, wurden von Freund und Feind staunend anerkannt. Dagegen wollte man die Richtung, die sich kundgab, von manchen Seiten bedenklich finden, ja, von Frankfurt am Main ergingen desfalls Gerüchte, die ganz Süddeutschland beunruhigten und deren Inhalt nicht so leicht auf sein gehöriges Maß zurückzuführen war, da die Übertreibung aus einer sonst glaubhaften Quelle kam. Da meine Berliner Freunde schwiegen und amtliche Nachrichten ausblieben, so wäre mir unschätzbar gewesen, meinen lieben Freund Reimer zu sprechen, der von Berlin nach Heidelberg gekommen war und auch in Karlsruhe mich besuchen einsprach; treuen und scharfen Sinnes, mit den Personen und Sachen zu Hause wohlbekannt, hätte er mich durch wenige Worte völlig aufklären können; allein wir verfehlten einander, und eine peinliche Ungewißheit sprach mir aus allen Blicken entgegen, ohne daß ich imstande gewesen wäre, mich selbst und andere zu beruhigen. Viel Unheimliches lag damals in der Luft, die Verhaftung Massenbachs in Frankfurt am Main machte unglaubliches[208] Aufsehen, und der Brand des Berliner Schauspielhauses am 29. Juli erschreckte in seiner Weise die Gemüter in der Ferne vielleicht mehr als in der Nähe.

Bald aber zerstreute sich dieser Nebel und Rauch wieder, und man sah aufs neue tageshell in den vorliegenden Raum, der freilich nicht ohne viele und große Schatten beleuchtet lag. Im südlichen Deutschland war unleugbar die Anlage zu großen Entwickelungen vorhanden, der Wille von oben aufrichtig, im Volke viel gesunder Sinn, praktisches Talent reichlich ausgestreut. Allein das nördliche Deutschland schien doch entscheidendere Geschickslose in sich zu tragen, aus deren ruhigem und hellem oder gestörtem und trübem Hervortreten sich für das Ganze der Einschritt der nächsten Zukunft würde bestimmen müssen. Man sah nur, daß fürerst in den dortigen Verhältnissen wenigstens nichts verloren war, und da dies für den Augenblick genügte, so ging man den begonnenen Weg still weiter.

Mit diesem stillen Vorschreiten hing ein Besuch zusammen, den ich von Hebel, dem alemannischen Dichter, empfing. Ich hatte seine Bekanntschaft bisher nicht gemacht, er kam nicht in den Kreis des Hofes und der Hofgesellschaft, er liebte seine freien Nachmittags- und Abendstunden beim Schoppen Wein unter guten Freunden und Genossen hinzubringen, die er durch seine launigen Erzählungen anmutig ergötzte. In seinen Beiträgen zu dem Volkskalender »Der Rheinische Hausfreund« hatte er den Ton des Volkes glücklich getroffen, er vereinigte Gutmütigkeit und Klugheit, beschäftigte zugleich Einbildungskraft und Verstand, und auch auf die Gebildeten verfehlte sein »Schatzkästlein«, zu welchem er jene Beiträge gesammelt hatte, den günstigsten Eindruck nicht. Mich hatte aber auch ein ungünstiger doch abgehalten, ihm gelegentlich näherzutreten, und allen seinen Vorzügen und seiner Liebenswürdigkeit konnte ich nicht vergessen, daß er in jenen Aufsätzen gelegentlich von dem Tiroler Andreas Hofer in einer spöttisch-verächtlichen Weise gesprochen, die mich und die Freunde, mit denen ich das[209] Blatt zuerst las, empört hatte. Wohl war ich seitdem verständigt worden, er habe den Ausfall auf Befehl der damaligen badischen Regierung schreiben müssen und habe ihn seinerseits in der guten Meinung verfaßt, seine lieben schwäbischen Landsleute vor unglücklichen Versuchen zu warnen, die nun schon zwecklos waren und nur das größte Unheil zur Folge haben konnten; doch ein inneres Mißbehagen blieb mir mit der Sache noch stets verknüpft. Jetzt brachte der Kirchenrat Ewald den freundlichen Mann zu mir, und zwar in einem besondern Anliegen. Die Königin Katharina von Württemberg war auf das in der Nachbarschaft blühende Talent Hebels und die erfolgreiche Wirkung desselben aufmerksam geworden und dachte mit gutem Sinne zum Besten ihres Landes davon Vorteil zu ziehen; die Bürger und Landleute waren mancher Belehrung bedürftig, allgemeine Begriffe sollten in volksmäßigem Vortrag ihnen nahegerückt, zu richtigem Verständnis und Gebrauch ihnen eröffnet werden; sie waren durch die Verfassung zur Ausübung politischer Rechte berufen, über welche sie aufgeklärt, berichtigt werden mußten, und nichts dünkte zweckmäßiger, als dies mit landwirtschaftlichen, gewerblichen und andern gemeinnützigen Angaben zu verflechten. Hiezu schien Hebel der Mann, und die Königin hatte ihn bald nach ihrer Ankunft in Baden auf die verbindlichste Art zu sich beschieden. In der Bezauberung, durch welche die Gegenwart der erhabenen Frau und ihre klare, treffende Rede ihn hielt, vermochte er weder abzuschlagen noch zu erörtern, er gab alle Versprechungen, die man wünschen konnte, und kehrte wonneberauscht nach Karlsruhe zurück. Hier aber besann er sich nach und nach, daß die Sache so leicht nicht sei und daß gerade ihm nicht nur allgemeine Hülfe, sondern auch einzelne Leitung nötig werde, wegen deren er sich nun zu mir wandte, wie denn auch die Königin selbst ihn schon auf mich namentlich verwiesen hatte. Mir bekannte er bald, halb ängstlich und halb launig, daß er weder recht gefaßt, was die Königin eigentlich wolle, noch zu dem, was er als[210] ihren Zweck einstweilen vermute, sonderlich fähig sei; dagegen wollte er, wenn es verlangt würde, ganz in seiner bekannten Art einen Aufsatz liefern, der seine Unfähigkeit, in politischen Dingen mitzusprechen, ausführlich beweisen sollte, wobei er viele Dinge in gewissem Sinne denn doch eindringlich berühren würde. Hiedurch wäre freilich dem Zwecke wenig entsprochen worden, und weder Ewald noch ich konnten durch unser Zureden ein rechtes Angreifen der Sache hervorrufen. So blieb sie denn liegen und geriet bald in Vergessenheit. Hebel aber hatte sich selber nicht unrichtig beurteilt; ihm fehlte wirklich politischer Sinn, wie seine spätere Rolle, als er Mitglied der badischen Stände war, hinreichend bewiesen hat; ohne Klarheit und Haltung ließ er sich in schwache und schiefe Stellung drücken, die ihn auch seines ursprünglichen Grundes, der Volksbeliebtheit, größtenteils beraubte. Seinen bürgerlichen Gewohnheiten aber blieb er treu, und auch als Prälat hielt er beim Schoppen Wein den traulichen Mitgästen seine launigen Vorträge.

In Karlsruhe war mittlerweile eine wichtige Veränderung vorgegangen. Der Großherzog hatte den Minister von Hacke endlich doch entlassen und an dessen Stelle den Oberkammerjunker und bisherigen Gesandten am Bundestage, Freiherrn von Berstett, ernannt. Die Entfernung des erstern war ohne Frage den badischen Angelegenheiten nötig; er hatte es nach allen Seiten hin mit den Leuten verdorben, und kein Geschäft wollte mehr unter seiner Führung gedeihen. Aber die Anstellung Berstetts erregte bedenkliche Zweifel, wiefern in so schwieriger Zeit so geringe Aushülfe genügen könnte. Man zeigte auf den verdienten Minister von Marschall, der allerdings an Kenntnissen und Erfahrungen wie an strengem, unselbstsüchtigen Eifer jenem Neuling weit überlegen war. Allein, der Großherzog liebte den etwas herben Geschäftsmann nicht, und der geschmeidige Hofmann erhielt den Vorzug. Übrigens kam es auf die Besetzung dieser Stelle so sehr nicht an; denn die höchste Leitung der badischen Geschäfte ging in dieser Zeit in die Hände zweier[211] tüchtigen Männer über, des um Baden hochverdienten Ministers von Reizenstein, der damals pensioniert war, und Tettenborns, der noch nicht in des Großherzogs Diensten stand, aber wiederholt aufgefordert wurde, unter den vorteilhaftesten Bedingungen in sie einzutreten. Berstett hatte den klugen Sinn, diesen beiden, wenigstens solange die Krisis dauerte, blindlings zu folgen. Als ein großer Verlust wurde jedenfalls der bald nachher, am 11. August, erfolgende schnelle Tod des Ministers von Marschall empfunden, und es ging sogar die betrübende Rede, seine erlittene Zurücksetzung könnte denselben wohl mit verschuldet haben.

