[209] Nṛisiṇhottaratâpanîya-Upanishad IX.
Es begab sich, dass die Götter zu Prajâpati sprachen: unterweise uns, o Erhabener, über jenen Âtman. – So sei es, sprach er.
Zuschauer und Einwilliger ist jener Âtman, der Löwe; aus Denken bestehend und unwandelbar ist er der Wahrnehmer allerwärts. Denn es ist kein Beweis möglich für das Vorhandensein einer Zweiheit, und nur der zweitlose Âtman ist beweisbar. Nur durch die Mâyâ ist gleichsam ein anderes; aber der Âtman allein ist das Höchste, und er ist auch alles Vorhandene; denn dies ergibt sich aus den Zuständen des Tiefschlafes (prâjñaiḥ). Die ganze Welt aber ist Nichtwissen, ist jene Mâyâ. Der[209] Âtman aber ist das höchste Selbst und durch sich selbst leuchtend. Er erkennt und erkennt doch nicht; denn sein Erkennen ist objektlos, ist Innewerdung (anubhûti).
Aber auch die dunkelgestaltige Mâyâ wird erkannt durch Innewerdung [des Âtman als des allein Realen] als jenes Starre, Wahnartige, unendlich Leere; dies ist ihre Gestalt. Aber obgleich sie bald dies, bald das zur Erscheinung bringt und beständig vergehend ist, so wird sie doch von den Toren angesehen als der Âtman. Aber sie lässt ihn nur erscheinen als seiend und wieder nichtseiend [vergehend], indem sie ihn aufzeigt und wieder nicht aufzeigt und zwar im Stande der Freiheit [als Gott] und der Unfreiheit [als Seele].
Darum wird dieser zweitlose Âtman als nur aus Sein bestehend, ewig, rein, weise, real, erlöst, lauter, alldurchdringend, zweitlos, Selbstwonne, höchster, durch und durch Inneres erkannt durch diese Beweise: nur aus Seiendheit bestehend ist die ganze Welt, das Seiende aber ist das von jeher vorhandene Brahman; denn nichts anderes wird hienieden durch Innewerdung (anubhava) erkannt; aber kein Nichtwissen ist möglich in dem durch Innewerdung erkannten Âtman, dem selbstleuchtenden, Allzuschauer seienden, unwandelbaren, zweitlosen. Schaut schon hienieden das reine Sein, und dass alles andere nichtseiend ist, denn es ist die Wahrheit! Also ist das von jeher, als Ursprungloser,[210] in sich selbst Ruhende, ganz aus Wonne und Denken Bestehende bewiesen [durch Innewerdung], da es doch unbeweisbar ist [durch Reflexion].
– Aber entspringt dieses beharrende [Weltganze] aus dem Âtman?
Ohne Zweifel! Denn er ist es, der dieses alles, wie es ist, hervorbringt, der im Sehenden Sehende, der Zuschauer, wandellos, vollkommen, nichtwissenlos, für die nicht äussere, sondern innere Betrachtung sehr deutlich, erhaben über die Finsternis. So sprecht, seht Ihr ihn wohl jetzt?
– Wir sehen ihn, obwohl er unfassbar klein ist.
Er ist nicht klein, aber er ist der Zuschauer [das Subjekt des Erkennens], ohne Unterschiede, der nichtandere; ohne Lust und Schmerz und ohne Zweiheit ist er der höchste Âtman, allwissend, unendlich, unteilbar, zweitlos, allerwärts Bewusstsein [der Dinge] vermöge der Mâyâ, aber doch nicht Unbewusstsein, weil selbstleuchtend. – Ihr selbst seid er! Wird er nun wohl gesehen von [sich selbst als] dem zweitlosen? Gewiss nicht! Denn er wäre ein zweites, wäre nicht Ihr selbst!
– Erkläre uns das, o Erhabener! so sprachen die Götter.
