Der Beamte auf Sendung in die Ferne.1

[254] Es jagt mein Hengstgespann einher,

Der Heerweg längt sich immer mehr.

Wie dächt' ich nicht an Wiederkehr?

Doch Königsdienst will kein Versäumen, –

Mir ist das Herz vor Kummer schwer.


Es jagt mein Hengstgespann einher,

Die Mohrenschimmel schnauben, schäumen.

Wie dächt' ich nicht an Wiederkehr?

Doch Königsdienst will kein Versäumen;

Nicht darf ich hingekauert träumen.


Wol seh' ich schnellbeschwingte Tauben

Nun steigen, nun hinabbegehren

Und auf das Eichendickicht kehren.

Doch Königsdienst will kein Versäumen;

Ich darf den Vater nicht ernähren.
[255]

Wol seh' ich schnellbeschwingte Tauben

Nun steigen, nun sich abbewegen

Und sich in Weidendickicht legen.

Doch Königsdienst will kein Versäumen;

Ich darf die Mutter nicht verpflegen.


Vier Mohrenschimmel spannt' ich an,

Sie rennen rastlos ihre Wege.

Wie dächt' ich nicht an Wiederkehr? –

Und darum macht' ich dieses Lied,

Zu deuten auf der Mutter Pflege.

1

Dieses Lied pflegte am Hofe zur Feier der Rückkehr eines Abgesandten gesungen zu werden, weßhalb die Ausleger meinen, es sei nur im Geiste eines solchen, nicht von ihm selbst gedichtet worden. Doch ist nicht nur aus dem ganz Individuellen, da der in weite Ferne Gesendete hülflose Ältern zurückgelassen, sondern auch aus den beiden Schlußversen zu vermuthen, der Dichter habe das Lied als eine feine Bitte um Zurückberufung an seinen hohen Absender gerichtet.

Quelle:
Schī-kīng. Heidelberg 1880, S. 254-256.
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