Inzwischen hatte mir Tettenborn einen wichtigen Auftrag eröffnet, den ihm der König von Württemberg bei seiner Abreise hinterlassen hatte und der nichts Geringeres besagte, als mir im Namen des Königs unter den vorteilhaftesten Bedingungen den Eintritt in württembergische Dienste anzubieten. Ich war sehr überrascht und einigermaßen erfreut, allein gleich im ersten Augenblick sagte mir ein inneres Gefühl, ich dürfe darauf nicht eingehen. Tettenborn stellte mir vor, wie eine solche Berufung mir in Württemberg eine glänzende Stellung sichere, das größte Ansehen, entschiednen Einfluß, daß ich in kurzem dort Minister sein würde, daß auch Württemberg selbst hier mehr als das kleine Land bedeute, daß es die Schwägerschaft Rußlands und alle großen Entwürfe in sich schließe, die der König hege, dessen Ehrgeiz ihn sporne, in Deutschland eine große Rolle zu spielen und worin auch seine Gemahlin ihn bestärke, deren Geist nach ausgedehnter Wirksamkeit strebe und sich dabei auf den kaiserlichen Bruder stütze, der sie liebe, verehre, ihren Rat wünsche und oft befolge. Seine eigengetroffene Wahl, die den ganzen Beifall der Königin hatte, vielleicht von ihr ausging, durfte er nicht so leicht verleugnen, er mußte sie durchsetzen und ihr Dauer geben. Dies war alles begründet, und die persönlichen Vorteile sah ich sehr gut ein. Der König glaubte in mir den Mann gefunden zu haben, der ihn sowohl in seinen Verfassungskämpfen als in[212] den auswärtigen Verhältnissen, die er vorzugsweise zu bearbeiten und zu benutzen dachte, wirksam unterstützen könnte. Was er von mir erwartete, durfte ich mir getrauen zu leisten, und seine Absichten, soweit ich sie kannte, waren freisinnig und kühn, dem deutschen Gemeinwohl zustrebend und selbst dem wohlverstandenen Besten Preußens nicht entgegen. Tettenborn vertraute mir, daß er selber im Begriff sei, den Bitten des Großherzogs nachzugeben und in badische Dienste zu treten, und zeigte mir, wie wir uns gegenseitig kräftigen würden, wenn er mir von Karlsruhe, ich ihm von Stuttgart die Hand böte. Lockend genug war die ganze Aussicht, allein jenes erste Gefühl blieb, und ich hatte die Genugtuung, daß Rahel ganz mit mir einstimmte. Sie war von Geburt eine Preußin, ich ein Preuße aus Wahl, aber nicht aus leichtsinniger, die sich nach Laune zufälligen Glücks wieder aufgäbe und veränderte, meine Gedanken und Empfindungen gehörten entschieden Preußen an, ich darf sagen, dem Könige, dem Staatskanzler, die ich aufrichtig verehrte, denen ich zur Dankbarkeit verpflichtet war. Auch entging mir nicht, daß eine untergeordnete Stelle in dem großen Staat einem hohen Amt in dem kleinen Staat wohl gleichzustellen, in manchem Betracht weit vorzuziehen sei. Genug, in meinem Innern war ich völlig entschieden und sagte dies auch Tettenborn, der indes darauf bestand, ich solle eine so bedeutende Sache nicht übereilt abschneiden, sondern mit der ihr gebührenden Rücksicht und Zartheit behandeln. Meine Antwort war daher neben dem ausgesprochenen Dank ein vorläufiges Verweisen auf Hardenberg, dem ich die Sache persönlich vorlegen würde. Da ich ohnehin die Absicht hatte, den Staatskanzler bei seiner bevorstehenden Reise an den Rhein oder nötigenfalls in Berlin zu sprechen, so ließ sich alles mündlich schnell zur Entscheidung bringen.

Der König von Württemberg hatte zugleich gewünscht, ich möchte mit ihm in vertraulichen Briefwechsel treten, und hiezu ließ ich mich gern bereit finden, doch mit der[213] ausdrücklichen Bedingung, daß ich mit größter Freiheit nicht nur, sondern auch Bequemlichkeit schreiben dürfte; denn nur so würden meine Briefe den Wert haben können, den der König von ihnen erwarte, den einer völlig aufrichtigen und zwanglosen Mitteilung. Dies genehmigte er bereitwilligst und ließ mir durch Cotta, der den Briefwechsel vermitteln sollte, um ihn fremden Augen desto sicherer zu entziehen, auch die näheren Angaben über die ausgezeichneten Vorteile zugehen, die mir in Württemberg bestimmt wären und unter denen der, daß ich nur mit dem Könige selber zu tun haben sollte, nicht der letzte war.

Mit dem neuen Minister von Berstett war ich schnell in bestem Verhältnis, er kam mir aufs freundlichste entgegen und meinte, er würde alles aufbieten, um mir meine Stellung in Karlsruhe angenehm zu machen. Da der Großherzog und die Großherzogin mir wohlwollten und Tettenborn mein Freund war, auf den sich Berstett am meisten zu stützen hatte, so konnte ich seine Versicherungen für aufrichtig halten; auch war sein Bemühen, Baden aus den schwebenden Verlegenheiten und Gefahren zu retten, gewiß ernst und eifrig. Im übrigen hatte er wenig Eigenschaften, die ihn für sein nunmehriges Amt empfehlen konnten. Er war aus der Ortenau gebürtig, wo er eine kleine Besitzung gehabt, wie auch eine solche im Elsaß; denn trotz der langen Trennung des Rheinlandes von dem diesseitigen waren für Besitz und Verkehr beide noch in vielfachem Zusammenhang. Als Kadett hatte er im österreichischen Kürassierregiment Mack Dienste genommen, war später Hauptmann im Generalstabe geworden, nach dem Feldzug von 1800 unzufrieden heimgekehrt und als Kammerherr der Großherzogin in den badischen Hofdienst getreten, aus dem er den Übergang in die Diplomatie leicht erlangt hatte. Von seiner Unwissenheit erzählte mir später der Geschichtsgelehrte Wilken einen merkwürdigen Zug. Berstett war bei den Pariser Friedensverhandlungen im Jahre 1815 von seiten Badens beteiligt und sollte den Professor Wilken in[214] dessen Bemühungen unterstützen, die aus der alten Heidelberger Bibliothek stammenden deutschen Handschriften, welche die Franzosen aus Rom fortgenommen, für den ursprünglichen Besitzort wiederzuerlangen; Wilken machte dem Herrn von Berstett bemerklich, die Sache würde sehr gefördert werden, wenn derselbe dem Bildhauer Canova, der als päpstlicher Abgeordneter hiebei eine entscheidende Stimme hatte, einen Besuch machte; Berstett aber, dem der Professor etwas zu dreist war, bog sich vornehm zurück und rief mit verachtendem Unwillen: »Was! Zu dem Bildhauer soll ich gehen? Wo denken Sie hin!«, worauf denn Wilken mit verstellter Demut erwiderte: »Freilich hat es sein Unangenehmes, denn Euer Exzellenz könnten in den Fall kommen, den Kaiser von Rußland und den König von Preußen dort zu finden und dann stundenlang auf deren Weggehen warten zu müssen.« Ein anderer bemerkte, Canova habe denselben Titel, den noch vor kurzem Berstetts Herr geführt, er sei Marchese von Ischia, das heiße Markgraf. – Seinen Mangel an Urteil gab er auch jetzt wieder zu erkennen; er wollte seinen Vorgänger Hacke so schnell als möglich los sein und betrieb eifrigst dessen Abreise nach Wien, wo derselbe badischer Gesandter sein sollte; auf die Bemerkung, es sei doch mehr als zweifelhaft, ob dieser Mann dort für Baden jetzt der rechte sei, erwiderte Berstett mit lächelnder Zuversicht: »Oh, Wien ist für uns ganz unbedeutend, Österreich hat auf die deutschen Verhältnisse wenig Einfluß!« Und der das sprach, kam vom Bundestage, wo Österreich den Vorsitz führte, und in Österreich waltete Metternich, dem alle Kabinette sich in Ehrfurcht beugten! Berstett hatte sich in Frankfurt am Dufte von Anstetts Küche und Einfluß bis zu solcher Verblendung berauscht; indes Tettenborn und Reizenstein belehrten ihn bald eines andern.