Ihr selbst seid er, sage ich. Würde er von Euch geschaut, so würdet Ihr nicht den[211] Âtman [da er das Selbst, nicht ein anderes ist] erkennen. Denn der Âtman ist ohne Weltanhaftung. Darum seid Ihr selbst er, und das Licht, mit dem Ihr leuchtet, ist Euer eigenes. Ja, diese Welt, da sie ganz aus Sein und Bewusstsein besteht, ist nur Ihr selbst!
– Doch nicht! sprachen sie; denn dann wären wir ja ohne Weltanhaftung, so sprachen sie.
Wie könnte man ihn sonst schauen? sprach er.
– Wir wissen es nicht, sprachen sie.
Darum also seid Ihr selbst er, und das Licht, mit dem Ihr leuchtet, ist Euer eigenes. Als solche seid Ihr nicht einmal aus Sein und Bewusstsein bestehend. Denn diese zwei sind nur [das Brahman], wie es vor Zeiten herrlich aufleuchtete, [in Wahrheit aber] ist es unfassbar, zweitlos. – So sagt nun: kennt Ihr ihn [den Âtman]?
– Wir erkennen, dass er höher als das Gewusste und Ungewusste ist, sprachen sie.
Und er sprach: fürwahr, dieses Zweitlose, von dem Grosssein (bṛihat) Brahman Benannte ist ewig, rein, weise, erlöst, wahrhaft, fein, vollständig, zweitlos, nur aus Sein, Wonne und Denken bestehend, ist der Âtman selbst und unfassbar für jeden.
Ja, dieses tonlose, gefühllose, gestaltlose, geschmacklose, geruchlose, unsprechbare, unnehmbare, ungehbare, unentleerbare, unzeugbare, ohne Manas, ohne Buddhi, ohne Aha kâra, ohne Cittam, ohne Prâṇna, Apâna, Vyâna,[212] Udâna, Samâna, ohne Sinnesorgane, Objekte und Werkzeuge, ohne Merkmal, ohne Anhaftung, ohne Eigenschaften, ohne Veränderung, ohne Bezeichnung, ohne Sattvam, Rajas und Tamas, das ungeborene, Mâyâlose, das ist es, was die Upanishad's lehren als das herrlich leuchtende, mit eins erglänzende, vor dieser ganzen Welt herrlich aufleuchtende, zweitlose, – seht, ich bin er, und er ist ich!
Und weiter sprach er: seht Ihr ihn jetzt oder seht Ihr ihn nicht?
– Wir sehen, sprachen sie, dass er höher als das Gewusste und Ungewusste ist. – Aber wo bleibt jene [Mâyâ], und wie steht es mit ihr? fragten sie weiter.
Wozu diese Frage?
– Zu gar nichts, sprachen sie. [Wir sehen jetzt ein, dass die Mâyâ nichts ist.]
Ihr seid ein Wunder [da Ihr den Âtman erkennt], und doch auch wieder nicht [denn jeder ist, wie Ihr der Âtman], so sprach er.
– Wir erkennen ihn und erkennen ihn doch nicht, so sprachen sie. Aber auch so ist es nicht [auch über diese Gegensätze des Erkanntseins und Unerkanntseins ist der Âtman erhaben], fügten sie hinzu.
So sprecht ihn doch nur aus, denn von selbst [auch ohne ihn zu erkennen] ist er bekannt, sprach er.
– Wir schauen ihn, o Erhabener, und schauen ihn doch nicht. Wir können nicht[213] aussprechen, wie es damit ist. Verehrung sei Dir! sei uns gnädig! so sprachen sie.
Fürchtet Euch nicht, sprach er, fragt was Ihr wollt.
– Wie steht es mit jener Bejahung?
Sie ist der Âtman selbst, sprach er.
– Da sprachen sie: Verehrung bringen wir Dir alle, wie wir da sind!
So geschah es, dass Prajâpati die Götter belehrte, – belehrte.
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