1. Die Vergangenheit als Vorbild der Regierung

[104] Der Herzog sprach: »Kann man das, was an den Regierungsformen der vier Dynastien12 klar ist, als Vorbild nehmen?«

Der Meister sprach: »Wieso? Die Regierungsformen der vier Dynastien kann man alle als Vorbild nehmen.«

Der Herzog sprach: »Wäre es möglich, daß ich sie durchführte?«

Der Meister sprach: »Nein. Es geht nicht. Ich möchte nur, daß Ihr darum wißt und sie aus Anschauung und Erfahrung kennt. Wenn Ew. Hoheit die Regierungsmaßregeln der vier Dynastien anwenden wollten, so würde ihre Milde und Strenge nicht (mit den jetzigen Zeitverhältnissen) übereinstimmen. Wenn sie nicht paßten, so würde Ew. Hoheit sie vereinfachen. Bei dieser Vereinfachung würde man schließlich das Vorbild ganz wegwerfen. Ohne Vorbild aber läßt sich kein Staat regieren.«

Der Herzog sprach: »Ein geschickter Handwerker legt die Meßschnur an und schneidet danach zurecht; dabei kann man doch nicht von einem Wegwerfen des Vorbildes reden.«

Der Meister sprach: »Wenn etwas im Sinn noch nicht erfaßt und in der Übung noch nicht gewohnt ist, so wird es häufig übertreten, und schließlich wird das Vorbild weggeworfen.

Zirkel, Winkelmaß, Senkblei, Richtschnur, Gewicht und Waage, das waren die Werkzeuge, die vor alters die früheren Könige zum Gebrauch auf Erden einführten. Sie dehnten sich vom Kleinen bis aufs Große aus, und durch das Nahe ließ sich das Ferne erkennen. Wenn man diese Werkzeuge heutzutage anwendet, kann man das Altertum erkennen und die Gegenwart erkunden. So verhält es sich damit.

Wasser, Feuer, Metall, Holz, Erde, Korn, das sind die sechs[104] Vorratskammern. Es geht nicht an, auch nur eine einzige davon aufzugeben oder auch nur eine einzige hinzuzufügen. Die Leute brauchen sie alle gleichmäßig. Wenn man sie heutzutage verwendet, kann man das Altertum erkennen und die Gegenwart erkunden. So verhält es sich damit.

In alter Zeit, als die Hia- und Schangdynastie noch nicht aufgekommen waren, nannte Bo I das die geringen Maßnahmen der beiden göttlichen Herren13

12

Die vier Dynastien sind Yü (Schun), Hia, Schang, Dschou.

13

Die beiden Herren sind Yau und Schun.

Quelle:
Li Gi. Düsseldorf/Köln 1981, S. 104-105.
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