Hackes Ernennung nach Wien fand anfangs Schwierigkeiten; Metternich gedachte der früheren Unarten. Allein verwandtschaftliche Verhältnisse – Frau von Hacke war[215] eine geborne von Kerpen und Schwester der Fürstin Kinsky – und gute Worte von seiten Hackes dienten zur Vermittelung. Ich sah ihn noch bevor er abreiste und sah ihn ohne Groll; gegen den gefallenen Minister hatte ich keinen Krieg mehr zu führen. Er war auch ziemlich gebeugt und suchte sein früheres Betragen einigermaßen zu entschuldigen; zuletzt erhob er sich denn doch wieder etwas und warf einige Witzworte gegen seinen Nachfolger und nunmehrigen Vorgesetzten aus, die ich nicht umhin konnte zu belachen, so daß ich dem ungebärdigen Gegner zuletzt noch eine Freude machte.


Ich hatte Berlin seit zwei Jahren nicht gesehen und fand in jeder Beziehung viel verändert. Der Frieden zeigte seine mächtigen Wirkungen, aller gerettete oder neu erworbene Wohlstand machte sich geltend, alte und neue Ansprüche traten hervor, hundert zurückgedrängte Tätigkeiten strebten neben- und gegeneinander, Macht und Einfluß setzten sich zurecht, der Hof nahm eine glänzendere Fassung, die höhere Gesellschaft gruppierte sich um ihn her. Die Mannigfaltigkeit der Richtungen, die Weite des Raumes und die Fülle der Gegenstände, welche sich ihnen darboten, das Massenhafte überhaupt, worin auch das Bedeutende sich wieder verlor, alles gab mir das Gefühl, in einer großen Stadt zu sein, gegen welche Frankfurt und selbst Brüssel doch nur als mittlere aufkamen.

Der Staatskanzler war noch nicht heimgekehrt, und ich hatte vollkommene Muße, mich unter Freunden und Bekannten umzutun. Reimer, Eichhorn, Jordan, Renfner, Kiesewetter, Stägemann, Hitzig, Oelsner, Rhediger, Rust, Beyme, Altenstein, Schuckmann, Bülow, der Finanzminister, von den Gesandten vorzüglich Graf Zichy, dann Erhard, Heinrich Meyer, Nolte, Friedrich August Wolf, Achim von Arnim, ferner Karl Müller, Jahn und zuletzt noch Harscher – diese Namen, denen noch hundert andere beizufügen wären, bezeichnen einigermaßen die Buntheit[216] der Kreise, mit denen ich verkehrte. An mehrere dieser Namen hatte man schon am Rheine und in Frankfurt mir wohlmeinende Warnungen knüpfen wollen, allein dergleichen weckte nicht nur meine Verachtung, sondern geradezu meinen Trotz. Doch widerfuhr mir unmittelbar nach meiner Ankunft ein Begegnis, das mich allerdings hätte stutzig machen dürfen, wär ich minder unbefangen und in mir selbst weniger sicher gewesen, als ich wirklich war. Ich besuchte gleich zuallererst den Geheimen Rat von Jordan, der in Hardenbergs Abwesenheit den auswärtigen Geschäften vorstand; er bewillkommte mich freundlich, fügte aber sogleich, zwar mit Laune, doch mit auffallender Bedeutung hinzu: »Sie kommen wie gerufen, ich lese eben von Ihnen!« Von mir? Ich hatte nichts drucken lassen, von dem diese Worte gelten konnten, noch war mir irgendeine Beziehung, gegenwärtig, in welcher sie zu verstehen gewesen wären; doch dauerte die Ungewißheit nicht lange. »Da lesen Sie selbst!« sagte Jordan und gab mir einen beschriebenen Bogen, den er in der Hand hielt. Ich las mit Erstaunen in mir wohlbekannter Handschrift einen umständlichen Bericht, den Küpfer über mich und meine Äußerungen in betreff mancher Verhältnisse und Personen, besonders Wilhelms von Humboldt, erstattet hatte; auch Jordan selber war in nicht angenehmer Weise darin berührt; er ließ mir aber kaum Zeit zu Erklärungen. »Ich gebe gar nichts auf dergleichen Zuträgereien«, rief er lebhaft aus, »ich habe ausdrücklich erklärt, daß ich keine solche Berichte will, daß ich sie ungelesen ins Feuer werfe, aber die zudringliche Dienstfertigkeit läßt sich nicht abweisen, immer aufs neue kommen solche Zettel.«

In Berlin war dergleichen Unwesen glücklicherweise nicht in Gunst, noch konnte damit viel auszurichten sein, da die Freiheit der Rede dort im höchsten Grade herrschte und die kühnsten Meinungen, die dreistesten Urteile und Absichten laut und öffentlich ausgesprochen wurden, so daß für die Angeberei nur der Schmerz blieb, umsonst vergeudet zu[217] sehen, was sie teuer hätte verkaufen mögen. Diese Freimütigkeit, um den gelindesten Ausdruck hier anzuwenden, durchdrang alle Klassen und Stände, sie stammte schon aus Friedrichs des Großen Zeit und galt als ein Erbstück der Berliner; der Krieg aber, an welchem die ganze Nation teilgenommen, hatte sie unendlich gesteigert, und die Zeitumstände ließen es ihr nicht an Nahrung fehlen. Sogar Oelsner, der so lange Zeit in Paris gelebt und dort die heftigsten Stürme der Volksleidenschaft gesehen hatte, war fortwährend erstaunt über diese Ungebundenheit der Zungen. In Paris hatte doch immer die eine oder die andere Meinung alsbald ein entschiedenes Übergewicht und wußte dann die gegnerischen mehr oder minder zu unterdrücken, in Schranken zu halten oder zur Vorsicht zu nötigen. Aber hier lief alles nebeneinanderher oder durchkreuzte sich in beinahe friedlicher Nachbarschaft, die entgegengesetztesten Denkweisen und Urteile genossen gleicher Freiheit, und wer diese tadelte, bediente sich ihrer unmittelbar selbst. Viel rohes und leeres Schimpfen wurde gehört, unverständiges sinnloses Tadeln, wobei Ziel und Gegenstand oft kaum zu erkennen waren, aber auch manches gehaltvolle, tiefdringende Wort schwamm in dieser Tagesflut dahin. Das Turnwesen durchdrang alle Klassen, die altdeutsche Tracht erschien überall, sie überwältigte beinah die militärische, und die würdigsten Männer gingen gleich den Studenten in langen, gescheitelten Haaren einher. Schwer würden eigentliche politische Parteien in diesem Gewirre zu unterscheiden gewesen sein; als feste gegliederte Gebilde bestanden sie auch wirklich nicht, es waren eher Meinungsgruppen, die sich zusammenstellten und wieder auflösten, weil man wohl öfters über einen, aber selten über mehrere Gegenstände gleich dachte und noch nicht gelernt hatte, einer Hauptmeinung viele andere einstweilen unterzuordnen. Ein aufmerksamer Beobachter konnte jedoch einige Richtungen nicht verkennen, die sich schon deutlicher hervorhoben. So war in den obern Ständen der Drang des Mißvergnügens am[218] nachdrücklichsten gegen den Staatskanzler gerichtet, während er in den untern noch bei Schmalz und anderen Namen verweilte, die von geringer Bedeutung waren.

