1. Der Dienst der Eltern

[148] Schan Gü Li fragte den Meister Dsong und sprach: »Gibt es einen rechten Weg, wie man Vater und Mutter dienen soll?«

Meister Dsong sprach: »Ja. Man liebe und achte der Eltern Wandel. Wenn sie auf rechtem Wege wandeln, so folge man ihnen nach; wenn sie nicht auf rechtem Wege wandeln, so mahne man sie. Wenn sie auf unsre Mahnungen nicht hören, so nehme man die Verantwortung für ihren Wandel auf sich selbst. Ihnen zu folgen, ohne sie zu mahnen, ist nicht ehrfurchtsvoll. Sie zu mahnen und ihnen nicht zu folgen, ist auch nicht ehrfurchtsvoll.

Ein ehrfurchtsvoller Sohn zeigt durch seine Mahnungen den Weg zum Guten, aber er wagt nicht zu streiten und zu disputieren. Streiten und Disputieren sind die Ursache von Unordnung.

Wenn sie sich nach uns richten, so daß sie ohne Fehler werden, so sei man ruhig; will man, daß sie sich nach uns richten und zu Weisen werden, so schafft das Unordnung8.

Ein ehrfurchtsvoller Sohn kennt keine persönliche Trauer und keine persönliche Freude. Worüber die Eltern trauern,[148] darüber trauert er auch; worüber die Eltern sich freuen, darüber freut er sich auch.

Ein ehrfurchtsvoller Sohn ist geschickt in seiner Anpassung an die Eltern; darum fühlen sie sich wohl durch ihn.

Wenn einer dasitzt wie ein Opferknabe und dasteht wie beim Fasten, ohne gefragt zu sein nicht antwortet und bei jeder Antwort sorgfältig auf sein Äußeres achtet, der mag ein sehr vollkommener Mensch sein, aber er hat es noch nicht erfaßt, wie man als Sohn sich benimmt9

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Man soll zufrieden sein, wenn man seine Eltern vor Vergehen bewahrt, soll es aber nicht unternehmen, Heilige und Weise aus ihnen zu machen.

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Man darf die Eltern durch seine Heiligkeit nicht bedrücken, sondern soll ihnen gegenüber ein harmlos freies Wesen zeigen.

Quelle:
Li Gi. Düsseldorf/Köln 1981, S. 148-149.
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