X, 94. [920.] An die Presssteine.[375] 397

Die Schwestern in Vers 4 sind die Finger, die die Presssteine lenken; die Kuh in V. 9 ist die gemolkene Somapflanze, der goldene in V. 12 der in der Sonne glänzende Somasaft.


1. Sie sollen singen, wir auch wollen singen nun;

den Steinen singet euer Lied, den singenden,[375]

Wenn ihr gewalt'ge, schnelle Felsen im Verein

dem Indra Soma bringend Sang und Klang erhebt.

2. Es singen diese hundertfach und tausendfach,

mit gelben Mäulern wiehern sie entgegen uns,

Die Steine emsig mühend sich mit frommem Werk,

sind früher als der Priester selbst zum Mahl gelangt.

3. Sie singen, denn sie fanden nun den süssen Trank,

sie brummen lüstern bei dem gar gewordnen Fleisch,

Des rothen Strauches Zweig zerkauend haben jetzt

die Stiere, die so viel verschlingen, laut gebrüllt.

4. Sie singen kräftig mit dem Trank, der sie berauscht,

nach Indra rufend, denn sie fanden schon den Meth;

Nun tanzen sie umschlungen von der Schwesterschar

mit Kunst, sodass die Erde dröhnt von ihrem Schall.

5. Zum Himmel schallt der schnellen Vögel lauter Sang,

die muntern Rehe tanzen in der Höhle nun;

Sie gehn herab ins Brautgemach des untern Steins,

die sonnenhellen lassen vielen Samen dort.

6. Wie starke Rosse fahrend ziehn die Stränge sie,

zugleich geschirrt die Stiere, tragend gleiches Joch;

Wenn schnaubend, fressend sie erheben ihr Gebrüll,

dann klingt es wie Gewieher einer Rosseschar.

7. Singt denen, die der Bahnen und der Gurte zehn,

die zehn der Stränge haben, zehnfach angeschirrt,

Die nimmer altern, durch der Zäume zehn gelenkt

und die zehn Deichsel, zehn verbundne Joche ziehn.

8. Zehnfach gezäumten Rossen sind die Steine gleich,

und ihre Fahrt umläuft den lieben Somatrank;

Des besten Stengels erste Milch genossen sie,

des ausgepressten Somakrautes besten Trank.

9. Die Somafresser grüssen Indra's Rossepaar,

die Pflanze melkend sitzen dort sie bei der Kuh;

Wenn Indra trinkt den Methsaft, den sie ausgemelkt,

so wird er gross und breit und kräftig wie ein Stier.

10. Eur Trank ist stark, fürwahr es soll euch mangeln nichts,

stets seid ihr labend, wenn ihr gut gefüttert seid,

Wie Reichthum seid durch Gabenfülle ihr beliebt,

bei dem, dess Opfer ihr, o Steine, gern geniesst.

11. Durchlöchert, doch nicht löchrig seid, o Steine ihr,

unsterblich, nie zerfallend, immer ohne Rast,

Nicht krank, nicht alternd, keinen Plagen ausgesetzt,

von Fett durchtränkt und nicht von Gier und Durst gequält.

12. Fest stehn die Berge, eure Väter, immerdar,

die Ruhe liebend gehn sie nicht von ihrem Platz;[376]

Ihr, ewig jung, zum goldnen eilend liebevoll

habt Erd und Himmel nun erfüllt mit eurem Schall.

13. So singen bei der Einkehr sie und auf der Fahrt,

mit lautem Lärm die Steine Somatrinkern gleich,

Und füllen gleich dem Landmann, der den Samen streut,

den Soma ein, doch fressend mindern sie ihn nicht.

14. Beim Opfersafte haben lustig sie geschrien,

die Mutter stossend wie beim Spiel die Kinder;

Mach, Soma, frei des Kelterers Gebete,

die hehren Steine mögen rings sich tummeln.

Quelle:
Rig-Veda. 2 Teile, Leipzig 1877, [Nachdruck 1990], Teil 2, S. 375-377.
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