Der Fürst von Hardenberg war das Ziel mächtiger und beharrlicher Angriffe und schon häufig dahin gebracht, ihnen lieber auszuweichen und nachzugeben als zu begegnen. Die Leitung der Dinge lag längst nicht mehr in seiner Hand, wiewohl die höchste Amtsmacht ihn noch bekleidete und er sie auch im großen und kleinen meist ungehemmt ausübte, wodurch der Schein bewahrt blieb, als übe er sie noch ungeschmälert. Unter den Staatsbeamten hatte er viele Teilnehmer seiner Gesinnungen und Absichten, aber wenig persönliche Freunde, und manche, denen er vertraute, in denen er Gehülfen voraussetzte, waren ihm schon entgegen. Hätte ihn Humboldt oder Gneisenau – denn diese beiden nannte man – damals abgelöst, so wäre er auf dem Gipfel des Ruhmes von den Staatsgeschäften geschieden, denen damit manche trübe Verwickelung und Hemmung erspart worden wäre, und rüstigere Hände hätten vielleicht vollbracht, was seinen schon matteren nicht mehr gelingen wollte. Allein er dachte nicht daran, sich zurückzuziehen, sondern hielt stand, so gut er konnte, wobei er in der Tat noch alle Erwartungen übertraf und einige Hauptschläge mit gutem Erfolg ausführte, was aber bisweilen in betreff der Sache gerade am meisten zu beklagen war.

Unter den öffentlichen Gestalten war keine ausgeprägter und für das Auge auffallender als Jahn, der Alte im Bart, wie man ihn nannte. Als Haupt der Turner gebot er über eine große Schar, meist kräftige, erregbare Jünglinge, und darunter die edelsten und bravsten. Seine und seiner Jünger Gesinnung war gerade und fest und so ungelenk und starr, als ihre Körper geschmeidig waren. In der Zusammenhaltung aller Kräfte auf einer beschränkten Bahn lag zum Teil die Stärke dieser eigentümlichen, durch ganz Deutschland ausgebreiteten Genossenschaft. Ich glaube, er zumeist wußte, was er wollte, und hatte sein Ziel klar vor Augen;[219] daß er, als die Zeitumstände es als ein unmögliches erkennen ließen, sein Streben aufgab, zeugt aufs neue von seiner Einsicht. Sein Charakter und seine Erscheinung wirkten auf das Volk, und seine Beredsamkeit hatte etwas Körniges und Hartes, das ungemein in die Gemüter drang. Erzählungen wie die, daß ein Herr Johann Kuh aus Breslau, von Paris zurückkehrend, seinen Namen französisch ausgesprochen habe, aber von dem gescheiten Torschreiber gleich wieder deutsch als Hans A. eingetragen worden, trafen den Volkssinn unwiderstehlich. Weniger Beifall erlangte er in den höheren Ständen, und ihm schien auch wenig daran gelegen. In früheren Vorträgen, zu denen ihm die Erlaubnis nicht versagt worden war, hatte er es gewagt, den Gouverneur von Berlin, Feldmarschall Grafen von Kalckreuth, persönlich anzutasten, und dieser seine Rache auf ein Wortspiel über Jahns Namen beschränken müssen. Nach diesem Erfolge schonte er niemand mehr, und hohe Generale und Minister waren die Zielscheibe seines bittern Spottes, seiner scharfen Rügen, mit Ausnahme des Staatskanzlers etwa, von dem er gut dachte und noch vieles hoffte.

Die Feier des 18. Oktobers gab Gelegenheit, diese Seite des Lebens in Berlin auf das glänzendste hervorgekehrt zu sehen. Alle andern Festlichkeiten wurden verdunkelt durch die der Turner; ihre Übungen, Lieder, Reden und Sprüche hatten etwas kühn Begeisterndes, das die Menge lebhaft ansprach und fortriß. Noch spät am Abend besuchte ich mit Oelsner, nachdem wir schon mit Stägemann einem großen Gastmahle beigewohnt, das außerhalb der Stadt bei den Rollbergen gehaltene Turnfest, wo die von der heißen, kriegerisch gestimmten Jugend und vielen Tausenden beeiferter Zuschauer umkreisten Oktoberfeuer einen wirklich großartigen Anblick gewährten. Oelsner enthielt sich nicht, mir im stillen die Gefahr solcher Volksversammlungen bemerklich zu machen; er meinte, ein toller Kopf reiche hin, diese Massen zu unwiderstehlichen Ausschweifungen zu verleiten; ein etwaniger Vorschlag, daß jeder einen Feuerbrand nähme[220] und so im Zuge nach der Stadt zurückkehrte, könnte mehr als nur diese aufs Spiel setzen. Seine Besorgnisse waren wohl gar nicht verwerflich, doch erinnerte er sich selber bald, daß ein solch toller Kopf eben bei uns nicht vorauszusetzen sei, daß eine Stufenfolge von Vorübungen zu solchen Auftritten gehöre und daß schließlich keine Franzosen, sondern Deutsche uns umgaben.

Gleichwohl waren mancherlei Dinge vorgekommen, welche die Behörde stutzig machten. Am folgenden Tage sah man mißmutige, befangene Gesichter, man hörte schlimmen Tadel über die Dreistigkeit der ungezügelten Jugend, harte Äußerungen über ihre strafbaren Verführer. Was eigentlich getan und worin gesündigt worden, blieb im halben Dunkel, die Anschuldigungen schienen zum Teil unbegründet, jedenfalls übertrieben, aber ein reger Diensteifer wollte sich bei diesem Anlaß auszeichnen. Weit ärger wurde das Geschrei, als Nachricht von den Vorgängen auf der Wartburg eintraf. Es war viele Wochen vorher öffentlich angekündigt worden, daß die Burschenschaft der Universität Jena den 18. Oktober auf der Wartburg feiern wolle; Abgeordnete aller deutschen Universitäten waren eingeladen, sich zur Feier dort einzufinden, die Studenten wollten allgemeine Angelegenheiten dort beraten; alles dies war bekannt, und niemand hatte daran gedacht, das Fest zu hindern oder seinen Besuch zu erschweren. Die ganze Sache schien so unschuldig, daß der Staatsminister von Beyme nicht übel Lust hatte, eigens hinzureisen, um der Zusammenkunft beizuwohnen und sich am fröhlichen Tun so zahlreicher und auserlesener Jünglinge zu ergötzen; wie lieb war es ihm nun, diesem Gelüste zufällig nicht nachgegeben zu haben! Denn freilich erschollen schlimme Dinge von dort: die Studenten hatten sich ein politisches Richteramt angemaßt, hatten Bücher und Gesetze verbrannt und noch einige Gegenstände, durch welche gegen die verbündeten Mächte höhnisch gefrevelt sein sollte. Der erste Eindruck von diesen Begebenheiten und ihrer Aufnahme abseiten der Behörden[221] und der höheren Kreise bestürzte im ersten Augenblicke selbst die entschiedensten Freunde des jugendlichen Unternehmens. Die Gegenseite gewann sichtlich die Oberhand, man sprach von gefänglicher Einziehung und strenger Bestrafung der Frevlerrotte, von Zerstörung ihres Zusammenhangs, von Schließung aller Turnanstalten. Indessen waren dergleichen Maßregeln noch nicht reif, die Jugend fand auch in hohen Regionen Verteidiger, die allgemeine Stimme wollte die Sachen überhaupt nicht so schwer finden, und während die Behörden untersuchten und verhandelten, ging einige Zeit hin, während deren auch die Bedrohten sich beraten und ihre Vorteile wahrnehmen konnten. Doch teilte sich seit jenen Ereignissen die Stimmung von Berlin sichtbar in zwei feindliche Lager, und es war schwieriger als vorher, zwischen den Parteien anteillos durchzugehen, man sollte zu der einen oder zu der andern durchaus gehören.

