X, 37. [863.] An den Sonnengott.

[324] Der dunkle Raum in Vers 3 ist die Nacht, die nach der Sonne Untergang deren Bahn verfolgt (sich mit den Sternen auch von Osten her bewegend.) Als Fackel (V. 9), die auf der Erde flammt, erscheint die Sonne bei ihrem Auf- und Untergang, daher wird ihr, wie dem Savitar, nicht blos das Erwecken sondern auch das zur Ruhe legen zugeschrieben.


1. Anbetung sei dem Auge Mitra-Varuna's,

dem Gotte bringt voll hoher Andacht Opfer dar;

Der gottgebornen Leuchte, welche weithin schaut,

dem Sonnengott, dem Sohn des Himmels, singt ein Lied.

2. Von allen Seiten schütze mich dies wahre Wort,

wo Erd' und Himmel und der Tage Lauf sich dehnt,

Das andre alles geht zur Ruhe, was sich regt;

doch täglich gehn die Wasser, geht die Sonne auf.

3. Von jeher hält dir nie ein Götterhasser Stand,

wenn du mit den beschwingten bunten Rossen fährst,

Im Osten folgt ein andrer dunkler Raum dir nach;

doch du, o Sonne, gehst mit neuem Lichte auf.

4. Mit welchem Licht das Dunkel, Sonne, du verjagst

und alle Wesen neu belebst durch deinen Glanz,

Mit diesem schaffe alles Siechthum von uns fort,

die Lässigkeit im Opfern, Krankheit, bösen Traum.[324]

5. Denn ausgesandt bewachst du jedes Menschen Werk,

nach deiner Weise gehst du ohne Zürnen auf;

Wenn wir dich rufen wünschend heut, o Sonnengott,

gewähre uns die Schar der Götter diesen Wunsch.

6. Es höre Erd' und Himmel diesen unsern Ruf,

die Wasser, Indra und die Maruts dieses Wort,

Nicht treffe Mangel bei der Sonne Anblick uns,

und glücklich lebend mögen wir ins Alter gehn.

7. Mit frohem Sinn und hellem Auge immerdar,

an Kindern reich und ohne Krankheit, ohne Schuld,

O Freundereicher, mögen wir dich Tag für Tag

aufsteigen sehn, noch lange lebend, Sonnengott!

8. Der grosses Licht du bringst, o weithinschauender,

und strahlend jedem Auge Lust und Wonne bringst,

Der du emporsteigst aus dem grossen Glanzesmeer,

dich mögen lebend schauen wir, o Sonnengott.

9. Durch dessen Fackel alle Wesen dieser Welt

hervorgehn und zur Ruh sich legen bei der Nacht,

Geh auf, o Sonne, mit dem Flammenhaar und gib,

dass Tag für Tag wir reiner sein von Sündenschuld.

(10-12. siehe Anhang.)

Quelle:
Rig-Veda. 2 Teile, Leipzig 1877, [Nachdruck 1990], Teil 2, S. 324-325.
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