10. Die Verantwortung der kaiserlichen Lehrer

[256] Wenn der Himmelssohn sich nicht über die geistigen Kräfte der früheren heiligen Könige beredet und die Wege, wie ein Reichsfürst sein Volk ernähren muß, nicht kennt; wenn er nicht auf die guten Sitten und Rechte sieht und nicht die vernunftgemäße Art, sich mit den Dingen zu beschäftigen, untersucht; wenn er keine ausgebreitete Kenntnis der alten Urkunden und Überliefungen hat; wenn er nicht sich wohl fühlt innerhalb der Regeln der Würde und des Anstands; wenn Lieder, Urkunden, Sitten, Musik sich nicht nach den klassichen Schriften richten und die Ausbildung für den Beruf sich nicht nach den anerkannten Vorbildern richtet: so ist für alle diese Dinge der Großmeister verantwortlich.

Wenn der Himmelssohn nicht freundlich ist zu den Eltern und nicht gnädig zu den Leuten, keine Sitte befolgt den Würdenträgern gegenüber, nicht das Rechte trifft in der Prozeßordnung, sich nicht an die rechten Wege hält gegenüber den Unterbeamten, nicht traurig ist bei Beerdigungen, nicht ehrerbietig beim Opfer, nicht zuverlässig gegenüber den Lehensfürsten, nicht vorsichtig bei kriegerischen Verwicklungen,[256] nicht wahrhaftig bei Lohn und Strafe, nicht reich an Geisteskraft, nicht stark im Wandel; wenn er verschwenderisch schenkt an nahestehende Beamte und knickerig ist gegen ferne und geringe; wenn er nicht seinen Zorn dämpfen und seine Lüste beherrschen kann (vgl. I Ging, Diagramm 41); wenn er den Worten des Großmeisters nicht folgt: so ist für alle diese Dinge der Großlehrer verantwortlich.

Wenn der Himmelssohn auf seinem Thron nicht würdevoll sitzt; wenn er bei seiner Arbeit nicht gewissenhaft ist; wenn er in seinen Worten nicht folgerichtig ist; wenn er in seinen Lauten nicht die rechte Tonart trifft; wenn er beim Eintritt und Austritt und beim Niedersitzen auf der Matte nicht die Sitte befolgt; wenn er beim Auf- und Niedersteigen, bei der Begrüßung und dem Geleit nicht das rechte Benehmen hat; wenn er bei seinen Wendungen, beim Auf- und Niederblicken, beim Schauen und Beobachten nicht die rechten Formen befolgt; wenn er unbeherrscht um sich blickt, sich räuspert und spuckt; wenn er rasche oder langsame Schritte macht; wenn sein Äußeres nicht zum Klang der Laute und der Zither stimmt: so ist für alle diese Dinge der Großschützer verantwortlich.

Wenn der Himmelssohn das Gelernte nachlässig betrachtet; wenn die Gewohnheiten der Umgebung der Lehre des Meisters widersprechen; wenn er im Verkehr mit fernen Lehensfürsten keine geschmackvollen Ausdrücke kennt; wenn er im Umgang mit der Beamtenschar und seiner Umgebung nichts mehr von seinen schon gegebenen Versprechungen weiß; wenn er flüchtig kleine Rezitationen hört und sie nicht übt und pflegt: so ist für alles dies und Ähnliches der jüngere Meister verantwortlich.

Wenn der Himmelssohn beim Verweilen und Aus- und Eingehen sich nicht nach den Sitten richtet; wenn er Hut und Gürtel, Kleidung und Gewand nicht im richtigen Schnitt trägt; wenn die kaiserlichen Abzeichen an seiner Seite nicht die richtigen Maße haben; wenn Oberes und Unteres verwechselt und die Farben nicht in Harmonie sind; wenn er Ärger und Zorn, Freude und Frohsinn nicht im rechten Sinne pflegt; wenn er nimmt und gibt nicht nach dem Maß: so ist für alles dies und Ähnliches der jüngere Lehrer verantwortlich.[257]

Wenn der Himmelssohn nach Belieben ruht und behaglich sich gehen läßt; wenn er in der Freude ausgelassen wird, beim Weintrinken sich betrinkt, beim Fleischessen sich überißt; wenn er gesättigt großspurig ist und wenn er hungrig gierig ist; wenn er bei der Hitze sich räuspert und bei der Kälte hustet; wenn er zum Schlafen sich nicht in die Verborgenheit zurückzieht; wenn er beim Sitzen niemand zum Aufwarten um sich hat; wenn er beim Gehen niemand voranschreiten und nachfolgen läßt; wenn der Himmelssohn selbst die Türen öffnet, um seine Lieblingsdinge zu holen; wenn er selbst Geräte und Teller in die Hand nimmt; wenn er ohne Selbstbeherrschung im Kreis umherblickt; wenn er die kaiserlichen Geräte nicht aufhebt und birgt: so ist für alles dies und Ähnliches der jüngere Schützer verantwortlich.

Wenn Lieder gesungen werden in unzüchtigen Tönen; wenn die Klänge nicht mit den Tonarten stimmen; wenn beim Essen er sich an heiliger Musik ergötzt und so die Ordnung der Musik verletzt; wenn er nicht die Zeiten und Maße von Tag und Monat kennt, nicht die zu vermeidenden heiligen Namen der früheren Herrscher und die Tabubezeichnungen der großen Staaten kennt; wenn er nicht die Vorbedeutungen von Wind und Regen, Donner und Blitz kennt: so ist für alles dies und Ähnliches der Großschreiber verantwortlich.

Quelle:
Li Gi. Düsseldorf/Köln 1981, S. 256-258.
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