Der Staatskanzler war mittlerweile von Pyrmont eingetroffen, dem Anschein nach ganz erholt und kräftig, doch vertraute mir sein Arzt, Geheimrat Koreff, daß er für die Dauer der Genesung nicht einstehe, es könne jeden Augenblick ein Rückfall eintreten. Der Fürst fand mit vielen harrenden Geschäften auch jene neuen Verdrießlichkeiten vor und nahm nach seiner gewohnten Weise gleich seinen Standpunkt über ihnen, behandelte sie mit Maß und Leichtigkeit, suchte zu vermitteln und zu beschwichtigen. Dies gelang bis zu einem gewissen Grade; doch tat er keiner Seite ein rechtes Genüge: die Partei der Jüngern hatte erwartet, durch ihn kräftiger verteidigt zu werden, die Partei der Alten wollte ihn eifriger und schärfer; es blieb dieser Zwiespalt offen, und noch viel Einspruch und Störung sollte von daher künftig hervorbrechen. Fürerst aber traten diese Sachen wirklich etwas in den Hintergrund, und andere wichtige Geschäfte kamen zur Sprache. Diplomatische Angelegenheiten machten viel zu schaffen: die Kriegszahlungen Frankreichs, die noch neuen Verhältnisse des Deutschen Bundes, die rückständigen Gebietsausgleichungen, aus denen die bayerisch-badische[222] Streitsache sich mit unerwarteter Wichtigkeit erhob; alles half die Sache der Burschenschaft und des Turnwesens einigermaßen zurückdrängen. Der Staatskanzler gab glänzende Gastmahle, wobei durch persönlichen Verkehr oft auch die Geschäfte glücklich gefördert wurden; täglich war die ansehnlichste Gesellschaft an seiner Tafel beisammen. Ich sah und sprach hier mit nicht geringer Neugierde den alten General von Köckeritz, den ich früher so oft in absonderlicher Beziehung hatte nennen hören, dann den berühmten, einst so gefürchteten General von Rüchel, der mir durch die Art, wie er sich benahm und äußerte, sehr merkwürdig war, denn er trug sein hartes Schicksal, die Schmach des unglücklichen Krieges miterlitten, den Sieg und Ruhm des glücklichen aber nicht geteilt zu haben, mit würdiger Haltung und kräftigem Selbstgefühl. Mit den mir so werten Freunden und Gönnern, Stägemann, Beyme und Altenstein, hielt ich mich auch hier gern und eng zusammen.

Mit besonderer Geschicklichkeit und Überlegenheit bewegte sich in dem damaligen Treiben der große Philologe Wolf, dessen Umgang jederzeit einen köstlichsten Ertrag bot. Er war ohne Frage das Salz der damaligen Universität, an der denn Schleiermacher etwa den Pfeffer vorstellte. Wolf ging, wie alle Menschen damals, lebhaft auf die Tagesfragen ein, aber nur, um sie durch seine Geistesblitze zu erhellen, durch seinen Witz zu erheitern. Für seinen Freund Humboldt hatte er ernstlich Partei genommen, und es schien, bisweilen, als sei er ein von diesem zurückgelassener Posten, wie man ihn denn auch, gewiß überaus töricht, beschuldigte, demselben in altgriechischer Sprache, als in der sichersten Geheimschrift, die verfänglichsten Neuigkeiten mitzuteilen! Allerdings wußte er seine Ansichten und Meinungen fast immer in sein Fach einzukleiden, und das meiste tat er mit bloßen Sprachbemerkungen ab. Gegen das mächtig aufkommende Frommtun und den Ton vieler neueren Schriften stellte er die Bemerkung auf, man habe ehemals für dergleichen das Wort »salbungsvoll« gebraucht, es sei jetzt[223] offenbar passender, dafür »schmierig« zu setzen, denn bei Salbung denke man an Weihe, bei Schmiere aber an gutes Fortkommen. Ungemein ergötzte ihn eine ironische Schrift, die über kirchliche Gegenstände unter einem angeblichen Namen erschienen war und die zur Beförderung der Glaubenseinheit in der protestantischen Kirche zwar nicht Feuer und Schwert, o nein! aber doch die Anwendung gelinder Zwangsmittel empfahl, zum Beispiel, was man ehemals bei widerspenstigen Rekruten versuchte, ihnen nichts als gesalzene Heringe zu essen zu geben; daß aber Friedrich von Schlegel diese Schrift für baren Ernst genommen und seinen Jugendfreund Schleiermacher für deren Verfasser gehalten, ging wörtlich über den Spaß. Wolf schmiedete zur Lust abenteuerliche deutsche Worte, zum Ersatz der fremden, die ausgemerzt werden sollten, und hatte die Genugtuung, daß manche Deutschtümler sie in gutem Ernst aufnahmen und ihm die Bemühung dankten, während er doch offen genug den übertriebenen Purismus verwarf und aus dem Wesen aller Sprachen nachwies, daß keine sich völlig abschließen lasse, noch auf ihren alleinigen Füßen stehe.

Schleiermachern zu besuchen hatte ich keinen Anlaß, sah ihn aber bei Reimer. Als Kanzelredner und Universitätslehrer stand er im höchsten Ansehen, aber seit er gegen Schmalz so furchtbar losgefahren und in politischen Dingen so entschieden gesprochen, wurde er von vielen Seiten mit sichtbarer Kälte behandelt und zum Rücktritt aus seiner Geschäftstätigkeit bei der Ministerialbehörde veranlaßt. Ihm eröffnete sich dafür eine neue Wirksamkeit. Der König hatte verfügt, daß die protestantische Geistlichkeit in Synoden zusammentreten sollte, und in Berlin war fast einstimmig Schleiermacher zum Vorstand erwählt worden. Dies war ein politisches und in seiner Art merkwürdiges Ereignis; denn die Mitglieder einzeln waren größtenteils Gegner von ihm, und als Gesamtheit wählten sie ihn dennoch. Sein erster Vortrag, der bald im Druck erschien, war meisterhaft und zeigte das überwiegende Talent, mit welchem er den[224] Gegenstand als ein Staatsmann auffaßte, mit wahrhaft praktischem Geiste. Auch ist nicht zu sagen, wohin er die Sache geführt haben würde, wäre er an ihrer Spitze geblieben und hätte freie Hand behalten. Doch gerade dies feste Vorschreiten erschreckte die Behörde, und die eben erst angeordnete Bewegung wurde sogleich wieder gehemmt, die beabsichtigte Synodalverfassung völlig abgestellt.

Das Fest der Reformation wurde am Schlusse des Oktobers und an den ersten Tagen des Novembers auf vielfache Art gefeiert. Die Teilnahme war groß und allgemein, das Volk verstand dieses Fest; die religiöse Stimmung des gemeinen Mannes verlangt Vorstellungen des Mutes, der Tapferkeit; hier fand sie solche in dem Helden des Tages, dem gepriesenen Doktor Luther, der aus der alten Zeit wie von selbst an die Seite Blüchers trat und in Wittenberg eben jetzt auch im ehernen Standbild sichtbar wurde. Lieder, Reden, Lebensabrisse, Denkmünzen, Kupferstiche, Steindrücke erschienen in Menge, das würdigste Denkmal aber neben dem ehernen war die Reformationsgeschichte Marheinekes, welche längst vorbereitet in diesem Zeitpunkt herauskam. Daß auch das Theater die Reformation feierte, kann beweisen, wie gering noch die Neigung war, Ärgernis zu nehmen; damals besuchten auch die Prediger noch ohne Bedenken das Schauspiel. Aber den Luther Zacharias Werners auf die Bühne zu führen, den verweichlichten, fast albernen, des schon katholisch gewordenen Dichters, konnte allerdings ein Mißgriff dünken; die Theaterverwaltung beging ihn, die Behörden taten keinen Einspruch, und auch das Publikum hätte vielleicht geschwiegen; nur die Jugend zeigte hier ein empfindlicheres Gefühl und hielt ihrerseits schon den Maßstab an, der später der herrschende wurde; kaum war der Schauspieler, der die Rolle Luthers spielte, hervorgetreten, so riefen die Studenten: »Der Reformator von der Bühne!«, und da ein großer Teil des Publikums einstimmte, so wurde die angekündigte Szene aus der »Weihe der Kraft« förmlich ausgepocht. Die neue Anklage,[225] welche hieraus gegen die Jugend hervorging, fand in diesem besondern Fall ihre angesehenen Verteidiger, und die Sache ging ungeahndet vorüber.

Ernsthafter und umfangreicher war bald nachher ein Fest, das die Gesellschaft für deutsche Sprache abends im Börsensaale gab. Die namhaftesten Männer der Stadt, unter ihnen Stägemann, Nicolovius, Süvern, Wolf, waren als Mitglieder oder als Gäste zugegen. Hier war fast alles in altdeutscher Tracht, und Jahn und seine Turnbrüder hatten das Übergewicht. Die Lieder, welche gesungen wurden, die Trinksprüche, die ihnen folgten, der laute und kräftige Jubel, welcher sie begleitete, setzten die Haltung mancher steifen Herren auf harte Proben. Die ganze Versammlung, in der, wie gesagt, die Turner sich in der Mehrzahl sahen und daher mit größter Zuversicht ihre Stichwörter auswarfen, eines rauschenden Beifalls im voraus gewiß, hatte etwas Herausforderndes und Kriegerisches, das den Sinn mächtig ansprach, aber freilich auch erschrecken konnte. Schon waren wilde Äußerungen genug vorgekommen, allein der besonnene Ordner der Gesellschaft, Dr. Karl Müller, wußte immer wieder das Feuer zu dämpfen und leitete zuletzt durch eine längere, gediegene und wohlgesprochene Rede die Aufgeregten zur Mäßigung zurück, worauf er sein Amt niederlegte und das Festmahl für geendigt erklärte. Doch die Gesellschaft wollte darum noch nicht auseinandergehen; im Gegenteil, jetzt der bindenden Ordnung entledigt, nahm der Taumel erst rechten Aufschwung. Die Sitze wurden verlassen, Arm in Arm verschlungen, wandelten Gruppen singend auf und ab, in der großen Gesellschaft bildeten sich kleinere, jede hatte ihre Gespräche und Gesundheiten für sich; nirgends aber, das verdient bemerkt zu werden, war eine Spur von Trunkenheit. Da versuchte Jahn nochmals mit gewaltiger Stimme durchzudringen und brachte das Wohl derer aus, die auf der Wartburg ein so herrliches Beispiel gegeben; die Gläser klangen und heller Jubel; aber gleich darauf erfolgte eine große Stille; man besann sich, bedachte[226] die Umstände, und viele selbst der näheren Freunde Jahns tadelten seinen Übermut, denn sie fühlten, daß aus dem Wartburgfest viel Unheil hervorgehen könne, sahen sich und ihre Sache nicht wenig bedroht und glaubten, daß die Umstände eher Klugheit als Trotz anraten müßten. Jahn selbst wollte das nicht in Abrede stellen, meinte aber, was für die andern gelte, gelte noch nicht für ihn, und zu allem, was er schon zu verantworten habe, könne er auch das, was er eben gesagt, noch nehmen. Zuletzt, als der Saal schon leerer geworden, rief er die Übriggebliebenen noch zusammen und hielt aus dem Stegreif eine Rede zu Ehren Luthers und der deutschen Sprache, so kräftig, frisch, kurz und rasch und so zweckmäßig und unverfänglich, daß alle Hörer entzückt und auch die schüchternen befriedigt waren; denn das ganze Fest empfing dadurch einen so harmlosen als glänzenden Schluß, zu dem sich jedermann bekennen durfte.

Ich hatte dem Fürsten von Hardenberg in der ersten Audienz, die ich nicht ohne Schwierigkeit im allgemeinen Zudrang erlangte, meine Berufung nach Württemberg vorgelegt, und ich konnte bemerken, daß sie einen günstigen Eindruck bei ihm machte, daß es ihm schmeichelte, einen der von ihm zuerst Angestellten so günstig von einem fremden König beurteilt zu sehen. Er versetzte auch ohne Zögern, das sei recht schön und ehrenvoll, aber ich müsse in Preußen bleiben, und man werde mich für das, was ich dort aufgäbe, hier schon entschädigen. Ich hatte die Unvorsichtigkeit, ganz offen zu erklären, daß ich schon völlig entschieden sei und alles ablehnen wolle. Der Fürst meinte, er müsse doch dem Könige Vortrag über meine Sache halten, ich möchte unterdes das Weitere mit Jordan besprechen. Dieser glaubte mir zureden zu müssen, die Sache anzunehmen, sie sei doch gar zu vorteilhaft; denn selbst wenn man mich zum Gesandten in Karlsruhe machte, wäre das doch lange nicht so viel, als mir in Württemberg angeboten sei. Nachdem ich auch ihm gesagt, ich sei fest entschlossen, in[227] meiner preußischen Bahn zu bleiben, so versicherte er, dann wolle er wenigstens sorgen, daß mein Verhältnis gehörig verbessert werde, ich solle fürerst als Ministerresident nach Karlsruhe zurückkehren, eine Gehaltserhöhung bekommen, und dann werde auch die Abhängigkeit von Küster aufhören müssen. Ich war dies alles wohl zufrieden. Indes verzögerte sich die Entscheidung; ich hatte nochmals zu erinnern, daß ich derselben voll Ungeduld harrte, daß ich dem Könige von Württemberg doch endlich eine bestimmte Antwort geben müßte. Diese kam unter dem 6. November, der Staatskanzler schrieb mir, er habe an demselben Tage dem König über meine Angelegenheit einen Vortrag gemacht. Allerhöchstdieselben wollten mich gern in ihren Diensten behalten und mir die Vorteile gewähren, welche sich mit den Verhältnissen und mit meiner bisherigen Stellung vereinbaren ließen; einen besonderen Gesandten am badischen Hofe finde der König aber jetzt nicht nötig, eine Gehaltszulage sei für den Augenblick nicht statthaft, solle aber demnächst erfolgen; indes wurde ich zum Ministerresidenten ernannt. Ich gestehe, daß ich ursprünglich hiemit ganz zufrieden gewesen wäre, hatte ich doch erklärt, auch wenn mir gar nichts Neues gewährt würde, in meiner Stellung verbleiben zu wollen! Aber mich empörte, daß man mir andere Versprechungen gemacht und nun tun wolle, als sei das nicht geschehen. Ich tat demnach Einspruch, sowohl bei Jordan als bei Hardenberg selbst; allein ersterer berief sich darauf, daß er mir gleich gesagt, ich würde am besten den württembergischen Antrag annehmen, und er riete mir noch dazu. Hardenberg, der die Freundlichkeit selbst war, setzte in einer großen Unterredung auseinander, wie er selbst gern alles für mich tun möchte, auch gewiß in der Folge tun werde, doch seien ihm selbst die Hände nicht frei, er müsse viele Rücksichten nehmen, es sei nicht mehr die Zeit von 1813, auch nicht einmal die von 1815, der Hof sei hocharistokratisch, der alte Familieneinfluß dränge mächtig heran, fordre mit Ungestüm Anstellungen und Geld, er[228] führte mir Otterstedt an, der als alter märkischer Edelmann habe befördert werden müssen; er meinte, seine alten, durch neuen Zuwachs verstärkten Gegner weckten ihm überall Hindernisse, der alte Kampf erneue sich, und seine Freunde – er rechnete mich dazu – sollten ihm beistehen, nicht aber ihm neue Schwierigkeiten verursachen. Meine anfängliche Heftigkeit war gebrochen, es rührte mich, den alten Mann seine Bedrängnisse so bekennen zu hören. Ich sah wohl ein, daß hier nichts weiter zu machen war, und dachte nur mit Sorgen an die Rückwirkung, die in Preußen begonnen hatte und deren schlechter Geist besonders in der Behandlung der Wartburgsache traurig zutage kam. Nun war auch meines Bleibens nicht länger in Berlin. Der Staatskanzler beschied mich zu neuem Wiedersehen an den Rhein, denn er wollte den früher beabsichtigten Besuch jetzt alsobald ausführen. Ich war froh, meine neuen Ausfertigungen aus den Kanzleien ohne neue Zögerung zu empfangen, eilte, bei Freunden und Bekannten mich zu beurlauben, und trat am 17. November meine Rückreise nach Frankfurt am Main an.

