Schöpfungsmythe im Anschluß an die Feuerschichtung

[38] Nicht war diese Welt am Anfange nicht; nicht war sie. Diese Welt war am Anfange, und sie war nicht: es war nur der Geist, der existierte (Manas).[38]

Darum wurde von einem Propheten gesagt: ›Nicht gab es damals Sein noch Nichtsein‹; denn der Geist war nicht Sein und war nicht Nichtsein.

Dieser Geist war geschaffen und wünschte sichtbar zu werden, deutlicher, körperlicher. Er suchte nach einem Selbst, er tat Buße und wurde körperlicher. Er sah seine 36000 Arkafeuer1, die aus Geist gebildet, aus Geist geschichtet waren. Sie wurden nur im Geiste angelegt, nur im Geiste geschichtet; im Geist wurden bei ihnen die Somabecher geschöpft; im Geist sang und rezitierte man; welche Handlung man beim Opfer vollzieht, welche Opferhandlung, die wurde bei diesen aus Geist gebildeten, im Geist geschichteten im Geist rein geistig vollzogen ...

Dieser Geist schuf die Stimme. Die Stimme war geschaffen und wünschte sichtbar zu werden, deutlicher, körperlicher. Sie suchte nach einem Selbst. Sie tat Buße und wurde körperlicher. Sie sah ihre 36000 Arkafeuer, die aus der Stimme gebildet, aus der Stimme geschichtet waren. Sie wurden nur mit der Stimme angelegt, nur mit der Stimme geschichtet; nur mit der Stimme wurden bei ihnen die Becher geschöpft; mit der Stimme sang und rezitierte man; welche Handlung man beim Opfer vollzieht, welche Opferhandlung, die wurde bei diesen aus Stimme gebildeten, aus Stimme geschichteten nur mit der Stimme rein stimmhaft vollzogen ...

Die Stimme schuf den Hauch. Der Hauch war geschaffen und wünschte sichtbar zu werden ...2

Der Hauch schuf das Auge. Das Auge war geschaffen und wünschte sichtbar zu werden ...

Das Auge schuf das Ohr. Das Ohr war geschaffen und wünschte sichtbar zu werden ...

Das Ohr schuf das Werk. Das Werk verdichtete sich zu Lebenshauchen, zum Gefäß, zum Speisebehälter (?). Das Werk ist unvollständig ohne die Lebenshauche; die Lebenshauche sind unvollständig ohne das Werk.

Das Werk war geschaffen und wünschte sichtbar zu werden ...[39]

Das Werk schuf das Feuer. Das Feuer ist sichtbarer als das Werk; denn durch das Werk bringen sie das Feuer hervor, durch das Werk zünden sie es an.

Das Feuer war geschaffen und wünschte sichtbar zu werden ...

Diese Feuer sind durch Wissen geschichtet. Alle Wesen schichten sie immerdar für den, der die Feuer in dieser Weise kennt, auch für den, der schläft. Durch Wissen allein sind sie für den, der so weiß, geschichtet.


(X, 5, 3, 1 ff.)


Es folgt die Identifikation des Feueraltars mit Erde, Luftraum, Himmel, Sonne, Gestirnen usw.

1

Eggeling bemerkt hierzu auf Grund des indischen Kommentars, daß die 36000 Feuer = 100 x 360 = der Zahl der Tage eines Lebens von voll hundert Jahren sind und jeder Tag des Lebens sein geistiges Opferfeuer, seine geistige Tätigkeit hat. – 10800 = 360 x 30 (dreißig Muhûrtas = Tagesstunden).

2

Ich kürze den Text ausnahmsweise ab.

Quelle:
Upanishaden. Altindische Weisheit aus Brâhmanas und Upanishaden. Düsseldorf/Köln 1958, S. 38-40.
Lizenz: