2. Der Traumschlaf (4,3,9–18).

[55] Wenn er nun einschläft, dann entnimmt er aus dieser allenthaltenden Welt das Bauholz (mâtrâm, materiem), fällt es selbst und baut es selber auf vermöge seines eigenen Glanzes, seines eigenen Lichtes; – wenn er so schläft, dann dient dieser Geist sich selbst als Licht.

10. Daselbst sind nicht Wagen, nicht Gespanne, nicht Strassen, sondern Wagen, Gespanne und Strassen schafft er sich; daselbst ist nicht Wonne, Freude und Lust, sondern Wonne, Freude und Lust schafft er sich; daselbst sind nicht Brunnen, Teiche und Flüsse, sondern Brunnen, Teiche und Flüsse schafft er sich, – denn er ist der Schöpfer.

11. Darüber sind diese Verse:


Abwerfend was des Leibes ist im Schlafe,

Schaut schlaflos er die schlafenden Organe;

Ihr Licht entlehnend kehrt zum Ort dann wieder

Der gold'ge Geist, der ein'ge Wandervogel.


12.

Das niedre Nest lässt er vom Leben hüten

Und schwingt unsterblich aus dem Nest empor sich,[55]

Unsterblich schweift er, wo es ihm beliebet,

Der gold'ge Geist, der ein'ge Wandervogel.


13.

Im Traumesstande schweift er auf und nieder

Und schafft als Gott sich vielerlei Gestalten,

Bald gleichsam wohlgemut mit Frauen scherzend,

Bald wieder gleichsam Schreckliches erschauend. –


14.

Nur seinen Spielplatz hier sieht man,

Nicht sieht ihn selber irgendwer. –


Darum heisst es: ›man soll ihn nicht jählings wecken‹, denn schwer ist einer zu heilen, zu welchem er sich nicht zurückfindet. – Darum sagt man auch: ›der [Schlaf] ist für ihn nur eine Stätte des Wachens‹, denn was er im Wachen sieht, dasselbige siehet er auch im Schlafe. So also dient daselbst dieser Geist sich selbst als Licht.« – »O Heiliger, ich gebe dir ein Tausend [Kühe], rede was, höher als dieses, zur Erlösung dient!«

16. »Nachdem er nun so im Traume sich ergötzt und umhergetrieben hat, und nachdem er geschaut hat Gutes und Übles, so eilt er, je nach seinem Eingang, je nach seinem Platze, zurück zum Zustande des Wachens; und alles, was er in diesem schaut, davon wird er nicht berührt; denn diesem Geiste haftet nichts an.« – »So ist es, o Yâjñavalkya. Ich gebe dir, o Heiliger, ein Tausend, rede was, höher als dieses, zur Erlösung dient!« –

17. »Nachdem er nun so im Zustande des[56] Wachens sich ergötzt und umhergetrieben hat, und nachdem er geschaut hat Gutes und Übles, so eilt er, je nach seinem Eingang, je nach seinem Platze, zurück zum Zustande des Traumes.

18. Und gleichwie ein grosser Fisch an beiden Ufern entlang gleitet, an dem diesseitigen und an dem jenseitigen, so gleitet der Geist an den beiden Zuständen entlang, an dem des Traumes und an dem des Wachens [ohne von ihnen berührt zu werden].

Quelle:
Die Geheimlehre des Veda. Leipzig 1919, S. 55-57.
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