Am 19. November in Weimar eingetroffen, wollte ich diesmal doch die Gelegenheit wahrnehmen, endlich Goethen kennenzulernen. Ich hatte einige Briefe mit ihm gewechselt, aber ihn noch nie gesehen. Doch über diesen Besuch berichtete ich bald nachher einem Freunde durch einen Brief, den der Zufall wieder in meine Hände gebracht, und ich glaube den Gegenstand auch hier am besten darzulegen, indem ich jene Briefworte wiederhole, sie waren an Stägemann gerichtet und lauteten wie folgt:

Ein Gegenstand fordert und nimmt sich sein Recht; indem ich diese Zeilen an Sie, verehrtester Freund, beginne, drängt es sich mir unwiderstehlich auf, Ihnen vor allen andern Dingen zu sagen, daß ich Goethen persönlich kennengelernt habe; zum erstenmal in meinem Leben hab ich ihn gesehen, kaum der Gefahr entwunden, ihm unbesucht vorbeizureisen, aber freilich auch nicht ahndend und vermutend, welcherlei Gut mir dadurch unzugeteilt geblieben wäre! Ich[229] kam nachmittags gegen vier Uhr in Weimar an, unmutig, durchfrostet nach schlechten Nachtfahrten, auf verdorbenen Wegen, voll ungeduldiger Eile; in dieser Stimmung beschloß ich dennoch zuletzt, mein Heil zu versuchen, ließ mich melden und wurde zu fünf Uhr angenommen. Ein Gang von wenigen Schritten, aber in welcher Erregung legte ich diese zurück! Es war mir, als wenn alles, was ich bei dem Namen je gedacht und empfunden, sich noch eiligst auflösen und zu einer Persönlichkeit verkörpern sollte, die sich sogleich an der wirklichen, leibhaftig mir gegenüberstehenden, zu prüfen haben würde. Aber welcher Empfang stand mir bevor! Ich mußte, als ich Goethen vor mir hatte, alles fahrenlassen, was die langjährige, tiefgenährte Bekanntschaft mit dem Dichter mir einflößen gekonnt, um nur mit dem neubekannten, wirksamen Menschen beschäftigt zu sein, der, mild, freundlich, treuherzig, anmutig, geistvoll, kraftreich, mir das Bild eines ganzen Menschen – wenn dieser geringe Ausdruck der hohen Bedeutung fähig ist – in vollständig ausgebreiteter großartiger, schöner Lebensentwickelung vergegenwärtigte. Das seltene Glück – hier wohl unverdient, doch nicht unwürdig empfangen – einer so milden und biedern Aufnahme, als sei ich ein alter Freund, der längst erwartet worden, mußte mich um so mehr überraschen, als ich die scheue Zurückhaltung, die ihm so oft vorgeworfen worden, in den schriftlichen Berührungen, die ich mit ihm gehabt, nicht ganz hatte leugnen können. Nach der ersten Begrüßung, wobei er mir die Hand reichte, sprachen wir gleich sehr vertraut, und bald nachher hielt er inne, reichte mir wieder seine Hand hin und rief mit Innigkeit: »Sie müssen mir noch mal die Hand geben!«

Vergebens würde ich Ihnen den Gang, den Inhalt oder auch nur die Art des alsbald lebhaften Gesprächs zu schildern suchen, es war wie ein Stück Leben, in tausend Wellen fließend, ein Gefühl, im ganzen wirkend, ohne die einzelnen Bezüge gesondert festhalten zu lassen; jedes Wort eine Blüte am Zweige des Baumes, aus der tiefen, dunkeln Wurzel her,[230] aber selber doch nur als luftigheitres Gebild des Augenblickes er schlossen. Wie jenen hellenischen Fremden zu Athen, die nach mehreren mit Platon verlebten Tagen ihn ersuchten, sie nun auch zu seinem berühmten Namensvetter, dem Philosophen, zu führen, so ging es fast mir, der ich in täuschender Besinnung leicht diesen herrlichen Mann hätte bitten können, mir nun auch die Bekanntschaft des ihm gleichnamigen Schriftstellers zu verschaffen. Ich blieb auf Goethes wiederholtes Anmahnen den ganzen Abend bei ihm, bis Mitternacht sogar; sein Sohn und dessen ihm kürzlich erst vermählte Gattin waren die einzigen Mitgenossen eines Teils dieser Stunden. Schwer würde ich einige besondere Sprüche aus dem lebenreichen Ganzen aussondern! Die festesten, kräftigsten Äußerungen, die feinsten, erfreulichsten Wendungen, voll Gestalt im Hervorkommen, zerflossen mir unter den Händen, wenn ich sie dem Gedächtnisse zum Behalten und Überliefern einprägen wollte. Wir sprachen über alles, Goethe mit ungewöhnlichem – so nannte er es selbst – vollen Zutrauen von Dingen, die er sonst lieber unerörtert lassen mag, auch über den Geist und die Richtung der Entwickelung der Gegenwart, über die Gestalten der nächsten Vergangenheit, über Napoleon, Franzosen, Deutschland, Preußen; wie freut ich mich des unerschütterlichen Vertrauens, das ich trotz aller Zwischendinge stets in unseres deutschesten Dichters Vaterlandstreue gesetzt! Wie gerecht, einsichtig und unschuldig waren seine Äußerungen in dieser Hinsicht, von wahrem Geschichtsgefühl so des Augenblicks wie der Jahrhunderte beseelt! Er sieht nur früh und schnell die Dinge so, wie die meisten erst spät sie sehen; er hat vieles schon durchgearbeitet und beseitigt, womit wir uns noch plagen; und wir verlangen, er soll unsere Kindereien mitmachen, weil wir sie noch als Ernst nehmen! – Goethe kein deutscher Patriot? ein echter und wahrhafter, wie es jemals einen geben kann! In seiner Brust war alle Freiheit Germaniens früh versammelt und wurde hier, zu unser aller nie genug erkanntem Frommen, das Muster, das Beispiel,[231] der Stamm unserer Bildung. In dem Schatten dieses Baumes wandeln wir alle. Fester und tiefer drangen nie Wurzeln in unsern vaterländischen Boden, mächtiger und emsiger sogen nie Adern an seinem markigen Innern. Unsere waffenfrohe Jugend, die höhere Gesinnung, die in ihr wirkte, stehen wahrlich bezugreicher zu diesem Geiste als zu manchem andern, der dabei besonders tätig gewesen sein will. Ist doch nicht alles Freiheit, was so aussieht, was einen Augenblick so genannt wird; und manches französische Wort ist deutscher als das, welches man an die Stelle von jenem bringen will! – Das Leben in kleineren Städten, von größeren Mittelpunkten der neuern Zeit entfernt, hat für Goethen vielleicht manche Ansicht nicht sogleich in volle Beleuchtung treten lassen, manche Anschauung dunkel gehalten: aber wie nimmt der weise Sinn den kleinsten Schimmer echten Lichtes, das ihm dargeboten wird, sicher auf und verteilt ihn mit Blitzesschnelligkeit über das ganze Bild!

Übrigens ist Goethe alt und gerade darin jung, daß er die Wesenheit des Alters mit gleicher Frische und Wahrheit in sich aufnimmt, wie er jung die Jugend in sich aufnahm; es ist eine Freude des Lebens, im Hintergründe der Jahre solche Alte möglich zu sehen, wie Schlabrendorf und Goethe sind. Schön von Antlitz und Bildung, kräftig an Haltung und mit hoffnungsvoller Gesundheit steht letzterer noch mitten in des Lebens Tätigkeit, auf Nahes bedacht wie auf Fernes, aber die Zeit beisammenhaltend und nicht das größere Zurückgelegte verkennend. Im ganzen gibt das Werk über sein Leben – diese gehaltreichsten Denkwürdigkeiten, in welchen die tiefsinnige Kürze des alten Philosophen mit der homerischen Fülle des alten Dichters vereinigt ist – den Standpunkt, auf welchem er sich als Mensch jetzt befindet, seine Art und Weise des Daseins, ziemlich vollständig und ungefälscht zu erkennen. Mehrere Teile werden noch folgen; eine Art Ersatz für so vieles, das nicht geschrieben zu haben er jetzt bedauert!

