4. Die kosmische Ordnung

[116] Der Großgeschichtsschreiber von Dschou sprach: »Wenn nicht die Ordnung die Welt leitet, unabhängig von den Menschen, so werden alle Arbeiten leicht verdorben und schwer vollendet.«

Der Schreiber des Herrschers von Yü (Schun), Bo I, sprach: »Man muß das Alter ins Licht stellen und die Jugend im Dunkeln lassen. Licht und Dunkel entsprechen auch dem Männlichen und Weiblichen. Das Männliche und das Weibliche kommen abwechselnd zur Wirkung und richten sich nach der höchst gerechten Reihenfolge. Darum wendet sich die Sonne nach dem Westen und geht auf mit ihrer Helle im Osten. Der Mond wendet sich nach Osten und geht auf in seiner Helligkeit im Westen. Der Kalender der Häuser Yü und Hia setzte den Jahresanfang in den ersten Frühlingsmonat, in die Zeit, da das Eis sich löste und die Winterschläfer hervorkamen, da alle Pflanzen sproßten und der Glück verheißende Fasan mit den Flügeln schlug und balzte. So entstanden alle Wesen in Gemeinschaft mit dem Jahr im Osten, und die vier Jahreszeiten gingen ihren rechten Lauf nach der winterlichen Richtung hin. Zur Zeit, wenn der Hahn dreimal krähte, wurde es hell. Man begann das Jahr mit der grünen Farbe, ordnete die Reihenfolge der Monate und schloß mit dem Zeichen Tschou. Sonne und Mond machten das Jahr. Während einer Rechnungsperiode schob man zwei Schaltmonate ein, um den Bahnen des Himmels zu folgen. Dies war damit gemeint, (daß man sagte,) der Herr von Yü habe dem Monde geholfen.

Vom Himmel heißt es, daß er Klarheit schafft; täglich schirmt der Himmel die Dinge. Von der Erde heißt es, daß sie Gedeihen schafft; täglich vollendet die Erde ihre Geschäfte. Vom Menschen heißt es, daß er Freuden schafft; täglich freut sich das Volk. Die Bewegungen der Menschen sind dann nicht fern von ihren Arbeiten, und das gute Aussehen der Menschen ist nicht fern von ihrer Geistesart. Das bedeutet, daß, wenn im Innern und im Äußern alles zur rechten Zeit geschieht, alle Dinge erzeugt werden und der Weg zur Blüte darin beschlossen liegt.[117]

Der Himmel erzeugt die Dinge, die Erde ernährt die Dinge. Wenn die Dinge alle vollständig gedeihen und zur Zeit zum Gebrauch da sind, weil ihr Verbrauch immer geregelt wird, so ist das die Tätigkeit des Heiligen. Der Herr, der dem Himmel opfert, heißt Himmelssohn. Wenn der Himmelssohn aus dem Leben scheidet, so betätigt er sich in den vier Flüssen und wirkt sich aus in den vier Bergen. Wenn er begraben ist, wird er göttlicher Herrscher (Di) genannt.

Der Himmel wirkt die Güte, die Erde wirkt den Reichtum, der Mensch wirkt die Ordnung. Wenn man sich der Ordnung freut, ohne zu ermüden, so sind die Güter reichlich vorhanden und zur rechten Zeit geregelt. Wenn daher ein Heiliger die Erbschaft des Thrones antritt, so entsteht Ordnung. So ordnete der König Wen die Welt in Erwartung seiner Zeit. Tang ordnete die Welt, indem er den Stifter der Verwirrung strafte. Yü ordnete die Welt, indem er die Massen verwandelte. Nachdem die Massen sich ihm unterworfen hatten, richtete er ein Weltreich ein. Yau hielt es wert, durch Freude die Welt zu ordnen. Zur Zeit erwählte er den Schun. Schun ordnete die Welt durch seine Geisteskräfte, indem er ihre Macht anwandte.

Im Staate organisierte er das Volk auf der Grundlage der Gegenseitigkeit. In seiner Dynastie leitete er seine Beamten wie im Staat. Er schaffte Sicherheit, daß keine Revolutionen ausbrachen. Er ermahnte sie, daß keine Stockung vorkam. Die Leute alle wandten sich vom Bösen ab und dem Guten zu. Die Oberen lockten zum Guten und übten so die Strafen aus. Das Volk vervollkommnete sich in der Güte, und so brachte er es in Frieden.

Das ist die Art, wie im Altertum die Weisen die Welt regierten. Darum schätzten die Heiligen am höchsten die Güte und dann erst den Rang und dann erst die Kraft und dann erst die Schönheit und dann erst Bogenschießen und Wagenfahren.

Quelle:
Li Gi. Düsseldorf/Köln 1981, S. 116-118.
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