Dieses Übergewicht, das die erwartete Wirkung des Dichters[232] so ganz der Wirkung des Menschen unterordnete und mich von dem ersteren zwar vieles, aber fast nur in bezug auf den letzteren sehen ließ, wurde mir gleichsam zum Triumphbilde des Mannes, von dessen Anschauen ich die folgenden Tage mit einer sanften Glut erfüllt blieb, wie nur die außerordentlichsten Begegnisse der innern Welt sie über die Seele verbreiten können, und für das ganze Leben, kann ich nun sagen, bin ich um ein großes Gut reicher.


In Frankfurt am Main harrte Rahel auf mich. Im Schoße der Familien Goltz, Maltzan und Hertz mit Liebe gehegt, mit Frau Rätin Schlosser, mit Schlegels, Frau de Ron und anderen in erfreulichem Umgang, von dem alten Freunde Scholtz, dem nunmehrigen preußischen Ministerresidenten in Frankfurt, von Otterstedt, der von Darmstadt häufig herüberkam, von Jassoy, Küpfer und anderen mit Dienstbeflissenheit verehrt, hatte sie angenehme Tage verlebt und in aller Kürze sich einen Gesellschaftskreis gebildet, wie er in Karlsruhe nicht möglich war. Sie konnte sich aller dieser Menschen nur rühmen, der einzige, Küpfer, machte eine Ausnahme. Schon schriftlich hatte sie mir angedeutet, daß er unsern Briefwechsel, dem er sich wegen Postbeschleunigung als Zwischenträger erboten hatte, nicht so gewissenhaft besorge, als wir von ihm zu erwarten berechtigt waren; einer meiner letzten Briefe, der ihm als Einlage zugekommen, fand sich, als Rahel ihn von mir empfing, zwar wie gewöhnlich mit einer Oblate versiegelt, allein diese erwies sich beim Eröffnen noch naß, was notwendig voraussetzte, daß der Brief unmittelbar vorher offen gewesen. Noch manches andere Mißfällige in betreff seiner tauschten wir aus, und unser Urteil war schnell gefällt; aber wir kamen überein, alles ungerügt und ihn glauben zu lassen, wir ständen zu ihm wie sonst, so daß wir uns sicherten und ihn der Täuschung preisgaben – die richtigste Gegenwehr gegen solchen Klugdünkler –, an seiner eignen Arglist ihn zum Narren werden zu lassen.[233]

Graf von Goltz bestürmte mich mit Fragen über die Verhältnisse in Berlin; ihm durft ich aufrichtig sagen, wie ich die Sachen gefunden hatte, ein buntes Durcheinander, eine grenzenlose Verwirrung, die der Staatskanzler zur festen Ordnung zu bringen nicht mehr die Macht hatte. Daß diese Aufgabe möglicherweise für Wilhelm von Humboldt bewahrt sein könnte, wie man damals glaubte, war für Goltz eine sehr beunruhigende Aussicht; er und die Gräfin wünschten lieber die Verwaltung des Staatskanzlers fortgesetzt zu sehen, mit der sie doch ebenfalls unzufrieden waren, hauptsächlich aus dem aristokratischen Standpunkt, und ich empfing hier die Bestätigung dessen, was ich selber wahrgenommen und überdies aus Hardenbergs eignem Munde gehört hatte; sie gestanden mir, der ich doch gewiß in ihren Augen ein homo novus war, daß für die alten Familien mehr getan werden, daß der vornehme Adel die ersten Stellen haben müsse, und ich hatte sogar von der Gräfin zu hören, daß Wilhelm von Humboldt doch nur ein Parvenü sei, der bei Besetzung des Londoner Gesandtschaftspostens wohl einem Grafen von Maltzan hätte nachgesetzt werden sollen; dieser als bescheidener diplomatischer Anhängling schien den Ausbrüchen seiner Schwiegermutter doch selber einigen Zweifel entgegenzusetzen.

Sosehr mich Goltz auch aufzuhalten suchte und der Verkehr mit den Frankfurtern mich anzog, so durfte ich doch meine Rückkehr nach Karlsruhe nicht länger verschieben, und nur ein Unwohlsein Rahels hielt mich noch einige Tage fest. Am 29. November trafen wir nach einer dreimonatlichen Abwesenheit wieder in Karlsruhe wohlbehalten ein.

Die badischen Sachen hatten in der Zwischenzeit bedeutende Fortschritte gemacht. Der wichtigste war ein neues vom Großherzog erlassenes Hausgesetz vom 4. Oktober 1817, wodurch die Unteilbarkeit und Unveräußerlichkeit des Großherzogtums ausgesprochen und die Ordnung der Regierungsnachfolge festgestellt wurde; mit diesem Hausgesetz gleichzeitig erschien eine Staatsurkunde, welche die drei Söhne[234] des Markgrafen Karl Friedrich, bisher Grafen von Hochberg, zu großherzoglichen Prinzen und Markgrafen von Baden erhob und sie zur Regierungsnachfolge berechtigt erklärte. Mit unsäglicher Mühe und mit Aufbietung ihres ganzen vereinigten Ansehens hatten Reizenstein und Tettenborn den Großherzog zu diesem entscheidenden Schritte vermocht. Sie mußten dabei den alten Stolz überwinden, der sich weit über die Hochberge erhaben dünkte und sie als einen geringeren Anhang des Hauses zu betrachten gewohnt war; sie hatten die Eifersucht der Markgräfin Amalia und selbst des Markgrafen Ludwig zu beschwichtigen, welche ihren Titel nun mit diesen halbechten Verwandten teilen sollten. Aber der Wechselfall, der diesem Vorschlage zur Seite stand, daß, wenn dieser nicht angenommen würde, der Markgraf Ludwig sofort eine ebenbürtige Heirat eingehen und dem Lande Erben erzielen müßte, schien der gereizten Empfindlichkeit noch schwerer zu ertragen, und die Erhöhung der Hochberge wurde vorgezogen. Die ganze Maßregel war durchaus zweckmäßig, sie erschwerte die Teilungsgelüste Österreichs und Bayerns und zog ihnen die Hoffnung nahen Erlöschens der männlichen Nachkommenschaft im Hause Baden unter den Füßen weg. Die Maßregel war aber auch kühn, insofern sie ganz aus eigener Machtvollkommenheit, ohne Vor- und Anfrage bei den großen Mächten und Verwandten, mit Entschlossenheit als Tatsache hingestellt war. Nur Rußlands Billigung war aus früheren Verhandlungen so gut als gewiß anzunehmen.

Die Großherzogin fand ich in Betrübnis und großer Sorge wegen des Großherzogs. Dieser war seit langer Zeit kränklich, und des düstern Argwohns, der in ihm deshalb aufgestiegen, ist schon früher gedacht worden; allein seine ursprünglich kräftige Natur hatte bisher den Kampf noch mit Erfolg aufgenommen, und er konnte ganze Wochen und auch Monate zählen, in denen er sich verhältnismäßig wohlbefand, auf die Jagd fuhr, den Truppenübungen beiwohnte, ja sogar die alten Vergnügungen genoß, die besonders in[235] schon geschwächtem Zustand ihm verderblich sein mußten, aber freilich von nichtswürdigen Dienern unter immer neuen Reizen ihm dargeboten wurden. Seit dem Herbst aber war die Kränklichkeit bedeutender geworden und wollte den sonst erprobten Mitteln nicht weichen.

Von der Krankheit des Großherzogs durfte so wenig als möglich gesprochen werden; die Markgräfin Amalia ließ nicht merken, daß sie von dem traurigen Zustand ihres Sohnes vollkommen unterrichtet war, ebensowenig der Markgraf Ludwig, dem jedes Wort darüber als eine Hoffnung auf die nahe Erbfolge wäre gedeutet worden. Die beiden anwesenden Schwestern des Großherzogs, Königin Friederike von Schweden und Prinzessin Amalia von Baden, konnten ihre besorglichen Gefühle nicht ganz unterdrücken, sie näherten sich auch der Großherzogin deshalb, welche dies Entgegenkommen liebreich aufnahm; allein die Kälte der Markgräfinmutter unterdrückte die freundlichen Wallungen bald wieder. Man war einmal übereingekommen, der Hof solle ein fröhliches Ansehen haben, und man versprach uns einen glänzenden, gesellschaftreichen Winter.

Quelle:
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten des eigenen Lebens. Berlin 1971, S. 195-236.
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